Kapitel 25

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FRANK

"Du musst nicht davonlaufen", versuchte er sie zu beruhigen, doch Alba schaltete auf Durchzug und begann sich anzuziehen.

Frank beobachtete sie eine Weile, bis Alba die hübsche, dunkelgrüne Bluse wieder übergezogen hatte und an den Knöpfen nestelte. Dann griff er vorsichtig nach ihrem Arm und probierte es erneut: "Ich kann dir helfen."

Ohne innezuhalten fuhr Alba damit fort, die einzelnen Knöpfe in die vorgesehenen Löcher zu schieben, und begann anschließend, sich die Haare zu einem lockeren Dutt zusammen zu binden. Frank kniff die Augen zusammen, das überstieg seine Geduld. Soziale Interaktionen waren lange Zeit kein Teil seines Lebens, er fühlte sich ziemlich aus der Übung und wusste sich nicht recht zu helfen.

"Alba!", sagte er schließlich etwas lauter und in einem eindringlichen Tonfall. Das hatte Wirkung. Augenblicklich stoppte sie und sah ihn an. Fast tat es ihm Leid, sie beim richtigen Namen angesprochen zu haben, denn der Ausdruck auf ihrem Gesicht glich dem eines Rehs im Scheinwerferlicht.

"Wa-was?", stotterte sie.

Frank atmete tief durch, denn er wollte auf keinen Fall weiter die Stimme erheben und sie noch mehr verschrecken, dann sprach er wieder leiser: "Keine Ahnung, was du vor hast, aber du wirkst ziemlich verloren."

Irgendetwas kippte, das erkannte er sofort. Es war, als würde sich ein Schalter in Alba umlegen. "Und du meinst, da bietest du mir mal eben deine Hilfe an? Du weißt nichts über mich, weder wer ich bin ... noch was ich vorhabe, noch ... irgendwas!", erwiderte sie bissig.

"Dann ändere das", er rückte näher zu ihr.  Das bis vor wenigen Augenblicken noch so mädchenhafte Gesicht wich der traurigen Frau, die sie anscheinend schon seit einer ganzen Weile war. Sie so zu sehen war für Frank schlimmer als der härteste Schlag ins Gesicht.

Sie saß auf der Bettkante, halb angezogen, halb nackt, und die Welt wog so schwer auf ihren Schultern, dass diese nach vorne klappten. Albas Kinn begann leicht zu beben. Als sie antwortete, war ihre Stimme überraschend gefasst, aber voller Resignation: "Du hast meine Nadel im Heuhaufen gefunden und ihr eine Kugel in den Kopf gejagt, du kannst mir nicht helfen, niemand kann das jetzt mehr!"

Na das ist doch zumindest ein Anfang, dachte Frank und bemühte sich, rasch anzuknüpfen, bevor Alba wieder dichtmachen würde. "Redest du von dem Drecksack aus dem Rattenloch?"

Sie nickte kaum merklich. "Vargas."

Frank konnte nicht begreifen, wie solcher Abschaum, für irgendwen eine Bedeutung hatte. Er erledigte diese Typen nicht grundlos, sondern in dem Wissen, in was für widerliche Machenschaften sie verwickelt waren. Solche Kerle verdienten es, auf direktem Weg in die Hölle befördert zu werden. "Warum er?"

"Er sollte mir einen Namen liefern." Alba seufzte. "Das war meine einzige Chance, weiter zu kommen." Jedes Wort schien ihr schwer zu fallen, als verbrenne sie sich daran die Zunge.

Es war mühsam, ihr jedes Detail aus der Nase zu ziehen, und Frank bekam langsam einen schweren Kopf. Dass sie sich zuvor spontan im Bett verausgabt hatten, zollte seinen Tribut. "Ich kenne da jemanden, für den Informationsbeschaffung kein Problem darstellt. Wenn du mir nur ein bisschen mehr geben würdest", setzte er an.

Doch Alba unterbrach ihn und konterte trocken: "Du meinst, denjenigen, der für dich nach meinem Namen recherchiert hat?" Touché! Der Punkt ging an sie.

"Anfangs war es nur ein komisches Gefühl, aber offensichtlich stimmt ja tatsächlich etwas nicht", rechtfertigte er sich und versuchte erneut Blickkontakt herzustellen.

Ihre Augen weiteten sich, doch die gelben Sprenkel schienen plötzlich erloschen zu sein. "Vielleicht sind wir uns deshalb begegnet ... weil mit beiden von uns etwas nicht stimmt", murmelte sie und zog die Schultern leicht nach oben.

Ja, vielleicht. Vielleicht bist du aber auch die wunderschönste, verkorkste Frau, der ich je begegnet bin und die mich leider kein bisschen kalt lässt, dachte Frank. "Das kannst du besser einschätzen. Ich bin mir sicher, du hast dir mittlerweile eine Meinung über mich gebildet", antwortete er schließlich, ohne seine weiteren Gedanken preis zu geben.

"Kann man sich denn auf die öffentliche Meinung verlassen?", fragte sie rhetorisch. "Ich denke nämlich nicht. Denn ich kann verstehen, warum du das alles getan hast. Das System ist kaputt und du wurdest fallen gelassen."

Alba sah ihn eindringlich an, was sich anfühlte, als würde sie ihm tief in die Seele schauen. Nicht einmal David konnte seinen Schmerz derart nachempfinden, dass er Franks Taten guthieß. David hatte all das stets nur toleriert, doch Alba wirkte um ein großes Maß verständnisvoller. Scheiße, was wenn ... ?

Als ihm der Gedanke schoss, wollte Frank ihn erst gar nicht aussprechen. Ihr musste etwas ähnlich Schlimmes angetan worden sein, wie ihm. "Das System hat dich fallen gelassen ...  Alba, was ist passiert?"



soulache | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt