1.3 - Die Party

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Mit gefälschter Einladung, dunkelgrauem Anzug und falscher Brille bewegte er sich unter den Gästen der Party, die sich als Großveranstaltung entpuppt hatte. Die Villa samt Garten war stimmig in Szene gesetzt worden: Feuerkörbe würden Feuchtigkeit und Kühle, die zu dieser Jahreszeit den Abend immer stärker heimsuchten, vertreiben. Die Gäste, die sich um die Körbe scharten, erinnerten ihn trotzdem ein wenig an frierende Menschen, die sich um eine brennende Öltonne drängten. Er würde sich garantiert nicht dazu stellen, denn er hasste Feuer.

Absurd große Sträuße herbstfarbener Lilien begrüßten die Gäste gleich im Eingangsbereich mit ihrem intensiven Duft und verteilten ihre gelben Pollen auf den makellos gemangelten weißen Tischtüchern, die die einzelnen Tische und die langen Tafeln des Buffets bedeckten. Abendgarderobe schien kein Muss zu sein, doch die meisten Gäste hatten die Chance genutzt und hatten ihre Kleiderschränke geplündert. Zutage gekommen waren seit einigen Jahren aus der Mode gekommene Zusammenstellungen, die in ihrer Gesamtheit das Fest ein bisschen weniger förmlich wirken ließen.

Die Frau, derentwegen er hier war, hatte sich in ein todschickes zart lilafarbenes langes Kleid geworfen, das mit der hellen Haut und den offenen rotgoldenen Haaren äußerst anziehend wirkte. Sie war ein elfenhafter Hingucker und nach seiner Einschätzung wusste sie das auch. Eine Spur von Bedauern mischte in seine Gedanken. Er hatte nichts gegen sie persönlich - aber wenn sie eine von diesen Begabten war, gehörte sie nicht auf diese Welt.

Er nippte an seinem Ginger Ale. Nüchternheit war oberstes Prinzip, er durfte sich Unkonzentriertheit nicht leisten. Etwas kitzelte ihn in der Nase und er musste niesen, mehrfach hintereinander und so heftig, dass ihm sein Ginger Ale beinahe aus dem Glas schwappte. Er fluchte leise, warf den Lilien, die ihren schweren Duft in der Wärme des Raumes mit all den Gästen flächendeckend verbreitet hatten, einen finsteren Blick zu und hörte es hinter ihm ebenfalls niesen.

»Blöde Blumen!«, murrte die Stimme einer Frau hinter ihm. Als Brandon sich halb umdrehte, erblickte er nur einen hellbraunen Schopf Haare, die kunstvoll nachlässig zu einem aufgesteckten Etwas zusammengebaut worden waren. Die Frau kramte in ihrer Handtasche, schimpfte vor sich hin und fand endlich, was sie gesucht hatte - Taschentücher. Ohne hochzusehen pfriemelte sie eines heraus, schnäuzte sich geräuschvoll und verfluchte die Lilien erneut.

»Fehlen nur noch Hyazinthen!«, murmelte sie, »was ein Glück haben wir dafür die falsche Jahreszeit!«

Brandon brummte zustimmend, taxierte sie blitzschnell und spürte, wie ein nervöses Kribbeln über seinen Nacken zog, als er erkannte, auf wen er da getroffen war - die Freundin seiner Zielperson, die große Brünette, die ihm schon nachmittags im Café aufgefallen war.

»Hey!«, murmelte sie und sah hoch - und ihm stockte kurz der Atem. Grüne Augen, oder blaue, oder beides, für einen Moment konnte er die Farbe nicht zuordnen und er hätte schwören können, dass sie je nach Lichteinfall unterschiedlich schimmerten. Vielleicht spielte ihm sein Kopf auch nur einen Streich.

Sie schien etwas sagen zu wollen, öffnete leicht den Mund und schien nach Worten zu suchen - als sei auch sie irritiert. Hatte sie ihn erkannt? Fragte sie sich just, was der Typ aus dem Café hier zu suchen hatte? Notfalls musste es eben zwei Tote an diesem Abend geben.

Sie sah ihn fragend an, als warte sie auf etwas, und schließlich wurde Brandon klar, dass sie ihn längst etwas gefragt hatte.

»Bitte?«, murmelte er, hoffte, dass sie ihn nicht fragen würde, ob sie sich heute schon einmal gesehen hatten und fühlte sich mit einem Mal schwindelig. Das Blut schien sich aus seinem Hirn zu verabschieden. Im Zeitraffer jagten vor seinem inneren Auge Bilder vorbei mit Dingen, die diese vollen roten Lippen tun konnten und er schluckte mühsam.

Blutsilber - Die Zeichnung der FeuerträumerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt