Stirb schnell

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Verdammt. Ich musste mich wirklich beeilen, dass ich nicht schon wieder zu spät bei Königin Yuna aufkreuzte! Irgendwann würde sie auch mit mir keine Gnade mehr kennen. Im Laufschritt passierte ich die Wachen, welche mich nur interessiert musterten. Sie kannten mich bereits, ich wurde öfter in den Palast gerufen, um ... gewisse Informationen zu empfangen.

Das ließ natürlich immer wieder die Gerüchteküche ordentlich brodeln, mein Ruf wurde immer fragwürdiger und fragwürdiger... Doch das machte mir nichts aus. Das alles war schließlich Realität.

Keuchend lief ich den prunkvollen Flur entlang. Da war sie! Die Tür aus schwerem Eichenholz, die zu Königin Yunas Büro führte. Kurz atmete ich durch und drückte den Knauf hinunter. Yuna saß bereits an ihrem Schreibtisch, ihre durchdringenden, kohlrabenschwarzen Augen musterten mich missbilligend. Ihre silbernen Haare hatte sie kunstvoll zu einem mehrstöckigen Gebilde aufgetürmt.

Ich sank in eine tiefe Verbeugung. Königin Yuna blickte dennoch unbewegt und kalt auf mich herab, woraufhin ich mich noch etwas weiter nach unten beugte.

„Es sei dir erlaubt, dich zu erheben". Es war, als würden beim Klang Yunas würdevoller Stimme Eiszapfen auf mich herabrieseln.

„Ich entschuldige mich bei Euch für die Verspätung. Ich war, und dies bedaure ich zutiefst, beschäftigt, und von der Tatsache abgelenkt, dass ich eigentlich bei Euch erscheinen sollte. Ihr besitzt hoffentlich die Güte, mir meinen Fehler zu verzeihen."

„Nichts sollte einem Besuch im Palast vorrangig sein", erwiderte Yuna kalt, „doch ich verzeihe dir noch dieses eine Mal. Aber nimm dich in Acht, bald werde ich nicht mehr so viel Nachsicht zeigen."

„Ich verstehe und danke Euch für diese Entscheidung. Doch wenden wir uns den eigentlichen Dingen zu. Um wen geht es?", warf ich aalglatt ein.

„Ich lobe mir deinen Tatendrang, Leonardo. Es gibt da ein gewisses ... Leck in der Sicherheit unserer reinen Stadtgemeinschaft. Ich bin sicher, du kennst Alvar Serpent?" Die Königin saß aufrecht in ihrem thronartigen Stuhl und wirkte grimmig.

„Ja, er ist mir bekannt. Wir kennen und verstehen uns nicht besonders gut."

Alvar Serpent also. Der Schlangenmann.

„Ich nehme an, du weißt um was es geht: Unauffällig, schnell, nicht rückverfolgbar. Aber sei aufmerksam, er ist eine und sehr giftig. Du weißt, was geschieht, wenn du versagst." Yuna schien wirklich daran zu zweifeln, ob ich dem gewachsen war. Doch ich war mir sicher, ich war es.

„Ich werde Euch nicht enttäuschen", erwiderte ich voller Elan. Ich würde es schaffen. Ich war Leonardo Serrano. Mir war bis heute noch keiner dieser elenden Wandler entkommen. Und das würde auch so bleiben.

Null Uhr dreißig. Der optimale Zeitpunkt, um jemanden auszuspionieren – oder gar bereits den nächsten Schritt zu tun und ihm das Leben auszulöschen? Ich öffnete mit Bedacht die Tür, um auf keinen Fall irgendwelche vorlauten Kinder aus der Nachbarschaft aufzuwecken und auf mich aufmerksam zu machen.

Meine dunklen Klamotten verschmolzen mit der Dunkelheit und meine schwarze Sturmmaske verbarg mein helles Gesicht mit den rötlichen Haaren. Ich war ein Schatten in der Nacht. Unauffindbar, geräuschlos und surreal. Hier konnte niemand mir etwas anhaben. Hier war ich der König.

Leise schlich ich zwischen den Bäumen entlang, sah jedes noch so winzige Geschehen zwischen den Blättern des Dschungels und wurde durch nichts behindert. Meine Kleidung lag eng an meinem Körper an, sodass ich mich geschmeidig wie eine Katze voranbewegen konnte. Das Einzige, was ich bei mir trug, war ein silbernes Messer, das im Mondlicht funkelte wie ein tödlicher Diamant.

Nach einiger Zeit kam ein kleines Haus in meine Sichtweite. Hier lebte Alvar Serpent, abgeschottet von der Stadt und abgeschnitten von der Außenwelt. Er dachte anscheinend, seine Hütte zwischen den beiden breiten, verschlungenen Stämmen wäre gut genug getarnt. Zugegeben, ganz schlecht war sie nicht versteckt, die dunkelgrünen Dschungelblätter verbargen das fast schwarze Holz gut und Schlingpflanzen überwucherten das Dach. Aber gut genug für mich war das nun mal nicht.

Stirb schnell || Woodwalkers OneshotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt