Der Morgen war wie ein Kampf, dabei konnte Schmutzpfote noch nicht einmal kämpfen. Grelles Licht fiel durch die Spalten des Efeuvorhangs und blendeten ihre zusammengekniffenen Augen, die sie sowieso kaum offen halten konnte. So sehr sie das Treffen mit Graupfote genossen hatte, so sehr verfluchte sie sich nun, dass sie nicht früher nach Hause und schlafen gegangen war.
Als sie sich aufrappelte hatte sie das Gefühl, ihre Gelenke knarzen zu hören, aber sie wurde schnell von einer aufgeregt in den Bau stürmenden Himmelspfote abgelenkt.
"Schmutzpfote, das musst du dir ansehen! Komm schnell!", miaute die weiße Kätzin hastig und versuchte, Schmutzpfote aus ihrem Nest zu bekommen. Die braun getigerte Schülerin gähnte weit und trat dann wackelig vor den Bau. Eisige Luft umströmte ihre Lefzen und ließ sie sofort frösteln.
"Was ist denn, Himmelspfote? Es ist doch noch so früh", jammerte Schmutzpfote mit halb geschlossenen Augen, bis ihr der Tumult auffiel, der sich um die Kinderstube und den Wall gebildet hatte.
Mit einem Mal war sie ganz wach und blickte erschrocken zum Lagerwall.
Ich habe vergessen, das Loch zu schließen!
Die Erkenntnis ihres Fehlers traf sie siedend heiß, fast alle Krieger hatten sich um das Loch geschart und betrachteten es eingehend. Zögerlich ließ sich Schmutzpfote von ihrer Schwester mitschleppen, am liebsten wäre sie wieder umgedreht und in ihr Nest zurückgekehrt. Was wenn die Krieger schon wussten, dass sie es gewesen war? Sie würden sie ausfragen und so schlecht wie sie darin war, zu lügen, würden sie ihr ganz schnell auf die Schliche kommen.
Mit eingezogenem Kopf lugte Schmutzpfote an ihrem Vater vorbei zu Gelbschweif und Moosschwinge, die das Loch inspizierten. Der Schlamm, den sie in der Nacht weggeschoben hatte, war teilweise wieder hinuntergeflossen und die Zweige waren durch das Fehlen der stützenden Erde ein Stück in die Grube hinabgesunken.
"Könnte ein Marder gewesen sein, vielleicht auch ein Fuchs, wenn wir Pech haben", murmelte Moosschwinge, die angestrengt schnupperte. "Aber ich kann nichts riechen, dieser verfluchte Morgentau verdeckt alle Geruchsspuren."
Ein Raunen ging durch die Menge und leises Geflüster erhob sich unter den SumpfClan-Katzen. Eine kleine Welle der Erleichterung wogte über Schmutzpfote hinweg. Sie würde sich nie wieder über Morgentau beschweren.
"Wir können von Glück reden, dass was auch immer hier eingedrungen ist, es nicht in die Kinderstube geschafft oder andere Katzen angegriffen hat. Aber wir dürfen dieses Glück nicht herausfordern. Rußnarbe, Libellenflügel, Flügelpfote und Schwanenpfote, ihr geht los und besorgt neues Material, damit wir den Wall verstärken können", befahl die Zweite Anführerin und ließ ihren Blick über die Katzenmenge schweifen. "Regentropfen und Gelbschweif, ihr helft mir, das Loch zu stopfen und die Kinderstubenwände zu stärken. Der Rest geht seiner üblichen Arbeit nach, aber seid vorsichtig. Wir wissen nicht, wie weit dieser Eindringling letzte Nacht gekommen ist, er könnte noch in der Nähe sein." Damit drehte sich die goldene Kätzin um und machte sich daran, den Schlamm wieder zurück in das Loch zu füllen.
Schmutzpfote stieß erleichtert die Luft aus, von der sie nicht bemerkt hatte, dass sie sie angehalten hatte. Himmelspfote, die mit weit aufgerissenen, hellblauen Augen neben ihr stand beobachtete das Geschehen sehr viel begeisterter, als gut für sie war.
"Ist das nicht unglaublich? Ein Fuchs in unserem Lager, einfach so! Ich wünschte, ich hätte Wache gehalten, ich hätte dieses Ding so fertig gemacht!", prahlte die weiße Schülerin und begann schon damit, mit den Pfoten in der Luft herumzufuchteln.
In Schmutzpfote machte sich jedoch ein schlechtes Gewissen breit. Ob Kastanienfall nun fürchtete, angegriffen zu werden, wenn sie schlief? Und die Libellenflügel und die anderen hatten jetzt nur wegen ihr mehr Arbeit. Zweifelnd biss sie sich auf die Lippe.
"Hallo! Schmutzpfote, du hörst mir ja gar nicht zu!", unterbrach Himmelspfote ihre Gedanken und schob beleidigt die Unterlippe vor.
"Tut mir leid", beschwichtigte Schmutzpfote sie schnell und suchte hektisch nach einer schnellen und einfachen Entschuldigung. "Es ist nur so, dass ich in der Nacht am Schmutzplatz war und mich gefragt habe, ob der Eindringling mir etwas hätte antun können."
Immerhin war nich alles davon gelogen.
"Achso. Mach dir keine Sorgen, wenn dich etwas angegriffen hatte, dann hätte Leopardenschweif sofort Alarm geschlagen und wir hätten dich gerettet", beteurte die weiße Kätzin und schmiegte sich an Schmutzpfotes Schulter. Es tat weh, sie anlügen zu müssen, auch wenn es nur wegen so einem Mäusedreck war.
Doch auf einmal wurden die beiden von einem verhaltenen Räuspern unterbrochen. Sonnenstrahl. Seine goldenen Augen blickten resigniert auf Schmutzpfote und ihre Schwester herab und ließ einen kühlen Schauer über den Rücken der getigerten Kätzin laufen.
"Ich unterbreche euer Kuscheln ja nur ungern, aber wenn ich mich recht errinnere habt ihr die Anweisung bekommen, eurer Arbeit nachzugehen." Die Stimme des Katers war so frostig wie die Luft, da war nichts mehr von dem warmen Glügen in seinen Augen, das Schmutzpfote während ihrer Kletterlektion gesehen hatte.
Entschuldigend blickte die Schülerin zu Himmelspfote, leckte ihr schnell über die Wange und beeilte sich, unter Sonnenstrahls strengem Blick, zum Ältestenbau zu kommen. Obwohl es bei Eichenglut un Aschenweide stickig war, war es doch viel besser, als im Wind zu frieren.
Schmutzpfote kribbelte es unter dem Pelz, als sie unter den Ranken hindurch in den Bau schlüpfte. Eichenglut und seine Baugefährin waren beide da, aber Aschenweide schlief noch. Der braun-weiß gefleckte Kater hingegen begrüßte sie schnurrend.
"Da bist du ja, ich dachte schon, Sonnenstrahl hat dich wieder rausgelassen", miaute ihr der alte Kater entgegen.
"Haha. Das wird in nächster Zeit sicher nicht passieren", seufzte Schmutzpfote und ließ ihre Ohren hängen. Ganz bestimmt warteten noch viele Ältesten-bezogene Aufgaben auf sie, bevor sie ihr Training wieder aufnehmen durfte. "Ich verstehe einfach nicht, wieso er so streng sein muss! Ich wollte nur meine erste Beute machen, damit er stolz auf mich ist..."
Eichenglut wischte ihr mit dem Schweif über das zerzauste Wangenfell.
"Du wirst das schon schaffen, Schmutzpfote. Immerhin hast du mein Blut in dir, das macht dich zu einem Kämpfer", maunzte der Kater tröstend. "Ich weiß nicht, warum Sonnenstrahl sich so verhält. Aber ich weiß, dass es dich nicht aufhalten darf, die beste Kriegerin zu werden, die du sein kannst, in Ordnung?"
Eichengluts Schweif drückte ihr herabgesunkenes Kinn nach oben, sodass Schmutzpfote gezwungen war, in die leuchtend gelben Augen des Ältesten zu schauen. Sie waren so gelb wie ihre.
"In Ordnung Eichenglut", murmelte die Schülerin. Er hatte ja Recht, aber gerade schien sie alles ein wenig herunterzuziehen.
"Gut so. Ich werde mir jetzt ein bisschen Beute holen, und in der Zeit kannst du mein Nest etwas mehr aufpolstern, es ist mir zu kalt in der Nacht", miaute der Älteste dann locker und erhob sich. Offenbar hatten die Gänseblümchenblätter gewirkt, die Ottersee ihm verabreicht hatte, denn er bewegte sich viel flüssiger und ohne Ächzen.
Schmutzpfote blieb etwas verdattert und stumm zurück. Eicenglut wusste wirklich nicht, wie man ein einfühlsames Gespräch taktvoll beendete. Seufzend machte sie sich an die Arbeit, mehr Moos in sein Nest zu stopfen, wobei sich ihre Pfoten immer wieder verharkten, weil sie ihre Krallen wütend ausgefahren hatte.
Dummer Sonnenstrahl! Dummes Nest!
Sie nahm nicht wahr, wie sich in ihrem Augenwinkel etwas bewegte. Es war still, bis auf das Rascheln ihrer eigenen Tatzen im Moos und ihr Schweif, der zornig hin und her peitschte.
Doch dann hielt sie inne. Sie fühlte, wie ein Blick auf ihr ruhte.
"Eichenglut mag nicht wissen, wieso Sonnenstrahl so ist. Aber ein paar andere wissen es sehr gut."
Schmutzpfote erstarrte. Eine freme Stimme. Rau und kantig, wie bröckeliger Stein. Als hätte ihr Besitzer zu viel Rauch eingeatmet.
Langsam wandte Schmutzpfote sich um, in die Richtung, aus der die Worte gekommen waren. Ihre Augen wurden groß, als sie sah, wer da gesprochen hatte.
"ja, einige wissen es. Alle anderen haben es vergessen", krächzte die Stimme.
Die Stimme der stummen Kätzin Aschenweide.
DU LIEST GERADE
WarriorCats-Das Geheimnis der Sonne
Fanfiction"Die Blüte der Blattleere und das trauernde Wasser hüten das Geheimnis der Sonne" Eine uralte Prophezeihung, die Rettung verspricht. Rettung vor einer Finsternis, die nie gekommen ist. Die Katzen des SeeClans und des SumpfClans haben die Nachricht i...