Kapitel 2: Kleine Fortschritte... (King)

129 6 0
                                    

Kapitel 2: Kleine Fortschritte...

Harry hatte keine Ahnung wie er anfangen sollte. Wie er sich an die Sache herantasten sollte. Er hatte ja nicht einmal Gewissheit das etwas mit Carlos war. Es war nur ein Bauchgefühl. Normalerweise hörte er auch darauf, ohne zu Zweifeln. Trotzdem stand er unschlüssig vor der Zimmertür, wo hinter Carlos sein müsste. Dann endlich gab er sich einen Ruck und klopfte an das dunkle Holz. Es war still. Keine Antwort. Nichts. Also klopfte Harry erneut. Energischer als zuvor. Wieder nichts. Genervt öffnete er dann einfach die Tür. Wenn es nicht auf die Auradon Weise ging, dann halt auf Insel Art.

Was er dann sah, erschreckte ihn irgendwie. Carlos lag schlafend, mit Kopfhörern auf dem Bett. Das Gesicht zu einer Grimasse verzogen und mit Tränen in den Augen. Seine Wangen eingefallen und trotz dessen das er nun schlief, sah er so müde und erschöpft aus. Harry ließ seinen Blick durchs Zimmer gleiten. Die Fenster waren mit Vorhängen verdunkelt und es sah aus, als hätte der normalerweise so ordentliche Junge, seit einem Monat nicht mehr aufgeräumt. Etwas auf dem Nachttisch erhaschte seine Aufmerksamkeit. Harry griff nach der Packung. „Schlaftabletten?" flüsterte er zu sich selber. Dann griff er nach der Flasche die halbleer daneben stand und wunderte sich woher der Junge die hatte. Aber im selben Moment schien auch die Sorge um den jüngeren größer zu werden. Mit einem leisen Seufzer setzte er sich auf den Boden und betrachtete das Gesicht. Ohne es zu bemerken, streckte er seine Hand aus und strich durch die weißen Locken. Immer wieder und langsam wurde der Ausdruck im Gesicht von Carlos weicher. Mit aufmerksamen Blick beobachtete Harry ihn. Der Junge musste schon auf der Insel viel durchmachen. Jeder wusste was Cruella ihren Sohn antun konnte. Nein, nicht konnte. Hat. Jeder wusste was sie getan hat.

Eine Bewegung von Carlos ließ Harry kurz stoppen. Der Junge sah so erschöpft aus, das er ihn am liebsten schlafen lassen würde. Aber scheinbar war das nicht möglich, denn er schien aufzuwachen. „Harry?" murmelte er verschlafen und mit einer kratzigen Stimme. „Welpe", sagte er sanft, was ihn selber erstaunte. Die braunen Augen von Carlos sahen müde aus und schlimmer noch leer. Keine Emotion war in ihnen zu finden. In Harry Hals bildete sich ein Kloß. Es war wahrscheinlich noch schlimmer als er dachte. Es war wahrscheinlich nicht nur Einsamkeit. Denn ehrlich, er wusste wie sich sowas anfühlte. Er war auch schnell einsam gewesen, als Gil und Uma weg waren. Doch er hatte sich damit abgefunden und Zeit mit Audrey verbracht. Aber sein kleiner Welpe stattdessen hatte sich hier eingeschlossen. Wieder strich Harry sanft durch die Haare von Carlos. „Was machst du hier?" Gute Frage, dachte sich Harry. Wie sollte ich ihm erklären das ich mir Sorgen um ihn machen. „Ich-." Er wusste nicht genau was er sagen sollte. „Du siehst echt beschissen aus." Es war das erste was ihm in den Sinn kam. Aber es war scheinbar das falsche, wie er einige Momente später feststellte, als Carlos ihn mit einem wütenden Blick und den Worten „Verpiss dich Hook!" aus dem Zimmer schmiss.

Carlos saß wütend auf seinen Bett. Er war nicht einmal fünf Minuten wach und war schon so schlecht drauf. Dabei hat er seit langem wieder geschlafen, wenn auch nicht so gut. Dennoch Schlaf war Schlaf. Und ihm fehlte das genauso wie Essen. Doch statt dem Essen stellte er sich eher mit Musik zufrieden. Er wollte nicht Essen. Es fiel ihm schwer irgendetwas runter zu bekommen, geschweige den drinnen zu behalten. Also verzichtete er. Um seine Gedanken abzukühlen, setzte Carlos seine weißen Kopfhörer wieder auf und machte ein Lied an, bevor er sich dann nach hinten in seine Kissen fallen ließ. Was hatte Harry überhaupt in seinem Zimmer gemacht? Er hatte hier nichts verloren. Er erinnerte sich an die Hand, die auf seinem Kopf gelegen hatte, als er aufgewacht war. Sie hatte sich gut angefühlt. Und er weniger allein. Aber Carlos wusste, Harry Hook würde ihm nicht helfen wollen. Denn er lebte jetzt ein gutes Leben. Oft genug hatte er ihn aus dem Haus gehen gehört. Oder auch Audrey gehört, wenn auch das es nur ein zweimal war. Aber Carlos wusste das der Pirat sich nicht für ihn interessierte. Damals auf der Insel war er zwar sein Lieblingsopfer gewesen. Sein kleines Spielzeug. Aber nun war er nichts mehr. Für niemanden. Er war alleine und es fühlte sich so an wie früher, als er in den Wandschrank zwischen den Fellen seiner Mutter lag. Carlos zog seine Beine näher an sich und begann zu weinen. Er war wirklich erbärmlich und wunderte sich nicht, dass er keine Freunde hatte. Alle waren weg. Es war verständlich.

Am Abend war Harry dabei einige Snacks zuzubereiten. Es war nichts besonderes. Einige Brote und Früchte. Wobei er auch einen Schokoladenmuffin aufs Tablett stellte. Sein Grinsen so breit wie nur möglich, als er damit ins Zimmer von Carlos ging. Dieser sah erschrocken auf und wischte sich mit seinem Arm schnell übers Gesicht. Die Tränen hatte Harry trotzdem gesehen, aber er würde sie nicht ansprechen. Er stellte das Tablett mit Essen auf den Nachttisch, bevor er ins Bett stieg und nach der Fernbedienung griff. „Hook? Was machst du hier?" Die Kopfhörer vom Kopf genommen sah Carlos ihn fragend an. Doch bevor der Pirat antwortete machte er es sich erstmal bequem. „Dein Fernseher ist besser als meiner. Ich will diesen einen Film sehen." Eine Lüge. Er hatte keine Ahnung was da im Fernseher lief und seiner war wahrscheinlich gut genug für ihn. Aber er brauchte irgendetwas um im Zimmer des Jüngeren zu bleiben und nicht gleich wieder rausgeschmissen zu werden. Er lag also mit Carlos unter einer Decke und fast so nah an ihn, dass er die Wärme des anderen spüren konnte. Dann griff er nach dem Tablett auf dem er die leckeren Brote rauf gepackt hatte. „Willst du was?" fragte er Carlos, als er seinen Blick sah. Eigentlich war darauf eh alles für den Jüngeren. Aber dies brauchte dieser nicht zu wissen. Carlos Blick blieb länger an den Muffin hängen und sein Bauch begann zu grummeln. Er wusste Harry mochte dieses süße Zeug nicht, im Gegensatz zu ihm. Also warum stand er da. Zögernd und mit zitternden Finger griff Carlos nach dem Gebäck. Das ehrliche Lächeln von Harry bemerkte er dabei nicht. Harry unterdessen war sehr zufrieden. Egal wie viel der andere essen würde, wenigstens er aß etwas. Harry konnte die Knochen bereits unter der Haut erkennen und fragte sich wirklich wann der Junge das letzte Mal gegessen hatte.

Als er dann mit Zufriedenheit feststellte, dass Carlos auch wirklich aß, machte er den erst besten Film an. Ein Piraten Film wie er wenig später begeistert feststellte. Der Jüngere gab ein kurzes Schmunzeln von sich. Natürlich würde Harry so ein Film gefallen. Die Fluch der Karibik Reihe war sehr beliebt und gehörte auch zu seinen Lieblingsfilmen, auch wenn er nur die ersten beiden Teile kannte. An einigen Stellen konnte er sich nicht einmal ein Lächeln unterdrücken und doch merkte Carlos wie die Müdigkeit an ihn zerrte. Die Wärme des Körpers neben ihn und ein nicht mehr grummelnder Magen, ließen ihn immer mal wieder die Augen schließen, bis er sie nicht mehr öffnete und angekuschelt an Harry einschlief.

Harry bemerkte das natürlich und konnte sich das breite Grinsen nicht verkneifen. Er hatte geschafft das der jüngere, sowohl etwas kleines aß, als auch einschlief. Ohne Tabletten. Ohne Alkohol. Das war ein Erfolg. Sich entspannend guckte Harry den Film weiter und strich immer mal wieder durch Carlos weißes Haar. Seine langen Finger spielten mit den Locken, die er viel besser fand, als das lange glatte Haar. Doch davon brauchte Carlos nichts wissen. Der Film war zu Ende und Harry machte den Fernseher aus. Da er nicht aus den Bett gehen wollte, geschweige denn Carlos aufwecken wollte, machte er es sich bequem und zog den Jüngeren in seine Arme, nur um wenig später ebenfalls einzuschlafen. Eingehüllt von den Gerüchen, die ihn anzogen wie eine Motte das Licht. Es hatte sich nichts geändert seit der Insel. Nicht für ihn.

Something between usWo Geschichten leben. Entdecke jetzt