Oblivion

Kapitel 4

Das Freitags-Meeting war zäh gewesen und somit ein krönender Abschluss für seine Woche, entschied er. Eigentlich hatte er vor gehabt, sich am Samstag noch etwas an seine Unterlagen zu setzen, doch bereits nach wenigen Minuten hatte Draco einsehen müssen, dass er einfach nicht die nötige Konzentration dafür aufbringen konnte.

Beinahe ärgerte er sich über die Tatsache, dass er so wenig produktiv gewesen war in dieser Woche und das war alles dem Fakt geschuldet, dass Granger in sein Leben gestolpert war. Er sollte wirklich die Reissleine ziehen, ehe er aus der Geschichte nicht mehr raus kommen würde. Die entscheidende Frage war nur: wollte er das überhaupt?

Rein logisch gesehen war es sinnlos, sich weiter auf Granger einzulassen. Es war ja noch nicht einmal wirklich Granger und dazu kam, dass sie nicht nur keine Erinnerungen mehr hatte, sondern auch als Muggel lebte. Was bedeutete, er könnte nicht mal in ihrer Anwesenheit zaubern. Außerdem lebte er in Paris. Selbst WENN er über kurz oder lang nach London zurückkommen würde - worüber er noch nicht entschieden hatte - würde das nicht gleich morgen passieren. Auch nicht mehr dieses Jahr und vielleicht im nächsten auch nicht sofort.

Es sprach also rein rational gesehen so ziemlich alles dagegen. Und dabei hatte er noch nicht einmal den Fakt dazu gezählt, dass er es moralisch wirklich so gut wie nicht vertreten konnte. Was wäre, wenn er tatsächlich eine Art Beziehung mit ihr führte und sie irgendwann aus welchem Grund auch immer ihre Erinnerungen zurück erlangen würde? Das wäre sicherlich der Supergau. Sie würde ihn in die ewigen Jagdgründe Hexen, dessen war er sich sicher.

Draco wollte nicht logisch oder rational sein. Und seine Moral konnte sich sonst wo hin verpissen.

Außerdem  - und das war tatsächlich ein schlüssiges Argument - wusste er ja auch gar nicht, ob sie tatsächlich Interesse an ihm in diese Richtung hatte. Wer wusste schon, ob sie nicht froh war, dass er nach den zwei Wochen wieder nach Paris zurück gehen würde und sie das als eine Art Urlaubsflirt verbuchen konnte? Richtig, keiner. Vielleicht sollte er erst einmal ihre Intention herausfinden, eher er sich Gedanken über ungelegte Eier machte.

So kam es also, dass er am Abend im Harvey's saß und mit gemischten Gefühlen darauf wartete, dass Granger auftauchte. Sie war zu spät. Allein diese Tatsache hätte ihn eventuell schon stutzig machen sollen, wenn er sich genauer Gedanken darüber gemacht hätte. Vielleicht wäre er dann auch zur Erkenntnis gelangt, dass etwas nicht stimmen konnte, als sie zur Tür herein kam und ihn geradewegs ansteuerte, mit einem undefinierbaren Ausdruck im Gesicht. Draco stand auf, um sie zu begrüßen, doch dann ging alles so schnell, dass er es später nicht mehr würde rekonstruieren können.

Er konnte gerade noch im Augenwinkel sehen, wie ihre kleine Hand zielgenau auf ihn zuflog und nur eine Sekunde später schnellte sein Kopf, begleitet von einem laut klatschenden Geräusch, zur Seite. Er hatte es nicht kommen sehen und so starrte er die kleine, wutschnaubende Person vor sich an, während er verwundert zwei Finger an seine linke Wange legte, die anfing, unangenehm zu brennen.
Er wollte gerade seinen Mund öffnen um etwas zu sagen, doch sie kam ihm zuvor und Draco spürte, wie ihm sein Herz bei ihren Worten in die Hose rutschte.

„Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht, Malfoy? Selbst für deine Verhältnisse war das ein neues Maß an Unverfrorenheit!"

„Granger?", kam es ihm ungläubig und vorsichtig über die Lippen und für den Moment war alles was er tun konnte, Sie anzustarren, als sei sie eine Erscheinung. Die Dynamik zwischen ihnen hatte sich schlagartig verändert und das lag nicht nur daran, dass sie ihm soeben eine Ohrfeige verpasst hatte, die ihm immer noch das linke Ohr klingeln ließ. Die Luft zwischen Ihnen schien statisch aufgeladen und trotz, dass seine Wange immer noch kribbelte, schlich sich ein kleines Grinsen in sein Gesicht. „Gut, dich wieder zu haben", traute er sich zu sagen und ihre Reaktion folgte auf den Fuße, denn sie schnappte empört nach Luft und schien kurz vergessen zu haben, was sie eigentlich sagen wollte.