»Keeva«

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Ich saß in dem gelben Cabrio von Padraig, schaute wehmütig den vorbeiziehenden Villen hinterher und spürte nicht nur den Fahrtwind durch meine Haare wehen, sondern auch erneute Tränen, die mir langsam über meine Wangen liefen.

Wahrscheinlich könnte ich nie wieder aufhören zu weinen, so fühlte es sich zumindest an...

"Wieso bist du nicht bei ihm geblieben?", fragte Padraig in die Stille und warf mir immer wieder mitfühlende Blicke herüber, während ich flüchtig seine Aufmachung musterte, was aber nichts neues zeigte. Wie immer trug er eines seiner weißen Tanktops, seine vielen Ketten und Ringe und eine dunkle Jeans dazu.

"Du weißt genau wieso", gab ich ihm zurück und war verwundert, wieso er überhaupt so eine dämliche Frage stellte.

"Scheiß doch drauf", meinte er plötzlich und legte mir eine Hand auf meine. "Wenn du ihn wirklich liebst, dann erklär es Theo einfach."

"Bist du jetzt scheiß Psychologe geworden?", wurde ich langsam sauer darüber, dass jeder meinte, es wäre so leicht meinen Vater zu meinem Bleiben hier umstimmen zu können. Dabei müsste gerade Padraig wissen, dass es schier unmöglich war.

"Dein großes Mundwerk hast du anscheinend immer noch", gab er nur mit hochgezogener Augenbraue von sich und nahm seine Hand wieder von meiner, um sich weiterhin aufs Fahren zu konzentrieren.

Am liebsten wäre ich aus dem fahrenden Auto gesprungen und zurück gerannt, wie man es in den Filmen immer sah. Rian würde mir entgegen gerannt kommen und ich würde ihm glücklich in seine Arme springen. Aber das hier war leider kein Film.

Nach mehreren Stunden kamen wir dann Zuhause an, wobei es für mich nicht mehr mein Zuhause war. Ich fühlte mich alleine schon beim ersten Schritt aus dem Wagen unwohl und ließ meinen Blick traurig über den großen Platz schweifen, auf dem unsere vielen Wohnwagen geparkt standen.

"Meine Kleine", hörte ich dann sofort die Stimme meines Vaters, der auf direktem Wege auf mich zukam und mich in eine feste Umarmung zog.

Und wieder musste ich heulen...

"Das mit Mama tut mir so leid", schluchzte ich, doch er schüttelte nur den Kopf und sah mich mitleidig an.

"Sie ist  eingeschlafen. Ohne Schmerzen, ohne Tränen. Ganz ruhig und friedlich", erklärte er und musterte mich anschließend. "Du hast ja ganz schön abgenommen. Hat der arrogante Schnösel etwa kein Geld für essen?!"

Mein verheulter Blick fiel zu Padraig, der aber seine Schultern nur hochzog, ganz nach dem Motto »selbst schuld«.

"Mir geht's gut, Papa", gab ich meinem Vater  zurück und er legte seinen Arm um meine Tailie, um mich zu unserem Wohnwagen zu führen.

"Komm erstmal an. Alles andere kann warten."

3 Monate später

Schreiend schreckte ich aus dem Schlaf hoch und fasste mir an mein rasendes Herz, während meine Augen blinzend die düstere Umgebung musterten.

Nach und nach erkannte ich in der Dunklelheit dann unseren Wohnwagen und schnappte mir schnell mein Handy von dem kleinen Nachttisch, um die Nummer zu wählen, die ich beinahe jede Nacht wählte, wenn ich von Alpträumen geplagt aufwachte.

Es war Rians Nummer, doch wir redeten nicht. Ich rief an, er ging dran und dann legte ich das Handy neben mich, lauschte dabei seiner Atmung über Lautsprecher und fand so wieder den Weg zurück ins Land der Träume...

Wieso ich nichts sprach? Weil ich nicht im geringsten hätte ausdrucken können, wie schlecht es mir ohne ihn ging...

Diese drei Monate waren die reinste Hölle. Wo man eigentlich hätte vermuten können, dass es irgendwann wieder Berg auf gegangen wäre, fühlte ich mich so, als würde ich immer weiter fallen. Ein Fegefeuer, dass aus jedem erneuten Tag die reinste Qual machte.

Rian - Bis dass der Hass uns scheidet Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt