Kapitel 6: Realitätsverlust
Als Carlos erwachte fühlte er sich seltsam gerädert. Er wusste nicht genau woran es lag. Aber ihm tat alles weh, vor allem sein Kopf. Ihm ging es so dreckig, dass er die Augen wieder schloss. Der Traum, zu mindestens denkt er das es ein Traum war, hing ihm im Kopf. Es war so realistisch gewesen. Die Schmerzen so stark. Carlos tastete neben sich in der Hoffnung Harry zu fassen. Aber seine Bettseite war leer. Er war allein.
Carlos drehte sich auf die Seite und zog die Decke über seinen Kopf. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Harry hat so viele schreckliche Dinge getan und er konnte die Schmerzen noch immer spüren. Den Haken in seiner Schulter, der Aufschlag auf den Asphalt oder der Fuß in seinen Rippen. Es war echt gewesen. Es war genauso wie der letzte Traum, wo er nach dem Aufwachen die Peitschenschläge auf seinen Rücken hatte spüren können. Es war viel realistischer als alles hier. Als ob er jemals wirklich in Auradon sein könnte. Seine Mutter hätte dies niemals zugelassen. War also das hier ein Traum? Dieses friedliche Leben in Auradon, wo seine Freunde ihn nicht zurückgelassen haben. Wo er nicht tagtäglich mit seiner Mutter zu tun haben musste. Wo Harry liebevoll und fürsorglich ist. Wo Carlos sich in ihn verliebt hat.
Er begann zu Schluchzen. Ja, das hier musste ein Traum sein und er musste vollkommen verrückt geworden sein. Wie konnte er sich ausgerechnet in eine Version von Harry verlieben, wobei er ihn nur zu quälen schien. Aber er konnte wenigstens hier Ruhe finden. Wenigstens hier war Harry nett und sein Mutter nicht vorhanden. Er würde es ausnutzen so gut es ginge, bevor er aufhörte diese Träume zu haben.
Die Tür öffnete sich und ein gut gelaunter und vor allem frisch geduschter Harry betrat das Zimmer. Er war sofort besorgt, als er die zusammengekauerte Person im Bett sah. „Welpe?" fragte er und setzte sich auf seine Bettseite. „Alles okay?" „Ja", kam es zögerlich und leise. „Ich habe nur Kopfschmerzen." Harry konnte die weinerliche Stimme kaum verstehen, aber er zweifelte daran, ob dies alles war. Eigentlich hatte er gehofft, dass es Carlos bereits besser ging, aber scheinbar lag er falsch. Man konnte jemanden nicht helfen nur weil man ihm Gesellschaft leistete. „Ich werde essen machen. Möchtest du auch etwas." Es kam keine Antwort und Harry wusste auch was das zu bedeuten hatte. Carlos würde nichts essen. Er würde im Bett liegen bleiben und nichts tun. Vielleicht wieder Musik hören, aber er würde nichts produktives tun. Was konnte er machen? Langsam verzweifelte er, ob er wirklich der richtige für diese Aufgabe war.
Er ging wieder aus den Zimmer und machte sich daran ein kleines Frühstück für sich zuzubereiten. Doch am Ende starrte er nur im Raum herum, ohne es anzurühren. Er wusste nicht was er tun sollte. Er war irgendwie hilflos und das gefiel ihm ganz und gar nicht. Harry seufzte genervt. Vielleicht sollte er Jane fragen wann Mal wieder da war. Auch wenn es ihm ganz und gar nicht passte ausgerechnet sie um Hilfe zu bitten, wobei er Carlos so gerne selbst helfen wollen würde. Scheinbar war dies aber nicht möglich. Ohne sein Essen weitere Beachtung zu schenken, ihm war der Hunger vergangen, ging er in sein Zimmer und zog sich andere Kleidung an. Er musste zu Jane. Egal ob sein Ego darunter litt, er wollte das es Carlos besser ging, egal wie. Es tat einfach zu sehr weh ihn so leiden zu sehen.
An der Tür zu Carlos öffnete er diese ohne zu Klopfen. „Ich bin kurz nochmal weg. In spätestens zwei Stunden bin ich wieder da." Er wollte Carlos zu mindestens Bescheid sagen, wenn er ging, auch wenn er es nicht musste. Der jüngere bewegte sich unter der Decke und dann durfte er sein Gesicht sehen. Tiefe dunkle Augenringe und verheulte rote Augen waren die ersten Dinge die er bemerkte. Er musste einen schrecklichen Alptraum gehabt haben. „Gehst du zu Audrey?" Die Frage kam unerwartet für Harry. Er blinzelte einen Augenblick, was für Carlos wohl falsch rüber kam. „Entschuldige. Ich habe nicht das Recht zu fragen." „Nein, nein. Alles gut. Ich gehe nicht zu Audrey. Ich treffe mich mit Jane, sie wollte mir irgendwas wichtiges sagen." Halbe Wahrheit, aber Carlos schien damit zufrieden. Er wusste Harry und Jane würden nie miteinander schlafen, sowie er und Audrey. „Okay." Der Weißhaarige drehte sich wieder um und zog sich die Decke erneut über den Kopf. Etwas verwunderte Harry daran. Sonst sah er Carlos immer mit seinen weißen Kopfhörern, aber er fand sie hier nirgends. Suchend sah er sich im Zimmer um, bevor er sie auf den Schreibtisch ausmachte. Er griff danach und reichte sie Carlos. „Hier. Falls du Musik hören möchtest." Carlos schenkte ihm einen dankbaren Blick und setze sie sich sofort auf. Für einen kurzen Augenblick beobachtete Harry ihn noch dabei, wie er entspannend die Augen schloss und der Musik lauschte. Dann ging er, um sich mit Jane zu treffen.
Endlich, dachte sich Carlos, als die Musik in seinen Ohren dröhnte. Endlich konnte er die Stimme ausblenden und sich in seine kleine Welt flüchten. Ganz weit weg von den Dingen die ihn belasten. Wie sollte er damit zurechtkommen? Der Harry in seinen Träumen war so lieb, aber der echte war einfach nur grausam. Wie konnte er sich in so einen Menschen verlieben? Wieder rollten einige Tränen seine Wangen entlang. Er musste an die Worte denken, die ihn Harry gesagt hatte. „Erbärmlich", flüsterte er. „Ich bin so unfassbar erbärmlich." Statt Trauer, packte ihn die Wut und er stand auf. Das erste was er zu fassen bekam war seine Tischlampe, die er gewaltsam aus der Steckdose zog und gegen die nächstbeste Wand schleuderte. Dort zerschmetterte sie und hinterließ ein leeres Gefühl in seinen Inneren. Am liebsten würde er laut Schreien und alles rauslassen, aber wenn er den Mund öffnete kam nichts. Seine Kehle fühlte sich zugeschnürt an und er war so wütend, dass er nach dem nächsten Ding griff. Es war ein kleiner Roboter den er selbst gebaut hatte. Niemand hatte sich dafür interessiert, genauso wie für ihn. Sein Griff um das kühle Metall wurde stärker, sodass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Er holte aus und schmiss auch das gegen die Wand. Dann entkam ihm endlich ein lauter kurzer Schrei und erledigt setzte er sich zurück ins Bett. Er könnte heulen. Erneut. Er war einfach nur erbärmlich.
Carlos war verzweifelt und ihm war gerade alles zu viel. Er wusste ja nicht einmal mehr was hiervon echt war. Hatte er wirklich diese Sachen zerstört oder war das Alles nur ein schlechter Traum. Liebte er Harry wirklich? Oder war es nur der Gedanke nicht mehr allein sein zu müssen, wenn es nur ein Traum war. Wenn es echt war, was sollte er tun? Er war so verwirrt. Seine Gedanken schienen nicht richtig auseinander gehen zu wollen und er konnte nicht klar denken.
Um sich abzulenken kniete er sich neben der nun kaputten Lampe. Die konnte er jetzt wegschmeißen. Eigentlich würde er sie einfach liegen lassen, aber Harry würde sie sonst sehen und denken es würde ihm schlechter gehen. Dies wollte er einfach vor ihm geheim halten, egal ob es nur ein Traum war oder nicht. Also würde er so tun als wäre alles okay. Er würde die Zeit mit Harry genießen, solange wie es ging. Er nahm den größten Teil der Lampe und brachte sie in den Müll, bevor er sich den Kehrblech nahm und die Glassplitter aufkehrte. Als er auch dieses zum Müll brachte, sah er das Frühstück was Harry sich gemacht hatte. Er hatte es kaum angerührt. Carlos fragte sich ob er der Grund dafür war. Wenn ja, sollte er sich wirklich zusammen nehmen und ein Lächeln aufsetzen.
Er hatte gerade das Kehrblech wieder zurück gestellt, als sich die Haustür öffnete. Harry kam herein mit einer kleinen Tüte. „Oh!" Er sah ihn erstaunt an. „Alles okay?" Carlos nickte und atmete tief durch, um dann zu Lächeln. „Ich hatte Hunger." Es war eine Lüge, denn er hatte seit Wochen keinen wirklichen Hunger mehr gehabt. Er hatte zwar immer gegessen was Harry ihm hier gebracht hatte, aber wirklichen Hunger hatte er nicht verspürt. Er hatte nur gewusst das es ihn glücklich machte wenn er aß. Also wollte er diesen Fakt nutzen. Denn dies war nun sein Ziel. Er würde mit allem was er konnte das zurückzugeben was Harry ihm gegeben hatte. Auch wenn es nur diese wundervollen Träume waren. Er war für diese kurzen Pausen sehr dankbar, genauso für das ehrliche Grinsen im Gesicht des Piraten.
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Something between us
FanficAlle bis auf Carlos waren weg. Jay mit Gil auf einer Weltreise. Mal mit ihrer bevorstehenden Hochzeit, am Ende des Sommers und dem Königin da sein beschäftigt. Evie dabei mit Dough und seiner Familie Zeit zu verbringen. Da war nur noch er. Und nicht...