Qualm stieg von der Zigarette auf, die Billy Hargrove sich gerade angezündet hatte.
Der blonde junge Mann stand in seinem Zimmer vor seinem Spiegel und betrachtete sich selbst kritisch.
Er musste perfekt aussehen, wenn er sich gleich in seinem Camaro auf den Weg zur High School machen würde. Den das war das einzige was wirklich gut an ihm war. Was ihm selbst gefiel. Mit schlechten Aussehen war er zum Glück nicht gestraft worden. Wenn er schon mit allen anderen Dingen im Leben gestraft sein musste.
Allen voran seinen Vater. Der Druck der jederzeit auf ihn ausgeübt wurde und dem Umfeld in dem er lebte.
Billy zog genüsslich an der Zigarette, bevor er sie in einem Aschenbecher auf der Kommode ausdrückte, ein letztes mal prüfend in den Spiegel blickte und das Zimmer verlies.
"Max!" rief er, während er den Flur entlang lief und schnell Richtung Haustür ging.
Max, seine nervige kleine Stiefschwester, wusste genau, wenn sie nicht rechtzeitig am Auto war müsste sie zur Schule laufen.
Seine Pflicht war es sie jeden Tag herum zu fahren. Und überhaupt auf sie aufzupassen. Das verlangte sein Vater von ihr. Seine Stiefmutter Susan sah das nicht so eng. Doch sie sah immer weg, wenn es passierte.
Am Auto angekommen öffnete Billy die Fahrertür und setzte sich in seinen Wagen. In dem Moment eilte Max aus dem Haus und beeilte sich schnell auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen.
"Das wurde aber auch Zeit" brummte Billy missgelaunt. Max schwieg.
Er wusste, sie würde niemals gern mit ihm sprechen, wenn er sich ihr gegenüber immer so verhielt. Dabei würde er so gern einfach mal ausgelassen mit ihr reden und lachen.
Doch er musste hart bleiben. Er musste sich einfach selbst schützen. Wenn sein Vater mitbekommen würde, dass er Max einfach mal machen ließ und er sie nicht ständig im Auge hatte.
Billy startete den Camaro und ließ diesen kurz aufbrummen. Er grinste. Sein Auto war ein bisschen Freiheit für ihn. Er fuhr aus der Einfahrt raus und bog Richtung High School ab. Sein Fahrstil war sehr rasant, ruppig und schnell. Wozu sonst hatte man auch so einen top Wagen, wenn man nicht schnell damit fuhr?
Er spürte Max Blicke, für sie war das etwas zu viel Tempo.
"Was ist?" fragte er ruppig nach.
"Nichts." murmelte Max und sah aus dem Fenster.
Ein paar Minuten später waren sie angekommen. Max stieg wortlos aus und entfernte sich schnell.
Auch Billy stieg aus.
"Wehe du kommst zu spät!" rief er ihr noch hinterher. Einige Schüler auf dem Parkplatz schauten ihn dabei an, doch Billy war das egal. Er musste sich schon daheim ständig darum kümmern sich seinem Vater gegenüber korrekt zu verhalten. Da war ihm das hier draußen völlig egal was die Leute von ihm hielten. Zumal er für die meisten Leute auf der High School sowie so der coole Typ war.
Alle redeten immer über Steve Harrington, der coole Typ, top Basketball Spieler und Bierkönig. Doch diese Titel hatte Billy ihm sehr schnell abgerungen. Sein hartes Erscheinungsbild schien ihm dabei viel zu helfen. Er hatte es sich über all die Jahre aufgebaut. Und immerhin half es ihm ihn in solchen Situationen.
Nach der Schule kehrte Billy immer schnell zu seinem Auto zurück. Er hatte keinen Grund länger als nötig auf dem Schulgelände zu bleiben. Vor allem heute nicht.
Und wie immer war Max noch nicht da. Er rollte mit den Augen, lehnte sich gegen die Fahrertür seines Camaros und zündete sich eine Zigarette an. Tatsächlich drohte er Max zwar ständig allein loszufahren, aber getan hatte er es noch nie. Erstaunlich das ihm das seinen Respekt bei Max nie schadete. Vermutlich reichte das restliche Auftreten um das Mädchen genügend einzuschüchtern. Und das war einfach nötig um sie im Auge zu behalten. Nur so konnte er seinen Vater irgendwie bei Laune halten. Er hatte nun schon seit einigen Tage keine Prügel mehr bekommen.
Endlich kam Max in Sichtweite und beeilte sich sichtlich um zum Auto zu kommen. Billy zog lange an seiner Zigarette, behielt den Qualm etwas im Mund und pustete ihn dann langsam aus. Die halb gerauchte Zigarette warf er dann an den Straßenrand. Er öffnete die Fahrertür, stieg ein und ließ die Tür zufallen. Er lehnte sich in den Sitz, setzte sich seine Sonnenbrille auf, öffnete das Fenster komplett und ließ seinen rechten Arm lässig raushängen.
Max war nun am Auto angekommen und stieg schnell ein. Sie sah flüchtig zu ihm rüber und murmelte irgendetwas und schlug die Autotür zu.
"Was hast du gesagt?" fragte Billy leise. Max antwortete nicht. Billy seufzte kaum hörbar, richtete sich etwas auf und griff mit seiner linken Hand nach ihrem rechten Arm. Er umklammerte den Arm deutlich, jedoch nicht zu fest. Max sah ihn erschrocken an.
"Ich habe gefragt, was du gesagt hast. Antworte mir gefälligst beim ersten mal." knurrte Billy, immer noch gefährlich leise. Max wusste scheinbar einen Moment nicht, warum das jetzt nötig war, doch dann fiel ihr ein, dass das Geräusch der zuschlagenden Autotür wohl ihre Entschuldigung überdeckt hatte. Sie wusste genau, dass sie Billy nicht reizen sollte. Er konnte so grob sein und tat ihr auch jetzt mit seinem Griff etwas weh.
"Ich habe mich entschuldigt, weil ich zu spät bin. Die Lehrerin wollte noch kurz mit mir sprechen" sagte sie schnell und sah ihn nun direkt an.
Billy lockerte den Griff nicht, im Gegenteil. Er lehnte sich in ihre Richtung, schaute sie über seine Sonnenbrille hinweg an und sagte:
"Dann wirst du beim nächsten mal deiner Lehrerin sagen müssen, dass sie das mit dir in der Stunde zu klären hat. Hast du mich verstanden?"
Max nickte vorsichtig, doch Billy zog sie noch ein kleines bisschen näher an sich heran.
"Ob du mich verstanden hast?" fragte er noch einmal mit Nachdruck.
"Ja, ich habe verstanden" sagte Max laut. "Du tust mir weh" fügte sie leise hinzu.
"Gut." Billy ließ sie fast augenblicklich los.
Er wusste, das war eine völlig überzogene Reaktion gewesen, doch was Max nicht wusste: Sein Vater und ihre Mutter waren heute eher zu Hause und sein Vater hatte ihm schon mehr als einmal deutlich klar gemacht, dass die beiden an solchen Tagen nicht zu spät zu kommen hatten. Es war ihrem Vater wichtig, dass sie mindestens einmal in der Woche als Familie zusammen aßen. Und heute war so ein Tag. Wenn beide zu spät kommen würden, war das nicht Max Schuld, sondern Billys.
Daher verlor Billy nun auch keine Zeit mehr, startete den Wagen und raste förmlich los.
Zu Hause angekommen parkte Billy in der Auffahrt. Während Max schon ausstieg, nahm er seine Sonnenbrille ab, verstaute sie wieder im Handschuhfach, welches er fix auf schloss und wieder verschloss, und stieg aus. Er schloss den Wagen ab und wollte zum Haus gehen. Im Haus am Fenster stand sein Vater und sah ihn an. Billy blieb stehen und schaute zurück. Er erkannte es bereits an seinem Blick. Zu spät.
Sein Herz setzte kurz aus, sein Atem stockte ebenso kurz. Mehr ließ er sich nicht anmerken, setzte seinen Gang zum Haus fort. Max hatte das Haus bereits betreten und die Tür offen gelassen, damit Billy direkt folgen konnte.
Drinnen angekommen schloss Billy die Tür und ging direkt ins Esszimmer. Dort deckte seine Stiefmutter Susan gerade den Tisch, sah auf als sie Billy bemerkte und lächelte ihn an. Billy reagiert nicht, den sein Vater Neil Hargrove tauchte ebenso gerade im Esszimmer auf. Susan bemerkte dies, senkte ihren Blick und beschäftigte sich weiter mit dem decken des Tischs. Max schien in ihr Zimmer gegangen zu sein, zumindest war sie gerade nicht zu sehen.
"Mitkommen" sagte Neil knapp und ging Richtung Billys Zimmer.
Billys Herz klopfte stark. Er versuchte noch einmal Blickkontakt mit Susan aufzubauen, aber diese starrte angestrengt auf ihre Teller und das Besteck, was sie gerade hinlegte.
"Susan" sagte Billy, um es noch einmal zu versuchen, doch sie reagierte nicht. Es blieb ihm nichts anderes übrig als seinem Vater zu folgen.
Ein letzter Blick zu Susan, ein letztes mal wurde er ignoriert, dann setzte er sich in Bewegung und ging in sein Zimmer. Die Tür stand offen und er konnte seinen Vater nicht sehen. Als er den Raum betreten hatte und ein paar Schritte von der Tür weggegangen war, knallte die Tür zu. Sein Vater hatte hinter der Tür gestanden und diese direkt verschlossen.
"Was hab ich dir über das zu spät gekommen gesagt, wenn Susan und ich zeitig zu Hause sind?" sagte Neil ruhig.
"Das wir nicht zu spät zu kommen haben." antwortete Billy und drehte sich zu ihm.
"Und was hast du daran nicht verstanden, Billy?" Neils Stimme wurde härter und auch etwas lauter.
"Nichts. Ich-" seinen Satz konnte er nicht zu Ende sprechen, denn Neil kam Billy sehr schnell sehr nah, packte ihn am Hals und drückte ihn unsanft nach hinten an seinen Schrank.
"WAS HAST DU NICHT VERSTANDEN" brüllte Neil nun und erhöhte seinen Druck auf Billys Hals. Billy konnte nicht sprechen, er sah seinen Vater nur in die Augen. Der Druck ließ nun etwas nach, was ihm wohl die Möglichkeit zum sprechen geben sollte.
"Maxine musste noch mit ihrer Lehrerin sprechen." versuchte Billy sich zu erklären. Sein Vater sah ihn wütend an.
"Das ist aber eine schlechte Ausrede, William. Du hattest schon bessere." sagte Neil grimmig, ließ Billys Hals los, und machte sich an seinen Gürtel zu schaffen. Billys Augen blitzten zum Gürtel und er wusste das das hier noch nicht vorbei war. Der Gedanke war kaum zu Ende gedacht, als Neil den Gürtel auch schon in der Hand hielt.
"Umdrehen" befahl er. Billy wusste, wenn er jetzt zögerte, würde die Strafe härter ausfallen als eh schon. Er drehte sich daher augenblicklich um, lehnte sich mit der Brust gegen den Schrank und schloss die Augen.
In der nächsten Sekunde bekam er auch bereits einen kräftigen Schlag auf den Rücken. Und noch einen. Und noch einen. Und noch einen. Und ein letzter Schlag.
Er blieb genau da stehen, die Augen immer noch geschlossen.
Er hörte wie sein Vater den Gürtel zurück an die Hose nestelte, die Tür öffnete und ihm sagte, er solle in 5 Minuten beim Essen sein. Billy hörte die Tür wieder ins Schloss fallen.
In diesem Moment öffnete er die Augen und Tränen liefen seine Wangen herunter. Stumme, heiße Tränen. Sein Rücken schmerzte wahnsinnig. Er verstand es einfach nicht. Er verstand nicht warum Susan dies zuließ. Billy wusste, Susan liebte ihre Tochter über alles und würde Neil so mit Max umgehen, würde sie das Mädchen wie eine Löwenmutter verteidigen. Doch warum konnte sie sich nicht wie eine Mutter um ihn kümmern? Warum konnte sich niemand um ihn kümmern? In den Arm nehmen? Trösten? Er vermisste es so sehr, dass er sich kaum an diese herzlichen Momente mit seiner eigenen Mutter erinnern konnte. Die Erinnerungen wurden von Tag zu Tag blasser. Und er hasste es. Er wollte sich wieder richtig erinnern. Er wollte es fühlen. Herzlichkeit. Liebe.
Immer noch rannen heiße Tränen sein Gesicht herunter. Langsam drehte er sich vom Schrank weg. Die Tränen wischte er mit seinem linken Handrücken weg. Die Zeit würde nie wieder zurück kommen. Und er musste so weitermachen wie es eben war. Ob er nun wollte oder nicht.
Billy atmete tief durch, wischte sich noch einmal mit dem linken Handrücken über sein Gesicht und verließ sein Zimmer. Wenn er jetzt auch noch zu spät zum Abendessen kommen würde, sollten das nicht die letzten Schläge an diesem Tag gewesen sein.
Als er das Esszimmer betrat saßen Susan und Max bereits am Tisch. Sein Vater noch nicht und das war gut so. Das bedeutete er war nicht zu später.
Billy vermied Augenkontakt zu den beiden, er war sich sehr sicher, dass seine Augen etwas geschwollen waren. Das Susan sowieso Bescheid wusste, darauf wettete er. Nur Max war die Situation die hier im Haus herrschte scheinbar nicht bewusst. Einerseits wünschte er sich es würde so bleiben. Damit sie nicht erfahren musste was für ein Mensch ihr Stiefvater war. Andererseits würde er es ihr so gern erzählen, doch er war sich nicht sicher, ob sie ihm das überhaupt glauben würde. In ihren Augen war er der Böse.
Neil betrat nun das Esszimmer, setzte sich ans Tischende und sagte
"Guten Appetit"
Damit leitete er das Essen ein. Es war sehr still und kaum ein Wort fiel beim Essen. Neil würde auch nicht erlauben, dass beim Abendessen groß miteinander geredet wurde. Er wollte dies zwar mindestens einmal die Woche so, das gemeinsame Essen, aber einen großen Mehrwert hatte es eigentlich für niemanden. Es schien so als würde jeder andere hier im Raum nur mitziehen, damit es keinen Stress gab. Billy verstand das. Er machte es seit vielen Jahren nicht anders. Es war der einfachste Weg einfach das zu tun was sein Vater wollte.
Nach 15 Minuten war das Essen beendet, Neil legte sein Besteck beiseite und sah seine Frau an.
"Du hast wieder einmal wunderbar gekocht." lobte er sie. Susan wurde leicht rot und bedankte sich leise.
Neil sah zu Max. Diese verschluckte sich an ihrem letzten Bissen, legte auch ihr Besteck zu Seite und schloss sich an:
"Danke sehr."
Neil sah zu Billy. Sie schauten sich gegenseitig einige Sekunden an.
"Danke Susan." sagte Billy, ohne den Blick von seinem Vater abzuwenden. Dieser löste nun jedoch den Blick und stand auf.
"Maxine, du räumst den Tisch ab." befahl er noch, bevor er Susan auf half und mit ihr zusammen den Raum verließ.
Max sagte nichts und machte sich an ihre Aufgabe. Neil war zwar nicht grob zu ihr, doch Widerworte ließ er trotzdem auch bei ihr nicht zu.
Billy blieb noch einen Augenblick sitzen, während Max seinen Teller nahm und auf die anderen stellte. Er überlegte kurz ob er sich auch hier einen Dank abringen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Das passte nicht zu dem Bild was Max von ihm hatte. Und heute Abend wollte er keine weiteren Situationen provozieren, egal in welche Richtung diese gehen würden.
Max nahm das komplette Geschirr und trug dieses aus dem Raum in die Küche. Billy stand nun auch auf und ging direkt ins Bad. Er schloss die Tür ab, zog sein weißes Hemd aus, was er heute trug, und drehte sich zum Spiegel. Er versuchte im Spiegel etwas von seinem Rücken einzusehen. Ein paar rote Streifen konnte er auf jeden Fall erkennen. Es brannte auch immer noch.
Billy zog sich nun komplett aus und stieg unter die Dusche. Er ließ zuerst kühles Wasser auf seinen Körper prasseln. Das beruhigte seinen Rücken etwas. Dann drehte er das Wasser jedoch heiß auf und Wasserdampf machte sich im Raum breit. Er duschte recht lang und vergaß auch etwas die Zeit. Ein lautes Klopfen an der Badezimmertür ließ ihn wieder zurück in die Welt kommen.
"Ich möchte auch noch duschen!" hörte er leise eine Stimme vor der Tür. Durch das Prasseln des Wassers war er sich nicht sicher ob das Susan oder Max gewesen war. War aber auch egal, solange es nicht sein Vater war.
Billy wusch sich nun relativ fix ab, stellte das Wasser ab und stieg aus der Dusche. Er trocknete sich schnell ab, wickelte das Handtuch um seine Hüfte und schloss die Badezimmertür auf. Darauf bedacht schnell in seinem Zimmer zu verschwinden, ging er auch eilend in jenes. Auch dort schloss er die Tür ab.
Jetzt nach dem Abendessen hatte er nichts mehr zu befürchten. Die Zeit Abends verbrachte Neil immer mit Susan.
Billy ließ das Handtuch von seiner Hüfte gleiten, nahm es in die Hand und rubbelte seine Haare halbwegs trocken. Dann ließ er das Handtuch fallen, zog sich eine Unterhose an und legte sich ins Bett. Als er sich auf den Rücken legen wollte, spürte er die Schläge wieder, daher drehte er sich schnell auf die rechte Seite. So lag er nun da. Dachte darüber nach ob der nächste Tag besser verlaufen würde. Es musste. Nicht jeder Tag konnte so düster sein wie dieser. So schmerzhaft wie dieser.
Billy schloss seine Augen und schlief ein.
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One day in Billy's mind
FanfictionEine kurze One Shot über Billy, ein Tag in seinen Gedanken