<<Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehen!>> (Faust 1, Vers 1699)
Ich war sehr froh darüber, dass Alice sich dazu bereiterklärt hatte, mich zu treffen. Sie hatte sogar von sich aus ein italienisches Restaurant vorgeschlagen, das ich noch nicht kannte, aber ihren Aussagen nach, sehr gut sein sollte und sich außerdem in ruhiger, idyllischer Lage befand. Ich war zugegebenermaßen ein bisschen nervös, sie jetzt nach unserem lächerlichen Streit wiederzusehen. Klar, wir hatten telefoniert und geschrieben, aber dennoch war es etwas ganz anderes, jemanden persönlich zu treffen. Für unser Date hatte ich mich für ein bordeauxfarbenes Kleid entschieden, darüber trug ich einen langen schwarzen Mantel, da es, obwohl es schon Anfang März war, immer noch klirrend kalt war.
Lille sah einfach umwerfend aus, wie immer eigentlich. Sie trug eine elegante dunkelgrüne Bluse mit einer schwarzen Anzugshose. Wir begrüßten uns vor dem Eingang des Restaurants und als wir drinnen Platz genommen hatten verbrachten wir die ersten fünf Minuten damit, uns unendlich oft zu entschuldigen, bis wir nur noch darüber lachen konnten, was mich all meine Sorgen und Zweifel vergessen ließ. Sie strich über meinen Handrücken und winkte dann den Kellner zu unserem Tisch. „Alkohol bitte!"
Dieser schmunzelte und erwiderte: „Was möchten Sie denn? Weißwein, Rotwein, Bier...? Möchten Sie einen Blick in die Karte werfen?" „Eine Flasche Château de la Négly, bitte!" Sie registrierte meinen überraschten Blick und meinte nur: „Ich habe ein bisschen recherchiert."
(Anmerkung: Sahra hat in einem Interview mal gesagt, dass das einer ihrer Lieblingsweine ist.)Es war wundervoll, mit ihr ein Gespräch, ganz ohne über politische Themen zu reden, zu führen. Wenn sie über Dinge sprach, die sie liebte, glänzten ihre Augen voller Leidenschaft und Begeisterung, wie ich es noch nie bei irgendjemandem gesehen hatte. Sie erzählte mir von ihren Kindern, die immer abwechselnd eine Woche bei Sarah und bei ihr wohnten. Sie schwärmte vom Wandern und von endlosen Radtouren, die sie im Sommer gerne unternahm. Sie berichtete mir von Harsewinkel, wo sie aufgewachsen war, von der Zeit, als sie in China gelebt und gearbeitet hatte und von ihren Eltern und Geschwistern.
Auch ich erzählte ihr so ziemlich meine ganze Lebensgeschichte: von meiner Kindheit und Jugend in Jena und Berlin, von meinen Großeltern, meiner Mutter und meinen Vater, an den ich nur wenige Erinnerungen hatte, von meiner Liebe zu Goethe, Hegel beziehungsweise Literatur im Allgemeinen und zum Fahrradfahren und der französischen Küche. Die Stunden vergingen wie im Flug und schon war es kurz vor Mitternacht. Es war lange her, dass ich ein so erfüllendes und interessantes Gespräch mit jemandem geführt hatte, und Alices Begeisterung signalisierte mir, dass es ihr ähnlich ging.
Während wir sprachen, aßen und lachten, realisierte ich, wie sehr sie mir die letzten Tage gefehlt hatte und wie schön es war, Zeit mit ihr zu verbringen.
Nachdem wir bezahlt hatten, machten wir uns auf den Weg zu Lilles Haus. Da es sich am Stadtrand von Berlin befand, hatten wir eine längere Autofahrt vor uns, als wenn wir zu mir fahren würden, doch das machte uns natürlich nichts aus. Je länger wir zusammen waren, desto schöner und lustiger wurde es.
Die Autofahrt fühlte sich für uns beide wie ein Flashback zur Nacht nach Anne Will an, mit dem Unterschied, dass wir uns nun viel besser kannten, eine viel tiefere Verbindung zwischen uns vorhanden war und wir viel mehr voneinander wollten.
„Lille, du wirst mich vielleicht für völlig verrückt halten, aber ich habe fast alle Lieder von Alcazar gehört, um dich zu beeindrucken", gestand ich ihr mit den Augen immer noch voller Lachtränen aufgrund eines Witzes, den sie davor gemacht hatte. „Das ist ja unglaublich! Aber wirklich süß!" Alice wirkte sichtlich gerührt. „Ich kenne aber tatsächlich gar keine anderen Songs von Alcazar außer „Crying at the Discotheque"" „Das kann nicht dein Ernst sein!", lachte ich, „und ich habe mir so einen Stress gemacht, die Texte halbwegs auswendig zu können. Also mir gefallen „Inhibitions", „Stay the Night", „Harlem Nights" und „Last Days of Disco" ziemlich gut, muss ich sagen."
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nur wir zwei // weidelknecht
FanficNoch so eine Weidelknecht-Fanfiction, natürlich alles frei erfunden (aus Sahras Sicht) Ein kleiner Einblick in die Story: Wie konnte etwas, das so gut war, gleichzeitig so falsch sein? Aber genau das war es ja, was der ganzen Sache das gewisse Etwas...