Kapitel 8

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Die nächsten Tage habe ich fast durchweg vor meinem Laptop verbracht und an meinem Artikel weiter geschrieben. Die Arbeit ist schon immer die beste Medizin für eine erfolgreiche Ablenkung gewesen. Ich kann mich so sehr in meine Arbeit vertiefen, sodass ich alles um mich herum vergesse. Es ist wie eine zweite Welt, in die ich abtauchen kann und in der ich meinen Alltag mal kurz einfach nur Alltag sein lassen kann. Es fühlt sich immer so an als würden die vielen Worte um mich herum zu tanzen anfangen und mich mit ihrer Energie anstecken.

Doch nur leider funktioniert diese Taktik nicht immer. Meine hartnäckigen Gedanken wollen einfach nicht verschwinden. Wie ein Gast in meinem Körper, der die Kontrolle Stück für Stück zu übernehmen und mich zu beeinflussen versucht. Solange ich noch keine genaueren Antworten habe, würde dieser Gast meine Gedanken umlenken. Ich bin deswegen nicht so sehr bei der Sache wie ich es hätte sein können. Mir gehen so viele Fragen durch den Kopf.

Nach dem Treffen mit Birte habe ich nun einiges über meine Mutter erfahren, dass ich von ihr selbst wahrscheinlich niemals erfahren hätte. Wer gibt auch schon gerne zu, dass er häufig nur an sich selbst denkt und die Gefühle anderer entweder ignoriert oder sie einem als nicht so wichtig erscheinen. Aber den einen Grund warum meine Mutter wirklich ihre Koffer gepackt und abgehauen ist, werde ich noch herausfinden. Das muss ich für mich tun, um endlich damit abschließen zu können.

Wenn ich den Artikel fertig bekommen will, muss ich mich echt ranhalten, denn schon am Freitag ist die Deadline. Andernfalls würde meine Chefin mich wahrscheinlich hochkant aus der Redaktion werfen. Ja, so ist sie, meine Chefin. Sehr ehrgeizig, äußerst kontrolliert und eiskalt, aber dafür leitet sie schon seit Jahren erfolgreich unsere Redaktion. Ich meine, das kann auch nicht jeder von sich behaupten. Dennoch ist der Umgang mit dieser Frau nicht immer einfach gewesen. Sie pocht immer auf ihre Meinung.

Ich habe zwar bei meinen Artikeln freie Hand, aber es gibt oft immer etwas, was ihr nicht passt, was ich dann wieder ändern muss. Deswegen will ich sie mit meinen Worten unbedingt überzeugen. Sie soll gefesselt werden davon und nicht mehr aufhören wollen zu lesen.

Immerhin hat sie diese Mal an meinem Artikel relativ wenig auszusetzen. Ich habe also gute Chancen, dass sie meinen Schmetterlingsartikel gut finden wird. Noch mehr Probleme kann ich gerade echt nicht gebrauchen. Es gibt so schon genug.

Also schreibe und schreibe ich, bis ich zufrieden mit meiner Leistung bin. Ich tippe die letzten Worte und schicke den Artikel endlich ab. Es ist zwar erst Donnerstag, aber wenn ich tatsächlich noch eine Änderung vornehmen muss, bleibt mir noch dieser eine Tag.

Ich liebe meinen Job wirklich, aber Kreativität ist nicht auf Knopfdruck einfach da. Inspiration findet man überall, wo man hin geht. Auf dem Weg zur Arbeit, in der Warteschlange von deinem Lieblings-Café oder nach einem Gespräch mit deiner Freundin. Du musst nur Menschen auf der Straße beobachten und schon hast du eine Inspirationsquelle gefunden. Die besten neuen Ideen sind mir meist an meinem absoluten Lieblingsplatz gekommen. Im Alsterpark auf einer freien Sitzbank.

Jetzt nach dem ich den Artikel erfolgreich fertig geschrieben habe, kann ich mal wieder etwas Leckeres kochen. Normalerweise bleibt mir dafür eher weniger Zeit, aber jetzt kann ich das mal wieder machen. Es macht mir Spaß neue Rezepte auszuprobieren. Kochen ist sowas wie eine heimliche Leidenschaft, der ich viel zu selten wirklich nachgehe. Ich nehme mein Handy und rufe Tina an. „Hey Tina, hast du Lust heute Abend einen Mädels Abend zu machen mit einem Glas Wein und ich koche für uns?"

„Hey Lilly, das ist eine schöne Idee. Ich könnte so gegen 20 Uhr bei dir sein. Passt das?"

„Ja, das passt super. Dann besorge ich vorher alle Zutaten und bereite alles vor. Ich freue mich. Bis später."

„Bis nachher, Lilly!"

Ich krame meine Einkaufstüten raus und mache mich auf den Weg in den nächsten Supermarkt. Boah, ist das voll hier. Na hoffentlich hatten sie hier alle Sachen, die ich für heute Abend brauchen würde. Mit meinen Taschen und einem Wagen betrete ich den Supermarkt.

Ich weiß schon genau wo ich nach meinen Zutaten suchen muss, weil ich mich hier ziemlich gut auskenne. Ich würde sogar behaupten, dass ich besser weiß, wo alles zu finden ist, als die meisten Mitarbeiter hier. Fast wie ein Vorratskeller ist dieser Supermarkt für mich. Das heutige Abendessen sollte ein Curry werden mit Hühnchen und so allerlei Gemüsezeug.

Immer, wenn ich mit Tina Zeit verbringe, weiß ich genau warum sie so eine unglaublich gute Freundin ist. Sie ist schon sowas wie Familie. Die Familie, die ich mir immer gewünscht habe. Sie hat mich aufgefangen und ist immer an meiner Seite gewesen, wenn ich sie gebraucht habe.

So eine tolle Freundschaft findet man viel zu selten und genau deswegen muss man sie festhalten. Denn eine wahre echte Freundschaft wird immer bleiben. Ein Mensch, der deinen Weg mit dir gemeinsam geht. Ein Lebensbegleiter.

Ich gehe durch die Gänge und bin mit meinen Gedanken schon bei dem leckeren Essen. Ich rieche schon den Duft des Currys mit einer Mischung aus meinem edlen roten Tropfen. Ich strecke meine Hand nach der letzten Flasche meines Lieblingsweins aus, aber werde vorher weg gedrückt, weil eine männliche Hand in genau dem Moment auch versucht danach zu greifen. Welcher Typ ist bitte so dreist. Der konnte was erleben. Ich konnte meine Krallen ausfahren, wenn mir etwas gehörig gegen den Strich ging. Gleichzeitig halten wir die Flasche fest.

„Ey ich war zuerst hier. Die Flasche gehört definitiv mir", fauche ich wütend. Ich blicke dabei in schokoladenbraunen Augen. Es sind genau die Augen, in die ich nach meinem Zusammenbruch auf Tinas Hochzeit geschaut habe. Ich kann einfach nicht weg sehen.

Warum musste dieser Typ auch so verdammt gut aussehen? Warum musste ich mich zu ihm hingezogen fühlen? Warum stelle ich mir vor wie er mir nahe kommt? Das ist doch total verrückt. Ich meine der Typ hat etwas mit meiner Vergangenheit zu tun und das ist doch das einzige was mich interessiert oder etwa doch nicht?Ich halte weiter die Flasche fest.

„Nein, das hier ist mein Lieblingswein, den werde ich heute noch trinken", sagt er mit seinem schelmischen Lächeln.

„Da ist einer, aber sehr überzeugt, dass er den Wein mitnehmen wird was?!", sage ich mit meinem frechen Lächeln. Wenn er schon so zu mir ist, kann ich das erst recht.

„Das hier ist mein absoluter Lieblingswein, den muss ich heute trinken!", füge ich hinzu.

„Tja, dann bleiben uns jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder überlässt du mir den Wein oder wir genießen den Wein zusammen", sagt er und zwinkert mir zu.

Jetzt flirtet er auch noch offensichtlich mit mir.

„Ach und bei der Gelegenheit kannst du mir auch gleich mein Handy zurückgeben, Lilly."

„Ach darum geht's hier also. Wenn du mir den Wein überlässt, kannst du dein Handy haben Deal?"

„Nein kein Deal! Ich will erst ein Date mit dir und du trinkst diesen Wein mit mir zusammen. Komm schon. Das kannst du jetzt nicht ausschlagen.

Er redet solange auf mich ein bis ich mich dann tatsächlich darauf einlasse.

„Also gut. Nur ein Glas."

„Abgemacht", sagt er, reißt mir den Wein aus der Hand und schlägt in meine andere ein.

Er geht und ich suche nach einem anderen Wein für Tina und mich und entscheide mich dann doch für etwas Alkoholfreies.

Was war das gerade. Habe ich wirklich ein Date mit Theo? Worauf lasse ich mich da nur ein?

Ich suche noch die restlichen Lebensmittel und mache mich anschließend auf den Weg zurück nachhause. Ich muss Tina um Rat fragen und ihr erzählen was gerade passiert ist.


Schön, dass ihr bis hier hin gelesen habt.

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