Tell me something I don't know

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In den nächsten Tagen schneite es viel, es wurde immer kälter und ich wusste schon gar nicht mehr, was ich alles anziehen sollte

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In den nächsten Tagen schneite es viel, es wurde immer kälter und ich wusste schon gar nicht mehr, was ich alles anziehen sollte. Dauernd trug ich Klamotten von Sam, die mir viel zu groß, aber immerhin warm waren. Brian machte sich über mich lustig, weil ich darin aussah wie ein winziger Holzfällerzwerg, und meine Mütze trug dazu noch ihr Übriges bei. Das sei noch gar nicht der richtige Winter, beteuerten Sam und Brian jedes Mal, wenn ich mir auch nur im Geringsten über die Kälte beschwerte. Und ich wollte lieber nicht darüber nachdenken, wie denn der richtige Winter einschlagen würde, wenn eine Temperatur von minus zwanzig Grad anscheinend noch nicht als winterlich zu bezeichnen war.

Trotzdem fühlte ich mich ungewohnt wohl. Beinahe würde ich es sogar als eine ganz neue Art von Geborgenheit bezeichnen. Ich empfand inneren Frieden – vielleicht klang das bescheuert, aber so war es. Es war, als wäre ich das erste Mal in meinem Leben so richtig ich selbst. Als hätte ich mich wiedergefunden, ohne zu wissen, dass ich mich überhaupt verloren hatte. Ja, ich trug zu große Hemden und Boots, die schon nach dieser kurzen Zeit total zerschlissen und durchgetreten waren, aber das egal. Jeden Abend, wenn ich sie auszog, erinnerte ihr Anblick mich daran, dass ich gearbeitet hatte. Und das erfüllte mich mit Stolz. Auf mich. Ich war wirklich stolz auf mich, kaum zu glauben.

Auch Laurie hatte das bei unserem letzten Telefonat bemerkt. »Du wirkst glücklich«, hatte sie gesagt. »Ganz einfach glücklich.« Und zufrieden. Ich war auch zufrieden, weil ich inzwischen den Dreh rausbekam, wie alles hier so lief. Ich wusste, wie ich Sam helfen konnte, ohne ihm im Weg zu stehen, wusste, was er morgens zum Frühstück wollte, und ich freute mich, wenn ich es schaffte, vor ihm wach zu sein, um es für ihn zu machen. Nicht, weil sich meine Einstellung zum frühen Aufstehen geändert gatte -, ich empfand es noch immer als Höllenqual, - sondern nur, weil Sam immer so überrascht lächelte, wenn er in die Küche kam und den Kaffee roch. Dafür stand ich gern früh auf, Gott verstand, wieso.

Überhaupt wurde die Stimmung zwischen Sam und mir immer besser. Immer ruhiger. Ich hatte nicht mehr dauernd das Gefühl, ihm nichts rechtmachen zu können. Oft spielten wir jetzt abends Videospiele, extra die, in denen es nicht so viel Gewalt gab, weil ich das hasste. Und weil ich keinen Sinn darin sah, Kriegsspiele zu spielen, während an vielen Orten der Welt so etwas in echt geschah. Bei dem Gedanken drehte sich mir der Magen um, und ich konnte auch kein Gegenargument gelten lassen. Zu meiner Überraschung teilte Brian meine Meinung, weshalb wir zu Sams Leidwesen meistens bei Tetris oder Super Mario endeten.

Brian schien gar nicht mehr nach Hause fahren zu wollen, was mich mit jedem Tag mehr irritierte. Er übernachtete im Haupthaus, das ich immer noch nicht gesehen hatte – aus Solidarität zu Sam, der sich eben vehement weigerte, dieses Gebäude auch nur zu betreten. Oder in seine Nähe zu gehen. Es war okay für mich. Der Schuppen und das kleine Haus waren okay.

Der türkise Truck, den ich normalerweise fuhr, hatte mir heute Morgen verkündet, dass er keine Lust auf die Kälte hatte, weshalb ich jetzt Sams Jeep nehmen wollte, um in die Stadt zu fahren. Eigentlich hatte ich mich schon an mein Auto gewöhnt gehabt, und es nervte mich ein bisschen, dass es jetzt anscheinend genau wie mein Mustang entschieden hatte, mich zu hassen. »Joanie!« Sams Stimme ließ mich herumfahren, die Hand am Griff der Autotür. Ich hatte ihn gefragt, ob ich seinen Wagen nehmen durfte, gerade eben erst. »Warte!«

You See My HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt