ℙ𝕣𝕠𝕝𝕠𝕘

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2023

Dag musste frische Luft schnappen.

Momentan war es ein wenig viel für ihn. Irgendwie trafen ihn um ein Vielfaches an Emotionen mit einem Schlag.

Es war nicht so, dass er sich nicht freute, aber doch bestand noch immer eine große Angst.

Er war nervös.

Dag schloss die Augen und atmete die kalte Winterluft ein, während er vor dem Krankenhauseingang stand.

Er schrieb kurz danach Vincent, dass er sich später bei ihm melden würde. Nachdem dieser sich bei ihm erkundigt hatte, wie die derzeitige Lage wäre.

... dann ging er wieder ins Gebäude zurück.

Sein Weg führte schnurstracks Richtung Aufzug, wo er auf den richtigen Knopf drückte und wartete.

»Kann man schon gratulieren?« , fragte eine ältere Dame, die hinter ihm stand.

Er drehte sich um und blickte in ein freundliches Gesicht. Sie war mit Sicherheit bereits über achtzig, sah aber auf irgendeine Art und Weise noch fit aus.

»Wie bitte?«

Sie zeigte auf die von ihm gewählte Etage. »Sie werden Papa, nicht wahr?«

»Oh. Ja.« Er nickte und lächelte. »Das werde ich.«

»Junge oder Mädchen?«

»Das wissen wir nicht. Wir wollten uns überraschen lassen.« , sagte er und schmunzelte mit einem leichten Achselzucken. »Vielleicht sogar beides.«

»Zwillinge? Oh, ja dann ... das werden turbulente erste Jahre, glauben Sie mir. Meine Anna, der ihre Schwägerin hat Zwillinge bekommen und das kann sehr anstrengend sein.«

»Das ist es mir wert.« Der Aufzug hielt und er stieg aus. Vorher wünschte er der Dame noch einen schönen Resttag, nachdem diese ihm viel Glück für die bevorstehende Geburt ans Herz legte.

Dag steuerte die Glastür an und klingelte. Eine der Hebammen kam und öffnete diese. »Sie kommen genau richtig, Herr Kopplin. Die Wehen sind bereits stärker geworden. Es wird nicht mehr lange dauern.«

Er nickte, lächelte und betrat den Raum alleine. »Hey. Ich bin wieder da.« , sagte er, nachdem sie den Schmerz der gerade eingetroffenen Wehe wegatmete. Mittlerweile wusste Dag, dass er dann besser nicht reden sollte, weil sie dafür absolute Konzentration benötigte.

»Der Muttermund hat sich weiter geöffnet.« , sprach sie danach.

Er setzte sich neben sie, nahm ihre Hand und küsste diese. »Es wird alles gut werden.«

Sie nickte.

Auch wenn bisher keine Komplikationen eingetreten waren, konnte er verstehen, weshalb sie trotzdem ein wenig Angst hatte.

»Was machst du?« , fragte sie, als er sie losließ, Schuhe auszog und hinter sie kletterte.

Er umarmte sie und legte beide Hände auf ihren Bauch ab. Er fühlte sich gerade wie bei Nias Geburt und hatte zeitgleich Schuldgefühle, das er bei Rio nicht anwesend gewesen war.

»Ich bin bei dir.« Er küsste ihre Wange, als er ihre dunklen Haare ein wenig zur Seite strich.

Sie legte ihre Hand auf seine, die noch immer ihren Bauch berührte.

Dag hätte nicht mehr damit gerechnet, aber in diesem Moment fühlte er sich vielmehr als angekommen.

Nach allem, was geschehen war, würde er dies nicht als Happy End bezeichnen, weil er wusste, das alles Gute auch mit einem Male enden konnte. Das Leben ist nicht immer leicht! Das wusste er inzwischen sehr gut.

Oscar Wilde sagte mal angeblich: Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.

Die Vorstellung, dass am Ende mit Sicherheit alles gut sein würde, fand er schön. Jedoch musste er mittlerweile dem Zitat widersprechen.

Entscheidend war immer, das Jetzt. Die Vergangenheit war vorbei, die Zukunft noch nicht da.

Nur eine Sekunde konnte die komplette Zukunft, die man sich vorgestellt hatte, verändern. Desto mehr versuchte er, den jetzigen Moment ganz und gar in sich aufzunehmen.

Er drückte sie ein wenig an sich. »Ich liebe dich.« Und das meinte er auch so. Es war nicht nur daher gesagt. Er liebte diese Frau.

Ihr Gesicht sah er nicht, doch er wusste, das sie lächelte, als sie sprach. »Ich liebe dich auch Dag.«

Reißen wir uns gegenseitig raus, oder reiten wir uns rein (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt