„Willkommen in Crumbleton – Heimat des Crumble-Müslis"
Daniel nahm den Fuß vom Gas und fuhr seinen Ford Focus hinter dem Ortseingangsschild rechts ran. Kein Problem auf dieser Überlandstraße, denn anscheinend war er der einzige Verkehrsteilnehmer. Die Sonne stand fast im Zenit, ein frischer Aprilwind wirbelte erste Gräserpollen auf, es waren die allergenen Vorboten des Sommers.
„Was ist los, warum halten wir an Bubl?"
Phillis McDonald ließ die Klappgläser ihrer Sonnenbrille nach oben schnellen und musterte ihren Sohnemann skeptisch. Die Laune der rüstigen Seniorin verschlechterte sich mit jeder Meile, die sie zurücklegten. Es begann mit Schmerzen in der Leistengegend, die bekam sie immer, wenn sie zu lange sitzen musste. Mit regelmäßigen Pausen zum Beine vertreten konnte sie diesem Problem entgegenwirken. Gegen die trockene Luft im Wagen half nur eine Menge Trinken und gelegentlich ein Eukalyptus-Bonbon. Das führte aber unweigerlich dazu, dass sich ihre Blase füllte und das wiederum konnte in einem so abgelegenen Landstrich wie diesem schnell zu einem Problem werden. Denn im Gegensatz zu ihrem Sohn konnte sie nicht einfach mal hintern Busch hüpfen und die letzte Tankstelle lag schon wieder zwanzig Meilen zurück. Sie hatte genug von der stundenlangen Fahrt und wollte endlich ins Hotel.
„Gib mir mal die Karte", bat Daniel und deutete auf das Handschuhfach.
„Du hast dich verfahren", konstatierte Phillis mürrisch. Statt der Bitte ihres Sohnes nachzukommen, machte sie sich am Gurt zu Schaffen.
„Hab ich nicht. Mom, die Karte."
„Du hättest eben doch den Tankwart fragen sollen. Aber nein, das ist dem Herrn Sheriff ja zu peinlich."
Sie öffnete die Beifahrertür und stieg aus dem Wagen, um die Blutzirkulation in ihren Beinen wieder anzuregen. Und um die weiten Felder und Wälder am Horizont nach einer Stadt abzusuchen. Daniel seufzte und öffnete selbst das Handschuhfach. Seine Glock 17, eine Selbstladepistole, die er für polizeiliche Dienstzwecke mit sich führte, purzelte auf den Beifahrersitz. Kurz durchfuhr den fünfunddreißigjährigen Hilfssheriff ein Schauer. Wenn die Waffe auf dem Schoß seiner Mutter gelandet wäre, hätte er sich wieder was anhören können. So gesehen war es ganz gut, dass sie schon wieder draußen auf der Straße herumstakste und ihre steifen Gelenke dehnte.
Daniel schob die Waffe zurück ins Handschuhfach und griff nach der Landkarte. Sie waren schon ungefähr einhundert Meilen nordöstlich von Little Rock und wenn er sich nicht irrte immer noch in Arkansas. Allerdings war der Ort Crumbleton nicht in seiner Karte verzeichnet. Den Informationen seines Chefs zufolge war das County erst vor wenigen Jahren neu definiert worden, wegen der überregionalen Wichtigkeit dieser Müsli-Firma, die hier ansässig war. Aber wie sollte Daniel das Hotel finden, wenn nicht einmal der Ort in seiner veralteten Karte eingetragen war? Er war so vertieft ins Studieren des Straßennetzes, dass er das Rattern eines Traktors zu spät wahrnahm. Seine Mutter hatte dessen Fahrer bereits angehalten. Daniel konnte im Rückspiegel erkennen, wie sie ihn in ihrer überschwänglichen Art zutextete.
„Er hat sich verfahren, aber er schämt sich, nach dem Weg zu fragen. Ich weiß einfach nicht, was ich bei seiner Erziehung falsch gemacht habe..."
„Mom, was soll denn das?", Daniel mühte sich selbst aus dem Auto und nahm seine Mom am Handgelenk, „Komm zurück in den Wagen!"
Der alte Farmer beobachtete die beiden skeptisch und kaute dabei Kautabak. Daniel nickte ihm zu und murmelte eine Entschuldigung.
Der Alte nahm seine Mütze ab und offenbarte eine sonnengebräunte Halbglatze.
„Wo soll's denn hingehn, Officer?"
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Southern Comfort
HumorDaniel Knox ist ein pedantischer Kontrollfreak und karrieretechnisch auf dem Weg nach oben. Nachdem er zum Sheriff der Kleinstadt Crumbleton befördert wird, muss er plötzlich für die Sicherheit einer ganzen Gemeinde sorgen. Mit seinen eher unkonvent...