Sun [29]

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"Es ist komisch, wie dein Herz brennt und brennt und brennt, bis es dann urplötzlich zu Eis erstarrt."
Seungmin blickte von seinem Buch auf und sah zu dem Dämonen hinüber, der mit ihm auf dem Balkon saß und das Wetter genoss. Die Sonne strahlte in ihrer Unbarmherzigkeit auf sie nieder, doch unter ihrer Markise hatten sie es schattig. Für den Seraphim war dieser Platz ein Rückzugsort, ein Ort, wo die abscheulichen, grässlichsten und schändlichen Gräueltaten ihrer Arbeit nicht hinkamen. Auch wenn sie es versuchen sollten. Seungmin hatte mit seiner Magie eine Barriere erschaffen, die niemand, der nicht er selbst war, durchdringen konnte. Einerseits ein ziemlich paranoides Verhalten, andererseits genau das, was Bang Chan brauchte. Sicherheit. Das, was er all die Jahre, welche er mit Matthew zusammen war nicht haben konnte. Der Braunhaarige hatte es sich zur Aufgabe gemacht, dem Älteren wieder zu zeigen, wie schön das Leben trotz aller Widrigkeiten, Tode, Verluste, Schmerzen und Leid sein konnte. Wie strahlend hell die Tage waren, wenn man nur daran glaubte. Natürlich konnte jeder jetzt sagen, dass Seungmin aus seiner naiven Blase erwachen sollte, aber das war sie nicht. Er glaubte ehrlicherweise daran, und seine Tage waren dadurch deutlich besser.
"Manchmal habe ich Angst, dass er zurückkommt, um das zu beenden, was er vor langer Zeit nicht konnte."
Seungmin legte sein Buch weg und besah sich die Gestalt des Älteren. Bis heute kannte der Seraphim nicht einmal ansatzweise das Leid, welches Chan tagtäglich erdulden musste mit einem masochistischen Dämonen als Ehemanm.
"Es ist okay, wenn du Angst hast, solange du weißt, dass sie nicht immer der Realität entspricht."
Der Blonde nickte, doch die Angst in seinen Augen wich nicht einen Zentimeter. Und das machte dem Jüngeren zu schaffen, weil er keine Ahnung hatte, wie er dem Größeren helfen konnte. Sie waren eine Zwei-Mann- Armee gegen die Welt, aber es gab Momente, in denen sich der Dämon zurückzog. In sein Innerstes, wo der Braunhaarige keinen Zugang hatte. Das Rascheln von Chans Flügeln zerrte ihn wieder in die Realität, als er beobachtete, wie der Blonde sich erhob und streckte. Mit seinen muskulösen Händen stützte er sich an dem Geländer ab und wandte seinen Blick über die Häuser der Nachbarn.
"In jener Nacht, als ich dachte, Matthew würde mich tatsächlich umbringen, habe ich mir gewünscht, dass ich da heil rauskomme, dass ich eine zweite Chance verdiene, um zu leben", murmelte Chan, wobei seine Stimme einem Hauchen glich. Seungmin zuckte zusammen, als hätte man ihm eine Backpfeife erteilt. Dieser unterschwellige Schmerz in seinem Ton erreichte das Herz des Seraphim und wollte es in Stücke sprengen.
"Und ich habe es geschafft. Ich lebe noch, aber irgendwie lebe ich nicht. Verstehst du, was ich meine?", fragte der Blonde hoffnungsvoll und wirbelte zu ihm herum. Seungmin sah in seine jadegrünen Iriden, die wie das Meer funkelten und nickte.
"Ja, ja, ich verstehe dich."
"Es ist jeden Tag das Gleiche, ich wache auf, gehe Joggen, wir frühstücken und dann geht es zur Arbeit um weitere Monster, die nicht in meinem Kopf leben, die real sind, wie Matthew, zu bekämpfen. Und ich kann nicht mehr....ich möchte leben, so viele Dinge erleben und doch gar nichts tun, weil dieser tagtägliche Kampf gegen die Gedanken einfach nur ermüdend ist."
Seungmin hatte das Gefühl der Ältere sei an einem völlig anderen Ort, nicht hier, nicht bei ihm. Und zum ersten Mal seit sehr langer Zeit hatte der Seraphim das Gefühl, Chan sei unerreichbar für ihn. Es fühlte sich an, als wäre der Blonde meilenweit entfernt, noch dazu unter einer riesen Decke Stahl versteckt, sodass er zusätzlich an die Entfernung niemals zu ihm durchdringen konnte. Und Seungmin merkte, dass egal, was er sagen würde, Chan niemals verstand, wie er es meinte. Es war nicht seine Schuld, es war auch nicht die Schuld des Seraphim. Es war einfach die Last des Traumas, welches auf ihm lag.
"Im Laufe der Zeit, der Jahre, der Jahrzehnte habe ich mich verloren. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin", murmelte der Größere und senkte den Kopf in seine Arme. Das leichte Beben seiner Schultern entging dem Braunhaarige nicht. Also entschloss er sich kurzum die Entfernung zwischen sich zu Minimierung und den Dämon dazu zu zwingen ihn in eine Umarmung zu schließen.
"Du bist Bang Chan, ein großartiger Detective, ein fantastischer Freund und noch besserer Zuhörer. Du bist so viel mehr, als du glaubst, vor allem für mich. Du bist stark und wenn du das Gegenteil denkst, dann bist du bescheuert! Hast du dir mal deine Unterarme angesehen? Da fängt jedes Wesen an zu sabbern!"
Chan errötete und wollte etwas erwidern, doch Seungmin ließ ihn nicht zu Wort kommen.
"Wer hat diese unerschöpflich Ruhe, wenn es um Zeugenbefragungen geht? Du! Wer ist sich nicht überdrüssig manche Leute nochmal und nochmal, oder hundert Mal zu fragen? Du! Wer denkt stets mehr an die anderen als an sich selbst? Du! Wer macht hervorragendes Curry, dass einem das Wasser im Mund zusammenläuft? Huh?", sagte Seungmin und drehte den Kopf von Chan in seine Richtung.
"Ich kann dich nicht hören!", grinste er und sah die Mundwinkel seines Gegenübers verräterisch Zucken.
Nachdem der Blonde seinen eigenen Namen gesagt hatte, seufzte Seungmin zufrieden und stieß dem Dämonen seinen Ellbogen in die Seite.
"Weißt du, wo ich das erste Mal von dir gehört habe? Damals warst du noch bei der Straßenpolizei. Ein Haus brannte und eine Großmutter steckte darin fest und du hast sie, ohne zu zögern, ohne Rücksichtnahme auf deine Flügel, gerettet."
Das Flügelpaar eines Dämonen und die der Drachen waren wesentlich hitzeempfindlicher, als die der Seraphim. Normalerweise sollten Dämonen, die entweder bei Bränden oder bei der Feuerwehr erwerbstätig waren, stets ein bestimmtes Schutzmittel auftragen, sodass dem entgegen gewirkt werden konnte. Doch damals hatte Chan einfach reagiert. Sich und sein Wohlergehen nach hinten gestellt, um einer Großnutter das Leben zu retten.
"Die alte Leier kanntest du? Ich dachte eigentlich meine anderen heroischen Taten würden dir mehr zusagen."
Das Lachen des Blonden erfüllte ihn und mit einem Mal überkam Seungmin das Gefühl von Melancholie. Er wusste nicht, was in ihn gefahren war, aber er verspürte das Bedürfnis zu weinen. Denn so wie Chan mit ihm sprach, würden sie wahrscheinlich nie mehr als Freunde sein, nie mehr als Mitbewohner und Arbeitskollegen.
Also schmiss er all seine Vernunft über Board und sprach das aus, was seit Jahren auf seiner Seele lastete.
"Ich kannte dich, vom Hörensagen. Und irgendwie habe ich dich geliebt, bevor ich dich jemals zu Gesicht bekam. Und dann bin ich zur Polizei gegangen, in der Hoffnung, wir würden uns irgendwann begegnen. Letztendlich hat es ja geklappt, oder? Wir gehören zum selben Team und teilen uns eine Wohnung. Es klingt ironisch, nicht wahr? Beinahe wie in einem Märchen."
Er machte eine Pause um zittrig Luft zu holen. Der Seraphim achtete nicht auf Chans Gesichtsausdruck, sondern redete zum Himmel hinauf, zur Sonne und zum Leben.
"Ich liebe dich, Bang Chan, seit jenem Moment, wo ich von dir gehört habe."
Und dann lachte Seungmin mit Tränen in den Augen und er hasste sich für die Idee, dass es vielleicht hätte funktionieren können. Doch es war Chan, dessen Hände sich um sein Gesicht schlossen, die Tränen beiseite wischte und ihre Lippen verband, als würde es kein Morgen geben.
"Ich glaube, wir sind nicht das, was wir auf dem Weg hierhin verloren haben, sondern viel mehr all das, was wir fanden, ohne danach zu suchen. Und du hast mich gefunden."

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Guten Abend, meine lieben Leser und Leserinnen! Was für ein Tag, am liebsten würde ich hinschmeißen. Eigentlich wollte ich heute zu meinen Eltern nach Hause fahren, da wir uns jetzt schon eine längere Zeit und auch aufgrund der Covid Infektion nicht gesehen haben. Aber! Mein Auto hat nein gesagt. Ich bin losgefahren und auf einmal leuchtete eine rote Lampe auf. Ich, in voller Panik, mit den Nerven am Ende, versuche meinen Papa zu erreichen. Der sagt mir, ich solle nicht die ganze Strecke fahren, sondern mir in Potsdam eine A.T.U Werkstatt suchen. Ich total am Heulen, keine Ahnung, wie und wo ich wenden sollte, habe dann irgendwann A.T.U gefunden. Der Typ von der Werkstatt meinte, heute könne ich nicht mehr dran kommen, aber solange das Auto nicht knackt, knarzt, rumpelt oder brummt, sei alles in Ordnung.
Ich bin nicht nach Hause gefahren.
Emotional war ich ein totales Wrack.
Ich fühle mich immer noch elend und aufgewühlt und unwohl.

So, da ich nun meinen Frust abgelassen habe, kommen wir zu den schöneren Dingen und zwar der Story! 🌿

Was haltet Ihr von dem Kapitel? Ich liebe diese Offenheit und Ehrlichkeit der beiden, auch wenn Chan noch nicht über sein Trauma reden kann, so gibt es doch Momente, wo er anfängt damit. 💮

Eine Frage hätte ich an Euch, welches Ship findet Ihr, meine Leser, aus dieser Geschichte und aus den vorherigen, besser? Hier ist es ja so, dass ich SeungChan zum ersten Mal eine Chance gebe, während es in den vorherigen Storys stets JeongChan als eines der Sidepairs war.🌼

Die liebe StaryKidss hat mir bei diesem Kapiel mit einem kleinen Zitat unter die Arme gegriffen. Und zwar das, was Seungmin über die Angst sagt.
"Es ist okay, wenn du Angst hast, solange du weißt, dass sie nicht immer der Realität entspricht"
Und ich liebe es! Vielen vielen Dank ❤️

Feel free to comment!

Erin🌸

Children Songs {ChangLix}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt