† Angst

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Es dauerte eine ganze Weile bis wir zu meiner Wohnung kamen. Der Stau und die lange Fahrt hatten dafür gesorgt das Izzy immer wieder einschlief, aber Sekunden später die Augen aufriss.

Schweigend folgte sie mir, bis wir im Inneren ankamen. Ihr Blick schweifte umher.

"Ruh dich aus. Wenn du Hunger hast kann ich dir was holen.", sagte ich und wies auf die Treppen. "Du kennst dich ja aus, also... Ich muss noch was erledigen."

Ich widmete mich meinem Laptop der nach einer Berührung zum Leben erwachte. Die Männer die in das Haus eingedrungen waren, waren sicherlich von meinem Vater engagiert, aber ich erkannte sie nicht. Jeder Auftragskiller in unserer Branche agierte lautlos und nutzte andere Waffen ~ hier war es anders.

Machte es für mich wirklich einen Unterschied wer sie waren?

"Sie haben ihn erschossen. Oder?", hörte ich Izzy's Stimme plötzlich. "Er ist tot."

Ich presste den Kiefer aufeinander weil mir zig Sachen einfielen die ich sagen wollte, die aber allesamt provokant und boshaft waren. Ich lag irgendwo zwischen "Gott sei Dank ist er tot" und "Er hat es nicht anders verdient", sprach jedoch nichts davon aus. Ich musste mich beherrschen.

"Tut mir leid um deinen Freund.", war das einzige was ich zustande brachte. Es war noch nicht mal ehrlich.

Izzy's Röntgenblick erkannte das sofort. Ich spürte die Veränderung im Raum die von ungewohnt kalt zu kochend heiß schoss, als sie sich vor mir aufbaute. Mit einer Hand schloss sie den Laptop krachend laut.

"Du wagst es mich schon wieder zu belügen? Ich hätte es mir denken können. Hast du diese Leute geschickt? Um dich am Ende als großen Retter feiern zu lassen? Du bist erbärmlich Keaton.", spuckte sie mir förmlich entgegen.

Ha... Wenn sie wüsste... Ich hatte viel riskiert und getan um sie schützen zu können, aber ich brauchte keine Armee von Killern um sie dazu zu bringen, mir zu folgen. Ich versuchte es zu ignorieren - alles was sie jetzt sagte schob ich auf das erlebte, mit dem sie nicht so gut umgehen konnte...

"Antworte mir du dreckiges Schwein!", spie sie und schlug mich. Zuerst eine Ohrfeige, dann trommelte sie mit den Fäusten auf meiner Brust herum.

Ich sah sie nur an, ließ sie sich auspowern. Auch wenn ihre Berührungen schmerzten, so genoss ich es doch sie wieder zu spüren. Es war anders als ich erhofft hatte aber es war besser als nichts, besonders weil ich dachte sie nie wieder sehen oder fühlen zu können.

Irgendwann gab sie auf. Sie sah mich nicht einmal mehr an.

"Ich will hier raus. Weg von dir.", flüsterte sie schließlich.

Autsch. Das tat weh.

Ich war so irritiert von ihrer Aussage, hatte ich sie doch gerettet... Das mich erst das laute schließen der Schlafzimmer Tür aus meiner Trance holte. Ich verstand ihre Wut auf mich nicht, aber andererseits war es klar. Sie dachte nur das schlimmste von mir. Und dafür war ich selbst verantwortlich.

Gedankenverloren setzte Ich mich ans Klavier, strich über die Tasten.
Meine Finger bewegten sich automatisch und spielten  'Nuvole Bianche', eines der liebsten Lieder meiner Mutter und mir.
Sie brachte es mir bei, als ich noch sehr viel jünger war.
Immer wenn mich etwas beschäftigte oder ich nicht weiter wusste, spielte ich dieses Lied weil es sich anfühlte als sei sie dann bei mir. Als würde sie mich führen.

Ich bemerkte nicht das Izzy oben an der Treppe stand und lauschte. Erst als sie sich schließlich mit einem räuspern bemerkbar machte, ließ ich die Tasten los und schaute zu ihr auf.

"Spiel weiter. Das war schön.", sagte sie.

Nach kurzem Überlegen kam ich auf 'Forgive' von Adelaar und spielte es ein. Einen Hauch von Melancholie lag in der Luft. Ich spielte weiter, selbst als Izzy sich mir näherte. Sie schien nicht mehr so aufgebracht zu sein wie zuvor und trotzdem nahm ich mir vor ihre Fragen zu beantworten. Ich musste klar stellen das ich von dem Überfall Kommando nichts wusste, aber das ich froh war da gewesen zu sein.

Selbst mit ihrem Temperament und ihrem Kampfgeist wäre sie schutzlos gewesen.

Das Lied endete und ich zog meine Hände zurück, bettete sie auf meinem Schoß. Bevor Izzy etwas sagen konnte, begann ich.

"Ich wusste nicht wann sie das Areal stürmen. Das konnte ich nicht wissen. Ich wusste nur das ich in deiner Nähe sein wollte, wenn sie angreifen.
Dein Freund... Ich hasse ihn, selbst jetzt noch. Aber ich habe keine Auftragskiller nötig um einen Job zu erledigen, meinst du nicht auch? Wenn du traurig über den Verlust bist, dann tut mir das leid. Wirklich. Aber ich habe nichts damit zutun."

Izzy hörte aufmerksam zu und sah mir dabei in die Augen. Für sie war es wahrscheinlich schwerer mir zu glauben als ich dachte und doch hatte ich immer noch Hoffnung, daß sie es tat. Ihr Wohlergehen war mein Bedürfnis, nicht mehr und nicht weniger.

"Wer waren sie dann? Hat dein Vater sie geschickt mit dem Befehl mich zu töten oder mich zu holen?", fragte sie.

Ich stand auf und ging zum Laptop rüber. Nach einem kurzen Moment befand ich mich im familieneigenen Net, durchsuchte Logs und Dateien, bis ich auf eine Datei stieß, die mit meinem Namen gekennzeichnet war. Es war ein Video von meinem Vater. Er wusste das ich früher oder später darüber stolpern würde.

"Ich habe den direkten Befehl gegeben auch dich zu erschießen, solltest du dich ihnen in den Weg stellen. Wenn du also nicht sterben möchtest, halte dich fern. Ich weiß das du in ihrer Nähe bist, aber du kannst es nicht verhindern. Die Talare werden mir bringen, was du nicht geschafft hast.", murmelte mein Vater in die Kamera. Sein leb - und liebloser Blick sprachen Bände.

Talare.

Ich erinnerte mich an diese Einheit. Nur der oberste Don durfte über sie befehligen und ihre Erfolgsrate war hoch.
Sie hatten kein Interesse daran zu quälen oder zu vergewaltigen, sie lieferten Menschen nur ihrem Auftraggeber aus.

Ich wollte die Datei schließen, doch Izzy hielt mich auf.

"Warte, da!.... Das ist... Nein, das kann nicht sein, um Himmels Willen!", stotterte sie und zeigte mit dem Finger auf eine Stelle die nur ganz kurz ins Bild kam. Für den Bruchteil weniger Sekunden erkannte man hinter meinem Vater jemand anderen.

Ich spulte zurück, versuchte die Stelle zu erwischen und schließlich gelang es mir.

Geknebelt, gefesselt und verwundet saß er da.

Calare. Izzy's Vater. Er war in der Gewalt meiner Familie.

K I N G × Geliebter Feind Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt