Kapitel 32

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FRANK

Gott, wie er da so verloren vor ihrem Haus stand, konnte er sich lebhaft vorstellen, wie Alba sich gefühlt haben musste, als sie drei Tage zuvor einfach bei ihm aufkreuzte. Es war ja nicht so, dass sie sich verabredet hätten. Frank hatte einfach nur das Bedürfnis, nach ihr zu sehen. Doch er saß noch genau so steif hinter dem Lenkrad seines SUV, wie vor zwei Minuten, als er ihn auf der gegenüberliegenden Seite ihres Hauses geparkt hatte.

"Ach verdammt", murmelte er leise vor sich hin, zog den Schlüssel aus dem Zündschloss und stieg aus dem Wagen.

Damit er in diesem nobleren Stadtteil nicht zu sehr aus der Reihe tanzte, hatte Frank sich extra etwas anständigere Kleidung angezogen. Statt seiner üblichen undercover Arbeitskleidung, wenn man es so nennen wollte, trug er eine schwarze Jeans und ein dunkelblaues, langärmliges Hemd. Okay, vielleicht wollte er auch ein bisschen normaler erscheinen, um Albas Bild von ihm zu verbessern. Was zur Hölle würde sie das kümmern?, zog er über sich selbst her, während er hinüber zum Hauseingang ging.

Ein Mann im schicken Designeranzug kam ihm entgegen, nickte grüßend und hielt Frank die Tür auf. Offensichtlich war er gut genug angezogen, um von den Bewohnern als anständig empfunden zu werden. Auch wenn es verwunderlich war, wieso die längst nicht komplett verheilten Wunden in seinem Gesicht kein Misstrauen verursachten. Auf dem Weg mit dem Fahrstuhl nach oben ließ sich kein anderer Anwohner blicken, was Frank nur recht war.

Allein der Tatsache geschuldet, dass er sich noch die passenden Worte zurechtlegte, stand er lange genug ohne zu klingeln vor Albas Apartment, um zu hören wie es drinnen einen dumpfen Schlag gab. Ohne Zögern holte Frank mit dem Bein aus, um einen gezielten Tritt gegen die Tür in Höhe des Schlosses zu platzieren und sie dadurch zu öffnen. Ihm war völlig egal, wie viel Aufmerksamkeit damit erweckt wurde oder dass das Holz ein hässliches Knacken von sich gab, als ein Teil davon barst.

Alles was ihn kümmerte war Alba, die er auch sofort erblickte, da der Weg ins Innere des Apartments frei war. Sie war an einen Stuhl gebunden, der jedoch nicht mehr aufrecht stand, sondern samt ihr umgekippt auf der linken Seite lag. Das erklärte das Geräusch, was von draußen hörbar war.

Völlig regungslos lag sie am Boden, die Augen weit aufgerissen und mit einem großen, roten Handabdruck im Gesicht. Sie gab keinen Ton von sich, schien die Situation einfach nur auszuhalten.

Der Drecksack, der über ihr gebeugt stand, drehte sich langsam zu Frank um, seine kleinen Augen zusammengekniffen und das Gesicht zu einer hässlichen Fratze verzogen. "Ich wusste nicht, dass das eine Party ist", erklärte er amüsiert.

Frank griff nach der Waffe, die er, verborgen unter dem Hemd, zwischen den Hosenbund geklemmt trug. "Der Ballkönig wirst du jedenfalls nicht", konterte Frank scharf. "Weg von ihr!"

Doch der Arsch dachte gar nicht daran, sich zu bewegen. Sein Grinsen wurde immer schiefer und hässlicher. Wie in Zeitlupe ließ er die Hand mit der Waffe sinken, um sie zielend auf Albas Kopf zu richten. Frank wusste, dass er sicher treffen würde, allein schon weil die gesenkte Waffe keine Gefahr für ihn darstellte. Allerdings brauchte er das richtige Timing für seinen Schuss, damit die nächste Kugel nicht Alba traf.

Es war das zweite Mal, dass jemand in Franks Beisein eine Waffe auf ihren Kopf richtete und schon das dritte Mal, seit er Alba kannte, dass sie in Lebensgefahr schwebte. Jedes Mal, dass dieser Frau etwas angetan werden sollte, war ein Mal zu viel. Im Stillen schwor er sich, diese Sache für sie zu beenden, koste es, was es wolle.

"Er hat sie erschossen", ertönte Albas Stimme ganz leise, als hätte sie es gar nicht zu ihm gesagt, sondern nur für sich selbst wiederholt. Augenblicklich drehte der Typ sich zu ihr um und gab ihr mit einem wütenden Zischen einen Tritt in den Magen, dass Alba nach Luft japste.

Nicht die Art von Unaufmerksamkeit, die Frank von diesem Mistkerl wünschte, aber mehr als genug, um ihm sofort eine Kugel in den Kopf zu jagen. Mit einem Schmatzen bohrte sich das Projektil in den mit wenigen Haaren bedeckten Hinterkopf und brachte ihn zu Fall. Ungünstigerweise lag sein Schwerpunkt vorn, sodass der leblose Körper wie ein schwerer Sack direkt über Alba und den Stuhl klatschte.




soulache | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt