41. Kapitel

74 10 4
                                    

Es war unerträglicher Schwindel und ein heller, surrender Ton in Schmutzpfotes Ohren, die verhinderten, dass die Dunkelheit ihr die Sicht nahm. Stechende Schmerzen zuckten durch ihre Vorderpfote und ihr ganzer Kopf pochte, als wäre etwas in ihrem Schädel gefangen. Die Welt vor Schmutzpfotes Augen war verschwommen und wirr, die Baumstämme verschwammen mit dem grau des Himmels und das Moos, das ihren unsaften Sturz zumindest etwas gefedert hatte, verschmolz mit dem Fell des Monsters.

Die Schülerin wusste, dass sie weglaufen und Hilfe holen sollte, aber ihre Beine gaben sofort unter ihr nach, als sie versuchte, sich aufzustemmen, der Schmerz in ihrer verletzten Pfote war unterträglich, als bohre sich etwas in ihre Knochen und würde sie gleichzeitig auseinanderziehen. Der Aufprall hatte ihr den Atem genommen, die Tigerkätzin japste nach Luft, sah kaum, wie die Bestie zornig im Boden scharrte und sie mit boshaften, pechschwarzen Augen fixierte.

Schmutzpfote hustete und keuchte, stolperte auf die Seite, nicht fähig, ihre Pfote zu belasten, oder mit der Verletzung wegzulaufen. "Hilfe!", röchelte sie, doch ihr Hilferuf war zu leise, als dass irgendjemand außer ihr ihn hätte hören können. Ein erdiger Geschmack breitete sich in Schmutzpfotes Maul aus, erneut donnerte der Boden unter ihr, das Moos zitterte unter den kraftvollen Pfoten des Wesens, das auf sie zugerannt kam und seinen Kopf mit einer mächtigen Bewegung umherschwang, um sie erneut zu treffen.

Die Schülerin presste sich gegen den Baum, der ihren Fall unterbrochen hatte und presste die Augen zu. Sie fühlte, wie die heißen Tränen zwischen ihren Augenlidern hervorquollen, und wie ein schmales Rinnsal Blut sich einen Weg durch ihre Fänge aus ihrem Maul heraus bahnte, um zäh an ihrem Kinn herabzutropfen.

SternenClan, bitte mach, dass es schnell geht, bat sie ihre Ahnen verzweifelt, wohl bewusst, dass sie sich ihre Chancen auf Rettung selbst vermasselt hatte. Sie hatte falsch gelegen. Sonnenstrahl war nicht die Katze aus der Prophezeiung. Er war nur eine Katze, die etwas schreckliches erlebt hatte, und sich die Schuld dafür gab. Und Schmutzpfote gab sich nun die Schuld, ihn erinnert zu haben. An seine Töchter und an seine Schwester. An ihren Tod, den er verhindern hätte können. An die Angst, den Schmerz und die Einsamkeit.

Schmutzpfote fühlte sich auch einsam. Am Ende war sie immer alleine gewesen, obwohl sie ihre Schwester und Libellenflügel und Graufrost hatte. Aber keinem von ihnen hatte sie erzählt, was sich wirklich in ihr abspielte, was ihr wirklich Sorgen bereitete, was ihr Angst machte. Vielleicht hatte sie sich deswegen so an die Prophezeiung geklammert. Damit sie etwas hatte, dem sie hinterherjagen konnte, während sie vor dem wegrannte, was wichtig war.

Der Schmerz kam plötzlich, wie eine Welle brach er über sie herein. Das massige Tier hatte sie gerammt und presste sie mit Leichtigkeit gegen den Baum. Aller kostbarer Atem wurde aus ihrer Lunge gepresst, sie schnappte nach Luft, noch ihre Brust wurde so zusammengedrückt, dass kein Platz war. Erneut verschwamm der Wald vor ihren Augen, ihre gesunde Pfote schlug schwach nach dem verbissen verzerrten Gesicht der Kreatur, doch sie traf nicht ein Haar.

Die Welt drohte, finster zu werden. Für immer. Wäre es nicht wegen dem gellenden Schrei gewesen, der im nächsten Moment in ihren Ohren schrillte, hätte sie vermutlich nie wieder ihre Augen geöffnet. Ein pelziges Gewicht warf sich von der Seite gegen das Wesen, der tödliche Druck auf Schmutzpfotes Brust ließ nach, aber jeder Atemzug fühlte sich an, als würden Nadeln durch ihre Luftröhre rasseln. Kraftlos sank sie an den Wuzeln des Baumes zusammen, Kampfgeschrei drang zu ihr durch, und als sie die Augen öffnete, sah sie Fell in der Farbe des Sonnenuntergangs.

Schmutzpfotes Gedanken waren langsam, wie in Wolken gepackt, einen undurchdringlichen Nebel aus Schmerzen und Angst. Aber er war da.

Wieso ist er zurückgekommen? Ich habe ihn verraten...

WarriorCats-Das Geheimnis der SonneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt