Kapitel 42

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FRANK

Er verfluchte seinen guten Schlaf, der so tief war, dass neben ihm eine Bombe hätte einschlagen können, ohne ihn zu wecken. Dadurch hatte er nicht einmal ansatzweise mitbekommen, dass Alba gegangen war.

"Fuck", zischte er, setzte sich auf und ließ den Blick durch den Raum schweifen, als könnte er sie dadurch doch noch irgendwo in einer Ecke finden. Doch alles, was er fand, waren Sarahs Kleider, sorgfältig zusammengelegt, auf dem Bett.

Eine ungute Vorahnung beschlich ihn, die vom Fehlen der Waffe, die er auf dem Nachttisch am Bett abgelegt hatte, direkt bestätigt wurde. "Oh, Alba", murmelte er zerknirscht. Frank wusste nicht, was genau David herausgefunden hatte, denn sie hatte kein einziges Wort darüber verloren, sondern ihn stattdessen zur Ablenkung verführt.

Genervt rieb Frank sich mit den Händen einige Male übers Gesicht, um zumindest einige seiner Lebensgeister wieder zu wecken. Dann holte er das Smartphone aus der Hosentasche und wählte Davids Nummer.

Es dauerte eine ganze Weile, bis sein alter Freund den Anruf entgegennahm und sagte: "Frank, was ..." Doch weiter kam er nicht, denn Frank fiel ihm direkt ins Wort und forderte barsch: "Gib mir alle Informationen, die du Alba gegeben hast!"

"Woah, was ist denn los?", fragte David und klang sofort total besorgt.

"Sie ist weg und ich denke, wir wissen beide, dass das nichts Gutes bedeutet! Bring mich auf Stand."

Zum Glück beschränkte sich Franks Waffenarsenal nicht nur auf die Clock 19, die Alba ihm entwendet hatte. Während er das Smartphone zwischen Kopf und Schulter klemmen hatte und sich anhörte, was David für sie herausgefunden hatte, schob er seine P99 und den passenden Schalldämpfer in die Innentasche seiner Jacke.

Frank hoffte, Alba rechtzeitig einholen zu können, bevor sie mit der Clock 19 um sich schoss, und machte sich schnellstens auf den Weg nach unten zu seinem Wagen, um ihr zu folgen. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, was in ihr vorging, seit sie die fehlenden Information hatte. Bemerkenswert, dass sie ihre Fassade noch so lange aufrecht halten konnte, dachte er stumm.

Der Verkehr in der Stadt war schrecklich, denn Sonntagabend bedeutete immer auch, dass die Pendler unterwegs waren und die Straßen mit stockendem Verkehr blockierten. Wütend klammerte Frank seine Finger um das Lenkrad, bis die Knöchel weiß wurden. Wenn er Alba nicht rechtzeitig einholen würde, könnte er es sich nie verzeihen.

Keiner konnte Albas Motive für Rache so gut nachempfinden, wie Frank, aber die Vorstellung, dass sie diese Grenze überschreiten würde, dass sie Gebrauch einer Waffe machen würde, war ihm zu viel. Er wusste, dass es etwas mit einem anstellte, Menschen zu erschießen. Doch Alba wusste nicht, dass ihre persönliche Hölle dadurch schlimmer statt besser werden würde.

Nein, das durfte er nicht zulassen! Sie war unschuldig, irgendwie ja auch dank ihm, denn bisher kam er ihr jedes Mal zuvor, wenn sie drauf und dran war, den Leuten, die am Tod ihrer Familie die Schuld trugen, etwas anzutun. Wobei sie ohnehin nicht weit gekommen wäre, mit bloßen Händen.

Die Clock war natürlich ein ziemliches Upgrade für Albas Plan. Wütend presste Frank die Lippen aufeinander. Hatte sie das alles aus reiner Berechnung getan? Bei dem Gedanken, dass nichts an der Intimität dran gewesen war, die sie miteinander geteilt hatten, wurde ihm ganz anders. Eigentlich konnte er sich das nicht vorstellen, aber Menschen waren zu vielen Dingen fähig, wenn sie von bestimmten Motiven angetrieben wurden.

Vor seinen Augen flackerten Bilder auf, wie er jeden Zentimeter ihrer Haut mit Küssen bedeckte und ihren wunderschönen Körper mit seinen Augen verschlang, wie hell die gelben Sprenkel in ihren Augen leuchteten, als sie gemeinsamen Höhepunkten entgegensteuerten und wie Alba eine Gänsehaut bekam, wenn er sie zärtlich mit den Fingerspitzen streichelte, nachdem die beiden erschöpft in die Laken gesunken waren. War nichts davon echt? Er wollte es nicht wahrhaben.

In der Straße von Henderson in Williamsburg angekommen, reduzierte Frank das Tempo und schaute sich prüfend um, alles schien normal zu sein. Ein paar Passanten liefen auf der gegenüberliegenden Straßenseite, doch ansonsten war es ruhig. In einigen Fenstern des Stadthauses des Anwalts brannte Licht, also musste auch jemand da sein.

Vielleicht war Alba ja noch gar nicht angekommen. Allerdings wollte Frank es lieber nicht darauf anlegen, stieg aus und nahm die sieben schmalen Stufen zur Haustür hinauf.



soulache | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt