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Wüsste ich es nicht besser, würde ich behaupten ich träume!

Ich bin klitsch nass geschwitzt und meine Lungen pfeifen, als hätte ich eben den Mount Everest erklommen. Meine Knie zittern leicht von der Aufregung, die ich immer noch in mir spüre. Doch meine Lippen tragen dennoch ein zartes Lächeln.

Wenn mir vor einem Jahren jemand gesagt hätte, dass ich heute auf einer Bühne vor hunderten von kreischenden Teenies singen würde, währe ich glatt umgekippt. Obwohl meine Aufregung in jedem meiner Knochen zu spüren ist. Liebe ich es. Ich kann mir nichts schöneres Vorstellen als vor tobenden und kreischenden Menschen zu singen - ausser vielleicht Sex.

Das schöne ist, ich bin nie alleine. Denn meine besten Freunde sind immer dabei: Jason, Nathan und Kyle. Wir haben uns bei einem völlig dämlichen Casting für eine Statisten Rolle in einer McDonalds Werbung kennengelernt. Wenn man als Teenager in der Highschool dringend Geld braucht, lässt man sich halt was einfallen. Zum Glück waren wir alle so grauenhaft, dass wir bereits bei der ersten Runde rausgeflogen sind. Danach haben wir uns immer wieder getroffen und gemerkt, welche Gemeinsamkeiten wir doch haben. Daraus ist nicht nur unsere wunderbare Freundschaft geworden, die ich nie und nimmer Missen möchte, sondern auch Don't Tell My Secret. Unsere Band.

Die tobende Menge kreischt und ist so laut, dass ich keine Chance habe die Worte, die mir Kyle ins Ohr brüllt zu verstehen. Also schnappe ich mir mein Microphon aus dem Ständer "Shhhhhh" Meine Worte werden wie die eines Gottes erhört und die Menge wird leise.

"Ich liebe dich Lloyd!" Ein ungefähr 18 Jähriges Mädchen steht mitten in der Menge und durchbricht das Schweigen mit ihrem Ausruf. Sie hat pechschwarze Haare und riesige blaue Augen. In den Händen hält sie ein riesiges Schild hoch, auf dem in roten, glitzernden Buchstaben steht: "Heirate mich Lloyd!" Diese Plakate habe ich schon zig mal gesehen und trotzdem hätte ich ganz und gar nichts dagegen sie nach dem Konzert noch mit auf mein Hotelzimmer zu nehmen. Aber das würde gegen die Regeln unsers Mangers stossen: "Keine Groupies!"

Die ganzen Horror Geschichten über die Managements von Boybands sind wahr! Als wir erst frisch als Band zusammen waren, hat uns ein Management entdeckt und uns einen Vertrag unterschreiben lassen. Damals waren wir viel zu blauäugig und haben uns keinen Anwalt hinzu gezogen und einfach blind unterschrieben. Hätten wir das bloss nie getan! Der Vertrag läuft über drei Jahre und somit haben wir noch zwei strenge Jahre vor uns. Es gibt 5 Punkte im Vertrag die dem Management besonders wichtig sind.

1. Keine Groupies!

2. Keine Drogen!

3. Keine Freundin! Weder offiziell noch inoffiziell!

4. Keine sexuellen Handlungen!

5. Kein Outing!

Für uns sind diese Regeln meist nicht gerade toll, aber wir können damit leben. Was uns viel mehr nervt ist, dass wir unsere Gedanken und Gefühle nicht rausschreien dürfen. Jedes Wort, das wir in Interviews sagen wird vorher fünf mal umgekehrt und auf der Bühne werden manchmal sogar unsere Microphones ausgeschalten, damit wir nichts belastendes sagen können. Wenn wir Songs schreiben wird immer darauf geachtet, dass ja nichts falsches darin hinein interpretiert werden könnte, obwohl das nicht klappt.

Unsere Fans können aus jeder Mücke einen Elefanten machen. Jede Woche wird einer von uns mit einem neuen Hollywoodsternchen geshippt. Erst letzte Woche war auf jedem Klatschheftchen mein Gesicht, neben dem von Louis Tomlinson. Die Schlagzeilen waren zum Todlachen. Von "Liebesaus bei Larry Stylinson" bis "Todesangst um den Leadsänger von Don't Tell My Secrets, wann wird Harry seine Rache wahrwerden lassen?" war alles dabei. In Wirklichkeit hat unser Management mich dazu gedrängt auf ein Event für die nächste Fashion Show zu gehen. Da habe ich zufällig Louis getroffen und er hat mir Mut gemacht, dass wir unser Ding durchziehen sollen, egal was das Management uns verbietet. 

Trotzdem liebe ich es auf der Bühne zu stehen und dieses Gefühl kann mir niemand nehmen.

Die Menge kichert über den Spruch des dunkelhaarigen Mädchens ist jedoch ruhiger. Ich mache zwei Schritte zur Seite und strecke mein linkes Ohr in die Nähe von Kyles Gesicht, damit ich nun endlich hören kann was er mir sagen wollte. Mit einem grinsen flüstert er mir mit seiner rauen Stimme ins Ohr: "Halb zwei, bei mir". Mein Körper durchströmt eine Hitzewelle. Ich grinse Kyle an, drehe mich um und kündige unseren nächsten Song an.

* * *

Während des gesamten Konzertes werfen Kyle und ich uns Blicke zu. Es dürfte aber nicht besonders auffallen, da sich alle in unserer Band andauernd diese Blicke zuwerfen. Unsere Fans nennen dies die "Secret-Moments". Zu Beginn haben wir nicht gemerkt, dass wir uns alle so anstarren, bis uns das Management diese Blicke verbieten wollten. Zwei Monate hat es geklappt und wir haben es wirklich vermieden uns gegenseitig bloss anzusehen. Was doch wirklich bescheuert ist. Doch unsere Fans - sie nennen sich selbst Insider - haben auf allen Onlineforen einen riesen Protest gemacht. Nur wenige Tage später hatten wir einen erneuten Call mit dem Management und uns wurde befohlen dringend wieder unsere Secret-Moments zu schaffen.

So geht das andauernd zu und her.

Als der letzte Song zu Ende ist, rastet das Publikum nochmals richtig aus. Wir rufen unsere üblichen abschliessenden Worte in die Menge und gehen von der Bühne.

"Das war echt geil!" Schreit mir Nathan auf dem Weg zu unserer Garderobe ins Ohr. Mein voll geschwitztes T-Shirt klebt an meiner Brust und meine Hose wird mit jedem Schritt unbequemer.

"War aber auch scheisse anstrengend!" Brülle ich Nathan zu. Erst als wir die Tür unserer Garderobe hinter uns schliessen, wird es leiser. Ich lasse mich auf das ledrige, schwarze Sofa plumpsen und stosse ein angestrengten Seufzer aus.

Jason wirft mir ein frisches Shirt und eine Jogginghose zu. "Strip that down girl, love when you hit the ground girl" singt er mir lachend zu. Ich lache ebenso und zieh mir mein T-Shirt vom Kopf, während ich meine Hüften kreisen lasse. Die Jungs steigen mit ein und wir lachen uns kaputt, während wir uns frische Klamotten überstreifen.

Nach zehn Minuten haben wir es dann doch noch geschafft uns zu beruhigen und lassen uns aufs Sofa zurück fallen. Wir müssen uns zusammenquetschen und unsere Beine und Arme sind kreuz und quer übereinander. Ich lege meinen Arm und Kyle und strecke meine Beine auf den Schoss von Jason. Unsere Nanny Samy kommt uns immer nach den Konzerten abholen und bringt uns ins Hotel oder in den Tourbus. Hier ist alles durchgeplant und wir können keinen Schritt alleine gehen.

Wir wissen nie genau wann Samy kommt. Manchmal dauert es zwei Stunden manchmal zehn Minuten. Das ist unsere Freizeit. In dieser Zeit gibt es keine "offizielle" Aufgabe für uns. Wir dürfen einfach uns sein. Blöd nur, dass wir so kaputt vom Konzert sind, dass uns auf dem gemütlichen Sofa einem nach dem anderen die Augen zufallen.

"Awww, ihr seit so süss" Samy steht mit ihrem Handy in der Mitte des Raumes und ist gerade dabei die perfekte Perspektive für ein Foto zu suchen. Ich habe gar kein bock! Ich will meine ruhe. Also drehe ich mein Kopf von der Kamera weg und sehe direkt in Kyles Augen. Das war unerwartet.

"Kommt Jungs, wir müssen jetzt wirklich ins Hotel es ist schon spät!" Samy läuft zur Tür und wartet mit ausgestreckten Armen darauf, dass wir unsere Hintern hoch bekommen und uns aus der Tür bewegen. Ich löse mich von Kyles Blick und laufe mit schweren Schritten hinter Nathan her. Schweigend gehen ich neben Kyle her. Bei jedem Schritt spüre ich, wie seine Hand gegen meine Schlägt. Ich packe sie und halte sie bis wir beim Wagen angekommen sind.

Don't Tell My SecretsWhere stories live. Discover now