An den nächsten Tag kann ich mich nur noch verschwommen erinnern. In meinen Erinnerungen liegt über dem gesamten Tag ein Schleier. Doch ich bin mir sicher, dass es nicht nur daran liegt, dass ich stündlich mein Lebenselixier getrunken hatte, sondern auch an den Ereignissen ansich. Später erfuhr ich, dass auch andere Schülerinnen und Schüler derlei Erinnerungsverluste an diesen Tag zu beklagen haben.
Der vierundzwanzigste Juni begann mit einem sehr anstrengenden und lauten Frühstück. In meinen Erinnerungen befinden sich Fetzen von Situationen, in denen Schüler nah an unserem Tisch vorbei gingen und Harry Glück wünschten. Ich weiß noch, dass ich während des Frühstücks mehr abwesend als anwesend war.
"Hey, Potter! Potter! Wie geht's deinem Kopf? Noch alle Tassen im Schrank? Oder gehst du gleich auf uns los wie ein Berserker?" schrie Draco vom Tisch der Slytherins Harry zu und streckte dabei einen Tagespropheten in die Höhe. Meine drei neugierigen Gryffindor-Freunde waren sofort Feuer und Flamme und Harry begann sogleich einen Artikel von Rita Kimmkorn aus dem Tagespropheten vorzulesen.
Im Allgemeinen ging es in dem Artikel darum, dass Harry angeblich psychisch so instabil sei, dass er nicht beim Trimagischen Turnier mitmachen sollte, und darum, dass Draco Kimmkorn verraten hatte, dass Harry Parselmund war. Harry soll es gewesen sein, der in der zweiten Klasse die Schüler angegriffen hatte. "Aber es wurde alles vertuscht", habe Draco zu Kimmkorn gesagt gehabt.
Die Prüfung in Geschichte fiel für mich ziemlich schlecht aus, aber nachdem ich an meinem Lebenselixier genippt hatte, war auch dieses negative Erlebnis vergessen. Den restlichen Vormittag verbrachte ich in meinen Gedanken versunken und trabte hinter Ron und Hermine her zu den Unterrichtsstunden.
Beim Mittagessen trafen wir auf Rons Mutter und seinen Bruder Bill, die als Ersatz für Harrys Familie gekommen waren, um ihn bei der dritten Aufgabe seelisch zu unterstützen. Ich wurde sofort über die aktuellsten Neuigkeiten meiner Mutter unterrichtet. Mit vor Begeisterung glänzenden Augen schilderte mir Molly, dass Arthur ihr erzählt hatte, dass meine Stiefmutter im letzten Monat drei Todesser geschnappt hatte. "Das ist ein neuer Rekord", meinte Molly strahlend, "du musst wirklich stolz auf Emmeline sein", sagte sie zu mir und verwuschelte meine Haare. Ich kniff meine Lippen zusammen und ignorierte das folgende Gespräch zwischen den anderen.
An den Nachmittag kann ich mich gar nicht mehr erinnern.
Beim Abendessen, kurz bevor Harry und die anderen Champions hinunter zum Stadion gehen mussten, umarmte ich Harry lang und sagte ihm: "Du schaffst das, ich bin mir sicher." Harry strahlte mich an und als er einige Minuten später vor dem Labyrinth einen Blick zu uns hinauf auf die Tribüne warf, hatte ich das Gefühl, sein Lächeln wäre nur für mich. Als die Trillerpfeife von Bagman den Beginn der dritten Aufgabe einläutete und Harry und Cedric als die zwei Führenden zuerst ins Labyrinth durften, überkam mich ein unheimliches Gefühl. Ich spürte, dass etwas in der Luft lag.
Es wurde sehr bald sehr dämmrig. Die dritte Aufgabe war wie auch die zweite sehr langweilig für alle Zuschauerinnen und Zuschauer. Ich begnügte mich damit, in meinen Notizblock zu zeichnen. Später begann Bill mit mir über meine Zukunft zu sprechen, und noch später fragte er mich, ob ich ihn zeichnen könnte. Ich tat ihm den Gefallen und nachdem Bill begeistert auch den anderen mein Kunstwerk gezeigt hatte, baten mich auch Molly und danach zwei Mädchen neben uns, ein Porträt von ihnen anzufertigen. Da mich das Zeichnen sehr entspannte, tat ich ihnen den Gefallen.
Die ganze Prozedur dauerte so lang, dass ich bald die Wirkung meines Lebenselixiers nicht mehr spürte. Darum gab ich Hermine kurz bescheid, dass ich auf die Toilette gehen wollte und nahm eben dort meinen Trank zu mir.
Gerade als ich meine Hände wusch, durchfuhr mich ein brennender Schmerz, der meine Eingeweide aus mir herauszupressen schien. Nach Luft ringend, fiel ich nach vorne. Meine Hände klammerten sich an das Waschbecken, mein Körper zitterte. Mein Kopf dröhnte. Ich sah mein eigenes Gesicht im Spiegel über dem Waschbecken. Ich starrte mit vor Schreck geschockten Augen zurück. Mein Gesicht verschwamm und ich hörte eine hohe, kalte Stimme in meinem eigenen Kopf widerhallen: "Töte den Überflüssigen."
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Die Tochter des dunklen Lords (Harry Potter Fanfiction)
FanfictionGrausam. Kalt. Herzlos. So würden die meisten Hexen und Zauberer den Mann beschreiben, der diskriminiert, tyrannisiert, foltert und mordet. So aber nicht seine Tochter. Der dunkle Lord hatte nämlich vier Jahre lang Zeit, seiner Tochter seine Ansicht...