Vielleicht fahre ich einfach durch, denke ich, während mein Blick auf der Anzeigetafel des Zuges haftet. Lichter sausen im Schwarz der Nacht an der Fensterscheibe vorbei. Straßenlaternen, Häuser, Autos. Ich kann nicht ausmachen welche welche sind. Zu viele ziehen an der dünnen Plastikscheibe vorbei. Alles zu viel.
Ich seufze und blicke wieder auf die aufblinkenden Wörter über mir.
Ausstieg rechts
Was wenn ich jetzt einfach nicht rechts aussteige? Einfach weiterfahre. Egal wohin. Nur weg. Auf mich wartet ohnehin niemand. Warum also die Mühe machen und mich auf die rechte Seite des Zuges stellen? Warum?
Ich schlinge die ausgeleierte Jeansjacke etwas fester um mich und streiche fast schon gedankenverloren über das frisch aufgenähte Anarcho- Symbol, was sich in eine Reihe von weiteren Symbolen einreiht, die über das gesamte Kleidungsstück verteilt sind. Ich bin kein Mensch, der seine politische Meinung vor anderen versteckt. War ich noch nie. Meine Finger gleiten über die Reihe Sicherheitsnadeln an meinem Oberarm. Außerdem kann ich einfach nicht leugnen, dass dieses Ding verdammt bequem ist.
Der Zug wird langsamer, während sich immer mehr mein Stadtviertel erkennen lässt. Straßen voller Autos, zugesprayte Stromkästen, meine von der Ausstattung her beinahe Antike Schule. Ich hasse es.
Der Zug hält quietschend und die rechte Tür springt auf. Einen Moment zögere ich, dann springe ich auf und steige schließlich in die kühle Nachtluft. Wie jedes Mal. Ich hasse es.
Laut hallen die Schritte in meinen Docs am Bahnhof wieder. Es ist so unfassbar leer, dass es mir beinahe Angst macht.
Was heißt beinahe.
Es macht mir Angst.
Ich habe wirklich keine Lust verprügelt oder vergewaltigt zu werden, also erhöhe ich die Geschwindigkeit meiner Schritte. Jeder von ihnen fühlt sich zu laut an. Alles zu laut.
Ich gehe an den kaum besuchten Kiosken und Cafés des Bahnhofs vorbei und lasse meinen Blick unruhig über die überschaubare Anzahl an Menschen schweifen. 5 Meter vor mir liegt der Ausgang. Ich atme tief durch. Keine Panik. Einfach weitergehen. Nicht nachdenken. Einfach...
,, Ey Kleine!''
Ich erstarre noch bevor ich mich dazu ermahnen kann genau das nicht zu tun. Verfickte Scheiße! Es war so fucking offensichtlich.
,, Dreh dich gefälligst um, wenn ich mit dir rede, Mädchen!''
Der Dreckstyp ist besoffen. Ich bin so dumm. So unfassbar dumm.
Endlich erwache ich aus meine Starre und gehe schnellen Schrittes weiter, als hätte ich nichts gehört. Ich weiß es ist bescheuert. Aber im Moment würde mir auch alles andere was mir in den Sinn kommt bescheuert vorkommen.
,, Dreh dich um!''
Eine Pranke packt mich an meiner Schulter und noch bevor ich mich dagegen wehren kann werde ich herumgerissen.
Es sind zwei. Beide mindestens um die Dreißig. Beide mindestens einen Kopf größer als ich. Okay das wars.
,, Eine Antifa- Schlampe also. Sind deine Punkfreunde beim Koksen erwischt worden, oder warum bist du hier allein unterwegs?''
Die Hand des Typen liegt immer noch auf meiner Schulter, während der Glatzkopf hinter ihm sich ein Grinsen wohl nicht verkneifen kann. Wut brodelt in mir auf.
,, Fick dich'', zische ich und stoße seine Pranke von mir weg.
Schnell drehe ich mich um und versuche zu fliehen, doch der Typ ist schneller.
Keine 3 Meter und zwei Arme schlingen sich um meinen Oberkörper. Wütend schreie ich auf und versuche meinen Angreifer mit meinen Docs zu erwischen. Vergebens.
,, Und? Doch nicht mehr so stolz wie vorher, was?''
Der Griff des Glatzkopfs wird fester, während das Großmaul vor mich tritt. Unsere Gesichter sind wenige Zentimeter voneinander entfernt. Es wird passieren. Ich weiß, dass es das wird. Mein Herz pocht mir bis zum Hals. Ich werde nicht weinen. Ich werde alles aber nicht weinen.
,, Ey!''
Endlich verschwindet das Grinsen aus dem Gesicht meines Gegenübers. Langsam, beinahe genervt dreht er sich um. Ich muss für einen kurzen Moment schlucken, während sich mein kompletter Körper verkrampft.
Und noch bevor ich es mir versehe passiert alles sehr schnell. Ein dumpfes Geräusch ertönt. Der Typ vor mir schreit laut auf und hält sich die Nase. Kurz sehe ich Blut zwischen seinen Händen aufblitzen, da werde ich schon von einer weiteren Hand gepackt und aus den Armen des verwirrten Glatzköpfigen gerissen.
Ich renne noch bevor ich den Gedanken dazu gefasst habe. Durch den Bahnhofausgang, die Straße entlang. Schreie hinter uns werden lauter. ,,Fuck'', höre ich die Person vor mir murmeln. Ich lasse mich von ihr in eine Abbiegung ziehen, die Treppe runter, scharf links. Blut rauscht in meinen Ohren, während ich versuche Schritt zu halten und nicht über meine eigenen Füße zu stolpern.
Im Gegensatz zu mir scheint die Person vor mir genau zu wissen, was sie tut. Lange, dunkelblonde Haare unter einem weißen bucket hat flattern mir ins Gesicht, während wir uns Hand in Hand zwischen den Straßen und Gässchen des Stadtviertels hindurchwinden.
Über die Straße, links, die Treppe runter, in die Unterführung. Die Person vor mir hält an und ich krache mit voller Wucht in sie hinein. Wütend blicke ich ihr zum ersten Mal ins Gesicht.
Grüne Augen. Harte, aber elegante Gesichtszüge, halb verborgen unter dem weißen Hut. Blauer beastboy- hoodie, der ihr mindestens 2 Größen zu groß ist, baggy Hosen. Das girl vor mir hat style, dass muss ich ihr lassen.
Schwer atmend tue ich es ihr gleich und lausche in die Stille.
Für einen kurzen Moment sind unsere Herzschläge so laut wie nie zuvor, während wir uns auf die uns umgebenden Geräusche konzentriert anblicken. Ein warmer Schauder läuft mir über den Rücken, als ihr warmer Atem mein Schlüsselbein streift. Ich merke wie mein Herz schneller zu schlagen beginnt und schnell versuche ich den Gedanken beiseite zu schieben.
,,Sie sin weg, glaub ich'', flüstert sie schließlich und unterbricht für einen Kurzen Moment den Augenkontakt.Nur um mir eine Sekunde später mit voller Wucht eine Backpfeife zu erteilen.
Eine Zeit lang bin ich wie erstarrt, während ich einen Schritt zurück taumle. Und noch bevor sich der Schmerz über mein Gesicht ausgebreitet hat oder ich meine Reflexe davon abhalten kann, boxe ich ihr mit maximaler Stärke ins Gesicht.
So das ist jetzt erstmal nur der erste Teil.
Ich weiß, dass ihr höchstwahrscheinlich verwirrt seid. Oder mehr als das. Aber glaubt mir das wird noch. Wirklich.
Sagt mir gern, wie ihr den Schreibstil und die Geschichte findet. Ich weiß es unterscheidet sich etwas von dem was ich vorher geschrieben habe. Ich hab seit längerem nicht mehr geschrieben und versuche gerade mich da wiederzufinden.
Happy Pride Month! -_Serafina_-
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Layla&Luisa
Romanceeine gay love story zwischen zwei Mädchen. Beide gefangen in Welten, in die sie nicht gehören wollen. Beide, auf der Suche nach Freiheit. Auf ihre eigene Weise. Doch ist es der richtige Weg? Cover Bild: https://www.pinterest.de/pin/hk-glg-poster-by...