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"Warum genau muss ich das jetzt tragen?" Ben musterte kritisch das Halsband, sowie den Haarreifen mit den Plüschöhrchen.
"Weil das wirklich süß aussieht."
Thilde lächelte als der jüngere etwas vor sich hin brummte.
"Maximilian wollte das, allerdings hat er dir auch ein paar Blumen mitgebracht...die stehen unten in der Küche, damit sie bei der Wärme nicht welk werden."

Ben betrachtete Thilde einen Moment lang stumm.
Was sollte er auch tun?
Noch mehr seiner Würde konnte er sowieso nicht verlieren. Der elendige Rest war kaum mehr als die Kerze auf einer Torte. lediglich ein kleines unwichtiges Detail im großen Ganzen.
"Komm Junge, wir gehen in den Garten, bevor es noch anfängt zu regnen."
Die Frau nahm den Polizisten am Arm, zog ihn zur Tür die Treppe hinunter. Dieses Zimmer befand sich im zweiten Stock des Hauses. Ein Entkommen war also nur durch die Tür des Hauses möglich.

"Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit,dass ich hier jemals wieder weg komme?" Ben sah Thilde mit traurigen, wie auch neugierigen, Augen an.
Die Frau lächelte geknickt "Alle Fenster und Türen im Erdgeschoss sind verriegelt...des Schlüssel dazu hat nur Maximilian."
"Also eher schlecht?"
"Hör mal Junge, du solltest nicht einmal daran denken fliehen zu wollen...Ich weiß, dass das kein gutes Ende nehmen wird. Es waren vor Jahren schonmal so welche wie du hier...deutlich sturer, aber...sie haben versucht zu fliehen."
"Was ist mit ihnen passiert?", der Polizist musterte die Frau einen Moment lang. Er spürte, dass diese Männer nicht mehr am Leben waren.
Polizeiinstinkt.
Menschlicher Verstand.
Eine Warnung.

"Maximilian hat den einen danach so lange bestraft bis...," Thilde stockte kurz, "Der Mann hatte so viele offene Wunden, eine hatte sich entzündet...er erlitt eine Sepsis...jede Hilfe kam zu spät."
"Er hat ihn umgebracht?"
"Naja...indirekt. Zu seiner Verteidigung...er hat es nicht so gewollt."
Der junge Mann hatte seine Augen aufgerissen. "Was ist mit dem Zweiten?"
"Der hat den einfachen Ausweg genommen. Maximilian ist früh in das Zimmer und siehe da: Der Bursche hat sich mit dem Bettlaken erhangen."

"Denkst du, er wird mich auch umbringen?"
Bens Stimme zitterte . Er hatte mittlerweile eingesehen, dass er verloren hatte. dass er verloren war.
Seine Angst sollte dafür da sein, um seinen Willen zu umfahren, stattdessen aber...hatte sie ihn umgefahren.

Thilde schüttelte den Kopf:"Nein. Er hat diese Männer ja auch nicht direkt umgebracht. Es waren Unfälle...oder weniger glückliche Zufälle. Er liebt dich, wirklich...auch wenn du ihn hasst, hier unbedingt weg willst...Ich gebe dir einen Tipp, Ben, spiele einfach mit. Wenn man nach den Regeln spielt ist die Chance zu gewinnen größer."

Der Polizist starrte auf den Boden.
Er wusste, dass Thilde recht hatte.

"Na komm, jetzt lass uns in den Garten gehen, " die Frau schob die Tür zur Seite und stupste den jüngeren leicht an.
Es kam  Ben vor als wäre er seit Monaten nicht mehr draußen gewesen. Hatte seit Ewigkeiten das Rauschen des Windes nicht mehr gehört. Das Schaukeln der Bäume nicht mehr gesehen.
Das weiche grüne Gras nicht mehr gespürt.
Als würden seine Sinneseindrücke vor Freude explodieren, lächelte der jüngere durch den Garten, zog die kühle Luft in seine Lungen, genoss die Briese, die über deine noch immer leicht erhitzte Stirn wehte.
Glücklich legte er sich rücklinks mit weit ausgebreiteten Armen in das feuchte Gras.
Zum Glück hatte er nach dem Essen eine Schmerztablette zu sich genommen, ansonsten wäre dieses flügelleichte Paradies die reinste Hölle.

"Aber...das Gras ist doch sicherlich noch nass, steh lieber wieder auf." Thilde versuchte den jungen Mann zum Aufstehen zu bewegen, welcher allerdings nur grinsend vor sich hin starrte :" Warum denn? So ein bisschen Nässe hält mich hiervon nicht ab. Zu schön ist die Natur. Zu wenig Beachtung schenkt man ihr sonst."
Die Frau seufzte ergeben, betrachtete den Polizisten und ein paar der weiter hinten im Garten arbeitenden Anhänger Maximilians.

"Hast du jemals überlegt abzuhauen ? Oder...," Ben drehte leicht den Kopf, sodass er Thilde angucken konnte.
"Nein. Habe ich nicht. Ich kann gehen wann ich will...nur mein Sohn, der ist hier ja richtig mit involviert...Ein paar Mal war ich aber schon kurz davor zu gehen..."
"Nach den Toden?"
Thilde nickte:"Ja...Ich weiß ja nicht ob du schonmal einen Toten gesehen hast oder gesehen hast wie dieser entsorgt wurde. Aufgeschlitzt und ausgeweidet, alle zähne entnommen und dann den Wildschweinen zum Fressen gegeben...das ist nicht schön."

Der Polizist nickte leicht. So genau wollte er sich das gar nicht vorstellen.

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Ps: mich würde es interessieren was ihr so über die Story denkt ^^
Habt ihr Fragen oder Anregungen? ( bezogen auf die Geschichte oder anderes)

Lg

Wenn Angst - zu Liebe wird Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt