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„Luna passt immer auf euch auf.“

Die zwei Mädchen kicherten. Das eine stupste die andere an. „Die Mondfrau heißt ja wie du, Lu!“ Ihre dunklen Haare standen in starken Kontrast zu den hellblonden Zöpfen der anderen. Lu nahm ihre Hand.
„Wir sind Mond & Stern, Stell.“

.

Hinter dem Tresen des kleinen Cafés stand eine junge, dunkelhaarige Frau und träumte. Stella Rossi war tief in Gedanken versunken. Ihr Blick huschte immer wieder zum Friedhofstor, das gerade so in Ihrer Sichtweite lag. Hinter dem Tor gleich links lagen zwei Grabsteine, ein großer und ein kleinerer. Sie waren aus hellem Stein und mit goldenen Sternen und Monden verziert. Auch die Inschriften waren golden. Die junge Frau hatte sie selbst ausgesucht.

Luna Rossi
24 September -18. April
Tochter-Schwester-Mutter
[...] und doch bist du immer
bei uns.

Thalia Rossi
18.April
Tochter-Nichte-Schwester
-unsere dritte Grazie
für immer unvergessen.

Es war fast drei Jahre her, seit diese Steine errichtet wurden, fast drei Jahre seit sie zusammen mit ihrer Schwester ins Krankenhaus aufgebrochen war, damals noch voller Vorfreude.
Bei der Geburt ging etwas schief. Kein Arzt der Welt hätte sie oder ihre dritte Tochter noch retten können.
Statt mit ihrer Schwester zu feiern, hatte die junge Frau sich um die Steine kümmern müssen.
Statt stolze Tante zu werden, verlor sie ihre Schwester und musste Lunas Rolle für die zwei anderen Mädchen ausfüllen.

Drei Mädchen, die Frau lächelte. In dem Moment, in dem ihre Schwester das erfahren hatte, begann Luna Rossi ihre Töchter als Grazien zu bezeichnen. Thalia - die Blühende. Aglaia - die Strahlende. Und Euphrosyne, die Frohsinnige. Letztenendlich trug nur Thalia einer dieser Namen.
Aber auch die anderen beiden hatten geholfen. Geholfen, Namen für die zwei Mädchen zu finden, für die sie mehr eine Mutter als eine Tante sein würde.
Chiara - die Strahlende. Laetitia - die Fröhliche.
Beide so blond, wie ihre Mutter es gewesen war. Sie waren Stellas Grund gewesen zu kämpfen, nicht aufzugeben.

Die junge Frau sah sich im Café um, in ihrem Café. Sie hatte es erst seit zwei Jahren und es war bereits über die Stadtgrenzen hinaus als Zufluchtsort bekannt. Ein Ort, an den die Menschen kommen konnten, um Hilfe und Unterstützung zu suchen, um zu reden oder auch einfach nur eine Tasse Tee zu trinken. Für sie alle war klar, hier wurde nicht geurteilt, hier wurde geholfen, unterstützt. Egal wer man war.
Der Laden mit den großen blauen Lettern über der Tür nahm sie alle auf.
Stella hatte einen Traum wahr gemacht, den sie und ihre Schwester seit Kindheitstagen gehegt hatten. Und auch wenn Luna nicht mehr dabei sein konnte, vergessen wurde sie nie.
Die blauen Wörter auf dem Schild an der Wand, das man schon von Weitem sah, waren 'Bella Luna'.
Ein wehmütiger Ausdruck schlich sich bei diesem Gedanken auf Stellas Gesicht. Außer den zwei Wörtern war die Fassade mit gemalten Monden und Sternen überseht, die der allgegenwärtige Frühlingsnebel umstreicht, als wollte er sie liebkosen.
Mond und Sterne.
Es war das Lieblingsdetail Chiaras und Laetitias.

Bald würde sie ihnen die ganze Geschichte erzählen, über Mond und Stern, zwei kleine Mädchen und die Frau, die ihre Mutter gewesen war.
Bald. Sobald sie die Worte gefunden hatte. Nur eines war sicher, sie würde mit den gleichen Worten enden wie ihre Mutter einst, selbst wenn sie für diese zwei Mädchen etwas anderes bedeuteten.

„Luna passt immer auf euch auf.“

sweet_predator

554 Wörter

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 04, 2022 ⏰

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