Die Tür öffnete sich langsam und Avessa holte aus, als sich ein kleiner Kopf um die Ecke schob. Die tellergroßen Augen weiteten sich entsetzt und ein ängstliches Piepsen erklang. „Oh, Miss Vessa! Oh, bitte schlagen Sie Dobby nicht. Es ist nur Dobby, Miss." Die schrille Stimme des Hauselfen überschlug sich fast, während er abwehrend die Hände hob und Avessa stoppte im letzten Moment ihre Abwärtsbewegung. Der Krug entglitt dabei dennoch ihren Händen und fiel zu Boden, wo er mit einem lauten Schellen zerbarst. Wasser spritze umher und nässte ihre Strumpfhose, doch achtete die Gryffindor nicht darauf.
Sie atmete flach und ihre grauen Augen waren hell und starr auf den Hauselfen gerichtet. „Dobby!", keuchte sie und ihr Blick huschte zur offenen Tür, die der Hauself mit einem leidenden Gesichtsausdruck versperrte. „Es tut mir leid, Miss, aber Dobby darf Sie nicht hinauslassen.", piepste er entschuldigend und seine Ohren hingen schlaff herab. Dieser erbarmungswürdige Ausdruck ließ die Anspannung aus Avessa weichen und mit einem resignierten Seufzen ließ sie sich zurück auf die Pritsche sinken.
„Ich weiß, Dobby...oder – ich habe es mir zumindest gedacht. Aber dass du hier bist, sagt mir, wo ich bin." Dobby strahlte starkes Mitgefühl aus und stellte das Tablett, welches Avessa erst jetzt entdeckte, vom Boden auf das kleine Tischchen, ihr dabei vorsichtige Blicke zuwerfend. Sie sah ihn eindringlich an. „Ich bin doch im Malfoy Manor, oder, Dobby?" Der kleine Hauself wand sich ein wenig, nickte dann aber. „Meister ist nicht da und Freund von Meister hat Dobby nicht verboten, Miss Vessa etwas zu sagen. Er sagte, Dobby soll sich gut um Miss Vessa kümmern."
Avessa schnaubte verbittert und sah auf ihre leicht zittrigen Hände. Sie fühlte sich verschwitzt und unwohl, da sie es hasste, sich nicht frisch machen zu können. Dann aber schüttelte sie über sich den Kopf. Das war wohl gerade ihre geringste Sorge. „Um mich kümmern...natürlich. Als ob er sich sorgen würde...", murmelte sie und Dobbys Augen wurden noch größer. „Oh, das tut er, Miss Vessa. Er hat Dobby gesagt, wenn Dobby nicht gut auf die junge Miss aufpasst, bekommt Dobby Ärger."
Erneut schnaubte Avessa undamenhaft und sah dann zu dem Hauselfen. „Natürlich. Es soll mir ja nichts passieren bis..." Ja. Bis wann eigentlich? Avessa wurde kalt, als ihr klar wurde, dass ein Treffen mit dem Dunklen Lord kurz bevorstehen könnte. Wollten sie sie tatsächlich ihm persönlich... vorstellen? Mach dich nicht lächerlich! Nicht du bist wichtig, nur die Informationen, die du in dir trägst. Und sie sind unglücklicherweise signifikant wichtig für ihn. Ihre Gedanken gingen zur Oktobernacht, die für die Zaubererwelt und besonders für Harry und seine Familie alles verändert hatte. Lily. Trauer durchfuhr sie. James. Es war, als habe ihr jemand in den Magen geschlagen, als sie daran dachte, dass dieser wundervolle lebenslustige Mensch, der sie so sehr an die Zwillinge erinnerte, sterben sollte. Sirius...
Tränen stiegen ihr in die Augen und Panik ergriff sie. Sie hatte NICHTS getan, ihnen zu helfen! NICHTS, das Schicksal eventuell doch noch abzuwenden! Sie hätte es Dumbledore sagen müssen! Sie hätte... Sie hätten es eh vergessen, du Dummerchen. Der Zauber hätte ihnen jegliche Erinnerung an dich und das, was du gesagt hast, genommen. Unbewusst spielten ihre Finger mit der Kette und ihren vier Anhängern, während ihre Gedanken rasten. Natürlich hätten sie sie vergessen, aber...Dumbledore doch nicht...oder? Zudem hätte sie mehr in das Märchenbuch schreiben können! Mit Schrift, die eben erst...keine Ahnung, einen Monat davor sichtbar wird! Aufschreiben! Verflucht! Sirius einen Brief schreiben, ihm sagen, dass er ihn so verstecken muss, dass er ihn auch wiederfindet, wenn er nicht mehr weiß, dass sie da war und ihn geschrieben hat...
So vieles fiel ihr nun ein, was sie hätte tun können...zu spät. Sie würde hier nicht mehr wegkommen. Oder? Ihr Blick ging zu dem Elfen, der sie voller Mitgefühl betrachtet, sie aber in ihren Gedanken hatte ruhen lassen und der nun ein wenig erschrocken wirkte, ob des lauernden Blickes der jungen Gryffindor. „Dobby....?", sagte sie gedehnt und freundlich und der Elf trat unwillkürlich einen Schritt zurück. „Ja? Miss?", piepste er erstickt und sie seufzte. „Hab keine Angst, ich...ich habe mich nur gefragt...ob du mir irgendwie helfen könntest." Sie hob schnell die Hand, als er den Mund öffnete und tief einatmete, um wohl einen Sermon an Entschuldigungen zu fiepen, warum es nicht gehen würde. „Ich weiß, dass du es nicht darfst. Aber...gibt es kein Schlupfloch? Du...sagtest eben, Sev-...er habe dir nicht verboten, mir zu erzählen, wo ich bin. Vielleicht...hat er dir auch andere Dinge nicht verboten? Ich meine...eine Nachricht zu übermitteln, vielleicht?"
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𝒜𝒞 - Alles zu seiner Zeit
Fanfic𝐁𝐀𝐍𝐃 𝟒 Avessa Carrow. Jüngster Spross einer der ältesten reinblütigen Familien, der Unantastbaren Achtundzwanzig. Und eine Gryffindor. Das sechste Schuljahr beginnt und Avessa will nur noch weg. Denn der Dunkle Lord ist zurück und ihre Familie...