Das bin dann wohl ich

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Ich stehe hier am Meer, es ist Herbst, Ende Oktober um genau zu sein, es dämmert schon und es wird kälter, als mir lieb ist. Für morgen sagt der Wetterbericht kein gutes Wetter an, deswegen habe ich den Tag heute mit meinen Freunden am Strand verbracht. 

Wenn ihr euch fragt, wo ich bin, wenn ich im Oktober noch am Meer stehe: Ich bin im wunderbaren Florida, in Marco Island. Ich liebe diesen Ort einfach so, es ist meine Heimat und wie ein Traum. Wir haben hier so oft schönes Wetter, tolle Temperaturen, es gibt nichts schöneres als den Sommer hier. Na klar, Schweden und Spanien sind auch wundervoll, aber hier gefällt es mir am besten, Gott sei Dank, das wäre sonst doch zu blöd. Wie ich auf Spanien und Schweden komme? Naja, ich bin halb halb, also halbe Spanierin und halbe Schwedin. 

Meine Mutter kommt aus Schweden, von der wunderschönen Insel Gotland. Sagt euch nichts? Egal, ist halt eine extremste idyllische Insel, wenn ihr zufällig mal in der Gegend seid, schaut unbedingt vorbei. Mein Papa kommt aus Barcelona, das ist eine wunderbare Stadt. 

Ihre Kennenlerngeschichte ist, auf Grund der Distanz, nicht wie bei normalen Paaren, also schon etwas spezieller. Meine Mutter ist sehr jung das erste Mal Mama geworden, zusammen mit ihrem damaligen Freund Emil - herausgekommen ist meine Halbschwester Hanna. Als Hanna zwei gewesen ist, sind sie das allererste Mal zusammen auf Urlaub gefahren - wie sollte es auch anders sein - nach Barcelona. Am Strand hat meine Mutter dann meinen Vater kennengelernt, Hanna hat damals mit seinem Sohn gespielt. Wer kann da schon widerstehen, wenn ein alleinerziehender, junger, heißblütiger Spanier vor einem steht? Meine Mutter jedenfalls nicht. Satte vier Monate lang hat sie mit meinem Vater Kontakt gehabt und Briefe ohne Ende geschrieben - während ihrer anderen Beziehung. Irgendwann hat sie Schluss gemacht und ist samt Hanna nach Spanien ausgewandert. Irgendwie schon ziemlich verrückt, ich würd' es mich ehrlich gesagt nicht trauen. In Barcelona ist sie dann sofort bei meinem Vater und seinem dreijährigen Sohn Fabio eingezogen. Das ist natürlich perfekt gewesen: Meine Mum hat auf die beiden Kleinen aufgepasst, mein Dad ist seiner Arbeit nachgegangen. Mit nur 27 Jahren ist er schon Chefkoch eines größeren, recht bekannten Restaurants gewesen und hat schon immer relativ gut verdient. Als ein Freund ihm dann erzählt hat, dass er ein ganzes Restaurant in Marco Island übernehmen könne, haben sie keine Minute gezögert und ihren kompletten Lebensmittelpunkt nach Amerika verlegt, als nette Patchworkfamilie. 

Naja, jetzt sind wir hier. Es ist klar, dass es nicht bei Hanna und Fabio geblieben ist, denn meine Eltern haben noch 3 Kinder bekommen. Meine kleine Schwester Lucia, die mittlerweile schon drei ist und meinen Zwillingsbruder Julian und mich, Leonora, kurz Leo. Fabio wohnt noch bei uns, Hanna nicht mehr, die geht aufs College. 

„Leoooo, kommst du essen?“, höre ich meinen Bruder vom Garten aus brüllen. Da fällt es mir wieder ein: Sonntag um halb sieben ist Familienessen angesagt. Da muss mein Dad nicht arbeiten und es ist ein schöner Abschluss für die Woche, meistens jedenfalls. 

Ich sprinte also über den Steg bis zu unserem Gartenzugang hinauf, wo mich mein Bruder schon erwartet. Er sieht mir einfach verdammt ähnlich, klar, wir sind Zwillinge, aber das ist schon wirklich brutal. Bis auf den Körperbau (wäre ja auch scheiße, wenn er Brüste hätte) und ein paar kleine Eigenheiten wie Gesichtsform, sehen wir identisch aus, sagen viele. Wir haben beide dunkelblondes Haar (im Sommer sind sie heller) und blaue Augen - die gleichen wie unsere Mum und Hanna. Die Haarfarbe dürfte eine Mischung sein - unsere Eltern haben dunkelbraune und blonde Haare. Dank unseres südländischen Vaters haben wir das ganze Jahr über einen braunen Teint, darum beneiden mich viele in unserer Schule.

Drinnen duftet es schon ganz fantastisch, mein Papa hat heute Sparerips und dicke Pommes mit Dip  gemacht - zum Niederknien! Fabio, Lucia und meine Mum sitzen schon an unserem massiven Holztisch, mein Dad werkelt noch irgendwas in der Küche. Julian nimmt seinen Stammplatz ein, direkt am Ende unserer „Tafel“, ich sitze neben ihm, Fabio gegenüber von mir. Manchmal frage ich mich, wie ich es mit zwei solchen Brüdern aushalten, schlagen sie doch immer wieder mal mit ihren Füßen gegen meine Beine und klauen essen von meinem Teller. Trotzdem liebe ich sie, so was muss Familie sein.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 13, 2015 ⏰

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