Kapitel 6

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Tina kommt mir mit ihrem roten Trenchcoat, der ausgesprochen gut zu ihrer braunen Mähne passt, und ihrer dunklen Jeans mit kleinem Beinschlitz entgegen. Voller Freude fallen wir uns in die Arme. Wie immer ist sie ziemlich perfekt gestylt und trägt diesen rosa-braunen Lidschatten, der ihre Augen wunderschön macht, nicht das sie nicht schon schön genug wäre, es machte sie irgendwie nur noch schöner. Ihre Wimpern hat sie perfekt an getuscht. Man hätte fast meinen können, dass sie fake Lashes trägt so schwungvoll und lang sahen ihre Wimpern aus.

 Ich dagegen habe nur einen Hauch von Mascara auf meine Wimpern aufgetragen. Ich bin absolut kein Fan von so viel Farbe. Da setze ich lieber auf Natürlichkeit und außerdem habe ich meistens auch gar nicht wirklich die Zeit dazu.

Von Mode versteht Tina ziemlich viel, aber hat aus diesem Talent nie etwas gemacht. Sie sagt immer, dass das nur ein Hobby ist und sie doch etwas Richtiges machen sollte, womit sie mehr Geld verdienen könnte und ein sicheres Einkommen hätte. Deswegen ist sie jetzt auch nicht in der Künstlerbranche tätig, sondern arbeitet als Bankberaterin.

Ganz im Gegensatz zu mir. Ich lege zwar auch Wert auf mein Äußeres, aber halte meine Kleidung eher einfach und schlicht. Meist trage ich Farben wie schwarz, grau, beige oder weiß, weil sie sich besser kombinieren lassen und ich oft keine Lust habe stundenlang vor dem Kleiderschrank zu stehen, um mir zu einer Farbe das passende Gegenstück zu suchen. Heute habe ich mich für eine schwarze Leggings und einen Oversize-Pulli in einem Grauton mit weißen Streifen entschieden.

Anders als meine beste Freundin habe ich meinen absoluten Traumjob gefunden. Als Redakteurin kann ich an unterschiedlichste Orte reisen, mir meine Zeit freier einteilen und meine kreative Ader entfalten.

Immer, wenn wir gemeinsam unterwegs waren, hatte Tina einen Rucksack dabei sowie heute auch. Sie wollte nicht riskieren, dass ich noch einmal vor ihren Augen zusammensacke. Seit dem hat sie deswegen immer etwas Kleines zu essen und zu trinken dabei für alle Fälle.

Zugegeben ich bin manchmal so sehr in meine Recherche und meinen Artikel vertieft, dass ich oft vergesse zu essen. Ja, ich weiß, das ist nicht gerade verantwortungsvoll, aber wenn ich erst einmal anfange zu schreiben, kann ich kaum wieder aufhören, weil ich dann so richtig im Flow bin und in dieser Phase äußerst ungerne aufhöre mit meiner Arbeit. Essen kann man ja immer noch zu einer späteren Zeit, sage ich mir immer.

Mit dem Fahrrad fahren wir an der wunderschönen Alster entlang. Im Restaurant „Goldene Grube" angekommen schauen wir uns suchend nach einem freien Kellner um.

In der hintersten Ecke entdecke ich einen blonden Mann mit einer Pilzfrisur und vielen bunten Tattoos auf beiden Armen. Wie konnte man sich freiwillig so eine Frisur aussuchen? Scheußlich dieser Pony. Ich steuere auf den Kellner zu und öffne meinen Mund.

„Hey, ich bin auf der Suche nach Dana Lichtenauer. Wissen sie zufällig wo ich sie finden kann?", sage ich zu dem noch recht jungen Kellner mit dieser Pilzfrisur.

„Ich bin leider noch nicht so lange hier und kann Ihnen da nicht wirklich weiter helfen, aber ich habe eine Kollegin, die schon sehr lange hier arbeitet. Ich kann sie kurz bieten her zu kommen", antwortet er mit seiner sanften Stimme, die irgendwie überhaupt nicht zu seinem Aussehen passt.

„Ja, das wäre super. Vielen Dank!" Er macht sich auf den Weg.

Tina erblicke ich auf der anderen Seite des Restaurants. Sie unterhält sich mit einer älteren Frau. Möglich, dass diese meine Mutter auch kennt. Mal sehen, was Tina alles in Erfahrung bringen kann und ob es uns ein Stück näher an die Wahrheit bringt.

Eine ältere Frau mit sehr auffälligen roten Locken kommt mit schnellen Schritten auf mich zu. Sie lächelt mich an und sagt: „Hallo. Du musst Danas Tochter Lilly sein. Du siehst ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Ich bin Birte, eine alte Freundin von deiner Mutter. Du kennst mich wahrscheinlich nicht mehr, aber ich war oft bei euch als du noch ein kleines Mädchen gewesen bist. Ich hatte deine Mutter ewig nicht mehr gesehen, bis sie vor ein paar Wochen hier aufgekreuzt ist und dringend einen Job benötigt hat. Da wir hier sowieso händeringend neues Personal gebraucht haben, konnten wir sie hier unterbringen. Allerdings ist sie seit ein paar Tagen nicht mehr hier aufgetaucht. Ich mache mir selbst auch schon große Sorgen um sie."

„Ne, dich kenne ich tatsächlich nicht, aber vielleicht kannst du mir etwas über meine Mutter erzählen. Wir haben seit Jahren keinen Kontakt und das aus gutem Grund. Sie hat mich nach dem Tod von meinem Vater einfach alleine gelassen. Ohne meine Oma wäre ich wahrscheinlich im Waisenhaus gelandet", antworte ich.

„Oh Lilly, das tut mir schrecklich leid. Ich wusste nicht, dass deine Mutter fortgegangen ist. Ich hatte ja selbst bis vor kurzem keinen Kontakt zu ihr. Also wenn du magst, erzähle ich dir etwas mehr über deine Mutter. Meine Schicht geht noch bis 19 Uhr. Danach so gegen 20 Uhr kannst du mich gerne in meiner Wohnung besuchen. Warte ich schreibe dir noch kurz meine Adresse auf", sagt sie und geht hinter den Tresen. Sie reicht mir den Zettel.

„Danke, Birte", sage ich und winke ihr zum Abschied. Sie winkt mir lächelnd zurück, bevor sie neu hereinkommenden Restaurantbesuchern ihre Aufmerksamkeit schenkt. Tina folgt mir als ich aus dem Restaurant gehe.

„Und was hast du herausgefunden? Weißt du wo sie sich aufhält? Du hast sehr zufrieden ausgesehen", fragt Tina mich.

„Die Frau mit den roten Locken ist wohl eine alte Freundin meiner Mutter, die öfter bei uns war als ich noch ein kleines Kind war. Sie hat meine Mutter wohl das letzte Mal vor ein paar Tagen im Restaurant gesehen und nun ist sie verschwunden. Komisch oder?"

„Ja, das ist äußerst merkwürdig und das kurz nach dem sie dir begegnet ist. Das kann irgendwie kein Zufall mehr sein", sagt Tina.

„Ja, das kann definitiv kein Zufall sein", antworte ich.

„Und hat diese Frau sonst noch was gesagt?", fragt Tina und schaut mich dabei ganz interessiert an.

„, Ja, sie hat mir angeboten heute nach ihrer Schicht um 20 Uhr bei ihr vorbei zu kommen, damit wir nochmal in Ruhe reden können."

„Oh Lilly, das sind ja großartige Neuigkeiten! Diese Frau weiß bestimmt eine Menge. Bei meinen Gesprächen mit mehreren Kellnerinnen und Kellnern ist leider nicht wirklich viel bei rumgekommen. Die meisten kannten sie nur flüchtig und wussten kaum etwas über sie."

Wir lassen unsere Fahrräder stehen und gehen zu der kleinen Bank gegenüber. Wir setzen uns und Tina holt die Snacks aus ihrem Rucksack hervor, die wir genüsslich verzehren. Mal sehen, ob diese Birte etwas Licht ins Dunkel bringen kann.Ich hoffe es sehr.


Schön, dass ihr auch dieses Kapitel gelesen habt. Ich habe lange überelgt wie diese Szene aussehen soll und dann kam mir dieser Gedanke hier.

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