Paul

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Pauls Sicht:

Das neue Semester hat heute angefangen und ich suche nach meinem besten Freund und Gympartner - Maximilian. Er ist seit des ersten Studientages mein Kumpel gewesen.Wir haben uns bei den Erkundungstagen vor dem Beginn des ersten Semesters zufällig kennengelernt, da wir in der gleichen Gruppe waren. Ich sehe ihn vor dem Eingang des Hauptgebäudes stehen und gehe auf ihn zu. Als er mich bemerkt, fängt er an schelmisch zu grinsen und kommt mir entgegen. Wir begrüßen uns mit unserem Handschlag und mit einer Schulterklopfumarmung.
"Wie waren deine Ferien?", fragt Maxi mich.
"Ganz gut"
"Hast natürlich nichts anbrennen lassen, oder?" Er fügt seiner Anmerkung noch ein Augenzwinkern hinzu.
"Natürlich nicht", versuche ich ganz ehrlich hinzuzufügen, aber schon kurze Zeit später brechen wir in schallendes Gelächter aus.
Doch ich stocke, halte den Atem an und verfolge eine Bewegung hinter Maxi. Er dreht sich um, um zu gucken, was meine Aufmerksamkeit auf sich zieht und dreht sich mit einem leichten Kopf schütteln um.
"Alter, wie lange willst du sie noch nur noch anstarren und aus der Ferne stalken? Wozu hast du einen Mund, den du sonst doch auch nie halten kannst. Wo ist dein Problem? Sprich sie an!", meint er mit einem Hauch Gleichgültigkeit in der Stimme.
"Du hast leicht reden! Sie kennt wahrscheinlich gar nicht meinen Namen!"
"Kennst du denn ihren Namen?", fordert er mich heraus.
"Na klar, sie ist Clara! Sie bestellt sich im Cafe immer einen Heidelbeermuffin und einen Kakao mit Zimt und extra Zucker!"
Maxi schaut mich fassungslos und kopfschüttelnd mit offenem Mund an und bricht in schallendes Gelächter aus.
Ich sehe ihn nur Verständnislos an.
"Du bist echt krank, du Stalker!" Ich haue ihm gegen die Schulter und versuche mich kläglich zu rechtfertigen:
"Ich arbeite nunmal in dem Cafe am Campus und bekomme daher natürlich mit, was sie sich bestellt!"
Mein bester Freund hebt nur beschwichtigend die Hände und versucht sich ein Lachen zu verkneifen.
"Idiot", murmele ich.
Er klopft mir auf die Schulter und drückt mich Richtung Eingang des Hauptgebäudes, in dem mein erster Kurs heute stattfinden wird. Wie der Zufall es will, ist es Mathematik! Um Mathe komme ich Wohl oder Übel nicht drumherum. Das habe ich davon, dass ich Architekt werden will. Der Kurs ist eigentlich ganz in Ordnung lediglich ein bisschen trocken und langweilig. Aber dieses Semester stehen Gruppenarbeiten an. Darauf freue ich mich schon.
Während wir in die Richtung des Eingangs laufen, laufen wir an Clara und einem blonden Mädchen, das mir sonst nicht aufgefallen wäre, wenn sie nicht bei ihr stehen würde, vorbei. Clara trägt ihre langen braunen Haare offen. Durch zwei ihrer vorderen Haarsträhnen, die sie am Hinterkopf befestigt hat, sieht es so aus, als ob ein Kranz ihren Kopf umgeben würde. Nur sie schafft es, dass eine sonst so einfach und schnelle Frisur umwerfend aussieht.
Maxi und ich verabschieden uns vor dem Gebäude, da er für seine Vorlesung in ein anderes Gebäude muss.
Als ich mich umdrehen, merke ich, dass Clara nicht mehr vor dem Gebäude steht. Ich gehe in das Gebäude rein und betrete den Vorlesungssaal. Dort setze ich mich möglichst mittig hin, um nicht zu weit vorne und auch nicht zu weit hinten zu sitzen. Als ich mich setze, fällt mein Blick auf braune lange Haare, die einen Kopf wie einen Kranz umgeben. Ihren Kopf. Claras Kopf. Seit wann ist sie in diesem Kurs? Wie soll ich mich jetzt noch konzentrieren können? Ich starre sie an. Sie sitzt alleine fünf Reihen vor mir. Die Plätze neben ihr sind beide frei. Sie holt ihr Ipad raus und ihre Bücher.
Als ich eine Bewegung am Podest vernehme, reiße ich meinen Blick von Clara los und versuche dem Geschehen zu folgen. Der Dozent ist nun da und fängt ziemlich zügig mit dem Unterricht an.

Sie sitzt an dem Tisch am Fenster. Wie immer. Seit ich an der Uni bin, sitzt sie auf dem gleichen Platz. Und ich bin jetzt schon zwei Jahre an der Uni. Zwei Jahre beobachte ich dieses wunderschöne und schlaue Mädchen schon. Jetzt wird mir erst richtig bewusst, dass Maxi mit seiner Bemerkung heute Morgen recht hatte: Ich beobachte Clara wie so ein kranker Stalker. Und da ich sie immer beobachte, weiß ich natürlich auch ihre Bestellung auswendig und ihre Angewohnheiten:
Sie kommt fast jeden Tag nach ihren Kursen in das kleine Cafè am Campus, in dem ich seit meines ersten Semesters arbeite, und bestellt sich Kakao mit Zimt und einen Heidelbeermuffin. Aber Kakao mit Zimt ist ihr wohl noch nicht süß genug, denn sie nimmt sich immer noch eine extra Tüte Zucker dazu.
Meistens kommt sie noch mit einer Freundin her, doch sie überstrahlt ihre Freundin vollkommen mit ihrem ansteckenden und glücklichen Lachen. Ich habe sie noch nie traurig erlebt und gesehen.
Nur verzweifelt heute. In unserem gemeinsamen Mathekurs. Sie hat immer die Augen zusammengekniffen und ihre Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst,wenn sie konzentriert war und versuchte unserem Mathedozenten zu folgen.
Doch anstatt sie anzusprechen, beobachte ich sie aus der Ferne. Wie ein Stalker, höre ich Maxis Stimme in meinem Kopf flüstern. Daran muss ich etwas ändern. Dieses Jahr muss sich was ändern. Es wird sich was ändern:
Ich möchte dieses Mädchen endlich kennenlernen. Ich will mit ihr reden und sie vom nahen betrachten und nicht vom weiten wie so ein kranker creepy Opa.

Erkämpfte Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt