Kidnapping [11]

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"Das hier erhielt ich über eine verschlüsselte Leitung", erklärte Namjoon und legte ein Klapphandy in die Mitte des Konferenztisches. Sie alle beugten sich über das prähistorische Artefakt, worüber sich Changbin im Inneren nur amüsieren konnte. Mittlerweile gab es kaum noch Leute, die so etwas benutzen. Selbst seine Großmutter besaß ein technisch weiterentwickeltes Handy, dessen Standard weit über dem hier hinausragte. Doch wenn sein Chef auf ein solches Gerät schwörte, dann würde er sich nicht beklagen. Die pinke Farbe passte überhaupt nicht zu dem kühlen, kalkulierenden Auftreten des Älteren. In gewisser Weise erinnerte es ihn an die Kochschürze seiner Mutter.
Der Meermann blickte einmal in die Runde, um anschließend auf die Abspielen-Taste zu drücken. Changbin schloss die Augen und konzentrierte sich nur auf sein Gehör. Zu erst vernahm man nur Rauschen. Es klang wie das Meer und für eine Sekunde wünschte sich der Fae, er wäre dort. Dann schoss ein grauenerregender Schrei durch den Saal. Der Schwarzhaarige schreckte innerlich zusammen. Das Geräusch dröhnte wie eine Sirene durch ihn hindurch. Es tönte unmenschlich, nicht von dieser Welt, als würde jemand etwas entrissen werden.
"Bitte! Bitte nicht mein Kind! Bitte....", das Flehen einer lieblichen, tiefen Frauenstimme hallte durch den Konferenzraum. Changbins Ohren zuckten für einen Moment, nachdem er ein Geräusch vernommen hatte, welches er nicht greifen konnte. Was war das?
Sein Blick schweifte zu Chan, eine Macke, die er schon seit ihrem Arbeitsbeginn hatte. Für ihn versprühte der Dämon eine gewisse Sicherheit, Souveränität, sodass er sich besser fühlte. Jedoch sah der Blonde nicht zu ihm, sondern konzentrierte sich auf die Aufnahme. Changbin speicherte sich diese Ungereimtheit ab und horchte wieder zu.
"Ich tue alles für dich! Nur nicht meinen Sohn! Bitte!"
Kurzzeitig wurde das Rauschen lauter. Ein Schuss fiel, das Fallen eines Körper auf den Boden war zu vernehmen. Das Kreischen des Kindes. Und da! Der Schwarzhaarige bemerkte das Geräusch erneut.
Es war leise, weiter hinten im Raum. Aber es war da. Die Aufnahme endete. Die Stille im Raum war greifbar. Niemand sagte etwas. Die Frage, welche sich alle stellten:
War das Kind noch am Leben?
Namjoons tiefe Stimme zerschnitt die Lautlosigkeit wie ein Messer.
"Gestern Abend erreichte ein Notruf um dreiundzwanzig Uhr siebenundvierzig die Stelle am West-End des District Nines."
Changbins Kopf ruckte automatisch in die Richtung von Jeongin. Der Drache wurde hellhörig und straffte die Schultern.
"Im Anwesen von Lim Yoona wurde ein Einbruch mit anschließender Entführung gemeldet."
Die Schauspielerin war jedem im Raum bekannt, vor allem Jeongin, denn die Frau war ebenso ein Teil seiner Spezies wie Mitglied in seinem Bezirk.
Um den District Nine zu verstehen, musste man von oben auf ihn herabschauen. Jedes Lebewesen, jede Gattung, besaß einen eignen Stadtteil. Manch einer munkelte ihre Heimat sähe aus, wie ein Blütenblatt. In der Mitte wurde vor Jahrhunderten eine Neutralezone errichtet. Dort waren die Sirenen und Meerjungfrauen beheimatet, da sie beidseits mit dem Mond und der Sonne agierten.
Licht und Dunkelheit an einem Ort.
In dieser Zone lebten natürlich auch derer, die ihre Heimat verloren, entweder in dem sie verbannt oder ausgesetzt wurden oder sie gingen freiwillig, wie in Minhos Fall, um dort Zuflucht zu suchen. Von diesem sogenannten 'Herzen' des District Nines verstreuten sich die anderen Arten in alle Himmelsrichtungen. Im kühleren Norden hausten die Vampire, deren Bezirk beinahe wie eine uneinnehmbare Festung im eisigen Ödland wirkte. Letztendlich kümmerten sich diese Wesen meistens nur um sich und ihre Zirkel. Manchmal dachte Changbin, sie würden die Einsamkeit dem Leben in ihrer vielfältigen Gesellschaft vorziehen. Im Süden dagegen weilten die Wölfe, dessen gigantisches Gebiet einem Urwald glich, dass man sich niemals darin verlaufen sollte. Dort herrschten warme, beinahe sommerliche, Temperaturen das ganze Jahr über. Niemand weiß, warum, jedoch hatte der Fae den Verdacht, dass einer der höher gestellten Wölfe die Macht, dass Wetter zu kontrollieren, besaß. Chans Heimat befand sich im Osten, auch wenn er dort nicht mehr Zuhause war. Vor ewig langer Zeit, den Grund wusste der Detective bis heute nicht, zog es ihn in das Viertel der Seraphim. Nichtsdestotrotz verkörperte sein ehemaliger Stadtteil, dass, was man im Mittelalter auch als Knotenpunkt des Handels kannte. Viele der Waren aus anderen Ländern wurden von dort in die jeweiligen Gebiete transportiert. Ein eher weniger angenehmer Punkt war der Schwarzmarkt, dessen florierendes Geschäft stetig an Größe zunahm. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sich Namjoons Elite darum kümmern würde.
Und das würde hässlich enden, säuselte die Stimme in seinem Kopf.
Sein eigenes Viertel befand sich zwischen dem der Dämonen und der Sirenen. Bis heute fragte sich der Detective, was der Sinn hinter dem Stadtteil war. Hauptsächlich bestand seine Heimat nur aus Parks, Seen, und jedweden Formen der Entspannung.
Vielleicht diente es zum ökologischen und wirtschaftlichen Ausgleich. Doch Changbin hatte nicht das Gefühl. Für ihn zerrte diese Ungleichheit an seiner Seele. Er sah tagein, tagaus den Tod und das Grauen, die Hölle und das größtmögliche Arsenal an Verdorbenheit, dass der gigantische Kontrast zu seinem alltäglichen Leben kaum zu händeln war. Er seufzte leise und nahm das Rascheln der Flügel von Seungmin neben sich wahr. Seine Art gedieh inmitten der neutralen Zone und dem Viertel der Drachen. Die Serahpim lebten ihren Hang zur Wissenschaft und der Entwicklung vollkommen aus. Überall herrschte stets und ständig Betriebsamkeit, es war keinem zur Ruhe vergönnt. Man verlangte von jenen ausschließlich Ergebnisse. Changbin verstand, dass es den Jüngeren von dort weggelockt hatte. Trotzdem merkte der Schwarzhaarige, dass der Braunhaarige oft den Blick gen Westen richtete.
Sehnsüchtig, beinahe wehmütig.
Für einen kurzen Moment streiften seine Augen, die von Jeongin.
Um auf die ebenfalls schwarz geflügelten Wesen zu treffen, musste man sich noch weiter Richtung Westen wenden. Dieses Volk lebte den Stil des Saus und Braus und war ein reines Businessviertel. Jegliche Wolkenkratzer reihten sich aneinander, kuschelten, und schrieen ihren Reichtum in die Welt hinaus. Changbin wusste, dass Jeongin aus einer wohlhabenden Familie stammte, war dennoch überrascht, dass seine Eltern ihn einen solchen Job machen ließen und nicht wollten, dass er Anwalt wurde.
Und von dort stammte Lim Yoona. Schauspielerin und Sängerin, welche vor kurzem ein Kind zur Welt gebracht hatte. Jenes Kind, dass in der Aufnahme weinte.
"Ein Beamter war zu ihrem Haus entsandt wurden und stellte den Tod der Frau fest. Vom Kind und Ehemann fehlt jede Spur."
Die unausgesprochene Aufforderung hing schwer in der Luft. Yoona war nicht zu retten, aber das Kind.
Und das hatte höchste Priorität.
"Die Frage ist ja", meldete sich Jeongin zu Wort.
"Warum Sie töten? Lebendiger und als Geisel wäre sie wesentlich nützlicher."
Namjoon nickte, jedoch war es Felix, der sich dazu äußerte.
"Vielleicht war es eine Tat im Affekt, Hass oder Liebe sei dahingestellt. Man hatte wohlmöglich keinen Nutzen für sie."
Die Art, wie der Blonde diese Worte formulierten, ließen Changbin erzittern.
Sie klangen kalt.
"Oder das Kind ist wesentlich mehr Wert als die Mutter", klinkte sich Hyunjin mit ein und verkündete eine Wahrheit, die dem Detective schon seit der Aufnahme im Kopf herumgeisterte. Seungmin stupste ihn an.
Er bemerkte, dass alle von seinem Team, Felix eingeschlossen, ihn anstarrten.
Sie warteten auf seine Aufgabenverteilung. Für einen Augenblick zog sich der Fae in seinen Geist zurück. Er brauchte diese Sekunden, um das Durcheinander vor sich zu entwirren. Er hatte eine weibliche Tote, deren Mörder scheinbar in Übersee angefangen hat zu töten, ein Bombenattentat, wo sie einen Sündenbock, aber keinen Täter hatten und noch eine Kindesentführung bei einer hochrangigen Person, welche in ihrer Gesellschaft eine große Rolle spielte.
Changbin atmete schwer aus.
"Jeongin wird mit Jisung und Minho im Anschluss zu der Toten fahren. Seungmin wird sich mit der Aufnahme auseinandersetzen. Hyunjin und Chan kümmern sich um die Spur mit dem Einmalpasswort von Matthew, während Felix und ich dem Schlächter nachjagen."
Er blickte in die grimmig-drein blickenden Gesichter seines Teams.
Die Jagd ist eröffnet.
"Und jetzt spiel die Aufnahme nochmal ab."

Children Songs {ChangLix}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt