Clara

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Erster "Schultag". Nennt man das noch so? Ich glaube nicht. Dann eben erster "Studientag". Ich bin froh, dass ich nicht verschlafen habe, doch ich bin auch nicht früh genug dran und muss mich jetzt echt beeilen.

Als ich auf das Gebäude auf dem Campus zurenne, in dem ich jetzt meinen neuen Mathekurs habe, steht Emma, meine beste Freundin, schon vor dem Gebäude und wartet auf mich. Ich gehe auf sie zu und umarme sie.
"Hi, wie geht es dir? Wir haben uns echt lange nicht mehr gesehen", begrüße ich Emma, mit der ich schon seit der Oberstufe des Gymnasiums befreundet bin, seitdem ich von der Realschule gewechselt habe. Als ich auf das Gymnasium gegangen bin, hatte ich Angst. Angst vor der neuen Umgebung, davor neue Freunde zu finden - oder eher, dass ich keine finden würde - und vor allem vor den Ansprüchen der Lehrer und dem Niveau. Doch ich habe mich rangehalten und nie eine schlechtere Note als eine 2 geschrieben. Und die zweien waren auch sehr selten. Ich hatte die besten Zeugnisse in der Stufe und auch das beste Abiturzeugnis. Doch besonders stolz bin ich auf meine sehr hart erkämpften 15 Punkte im Mathe LK. Durch das viele Lernen hatte ich kaum noch Zeut für meine Freundschaften und für mich. Das hat mir zu schaffen gemacht, doch desto erleichterter war ich dann, als der ganze Abistress überwunden war.
Die guten Noten haben aber auch Tücken mit sich gebracht: Durch meine guten Noten und Leistungen hatte ich plötzlich viele Leute um mich herum, die nur mit mir "befreundet" sein wollten, um an Hausaufgaben und Hilfe zu kommen. Daher hatte ich nur wenige echte Freunde, doch die haben mich nie ausgenutzt. Emma ist mir bis heute die wichtigste meiner Freundinnen. Im Gegensatz zu mir war sie nie so gut in der Schule und ich war echt froh, dass sie das Abi geschafft hat.
"Hey, mir geht es gut. Ich konnte mich richtig gut in den Semesterferien erholen und du?"
"Ja, ich auch. Auch wenn ich für meinen neuen Mathekurs lernen musste. Aber das hat mir Spaß gemacht."
Emma grinst mich nur kopfschüttelnd an.
"Also ich hatte in meinen Ferien anderweitig Spaß", erläutert sie mir mit einem anzüglichen Grinsen. Ich verdrehe nur lächelnd die Augen. Sie war schon immer diejenige von uns beiden, die Männern mehr Aufmerksamkeit schenkt und die diese von den Männern ebenso erwiedert bekommt und nach den Feiern nie alleine nach Hause geht. Ich bin eher die ruhigere und nicht auffallende Person. Ich bin wie ihr Anhängsel auf Partys. Ich habe schon immer mehr gelernt und bin auch nicht so die Partymaus. Klar gehe ich mal gerne auf eine Party und mag es ab und zu mal zu feiern, aber ich brauche es nicht jede Woche. Außerdem verstehe ich das mit dem Alkohol nicht. Ich kann auch Spaß haben, ohne dass ich Alkohol trinke. Natürlich trinke auch ich ab und zu mal alkoholische Getränke auf Partys,  aber ich war noch nie betrunken und bin auch sehr stolz darauf. Ich bin diejenige, die Emma sicher wieder nach Hause bringt, wenn sie mal wieder zu viel getrunken hat.
"Da hast du ja dann auch Mathe für gebraucht", gebe ich augenzwinkernd zurück. Auch ich kann anzügliche Kommentare geben, auch wenn ich dies sehr ungern und selten mache. Emma lacht nur über meinen kläglichen Versuch einen zweideutigen Witz zu machen.
"Was hast du jetzt?", frage ich sie.
"BWL" Emma hat sich für ein einfaches und schnelles Studienfach entschieden. Sie will die Uni einfach schnell hinter sich haben. Ich bin mir nicht sicher, ob das ihre beste Entscheidung ist, da sie sich mit dementsprechenden Berufen zufriedengeben muss. Und solange ich sie schon kenne, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie in so einem Beruf glücklich werden wird. Ihre Eltern sind wohlhabende Leute und wollen, dass sie studiert. Ihre Eltern lieben sie, doch konnten dies nie so richtig zeigen und ich denke, dass Emma darunter leidet. Sie ist nicht sehr glücklich und zufrieden in ihrem Leben und sehnt sich nach Liebe und Aufmerksamkeit.
"Was hast du jetzt für ein Fach?"
"Ich habe Mathe. Meine erste Stunde", erzähle ich ihr mit einem großen Lächeln im Gesicht. Ich schaue auf die Uhr auf meinem Handy und merke, dass ich mich jetzt beeilen muss.
"Ich muss jetzt auch los, sonst komme ich zu spät. Sehen wir uns später im Cafè?"
"Klar, bis dann"
Wir umarmen uns schnell und dann betrete ich das Gebäude und suche den Kursraum, in dem ich Mathe haben werde.
Als ich den Raum gefunden habe, ist der Raum noch sehr leer. Nur um die 3 Stundenten und 5 Stundentinnen sitzen schon in dem Raum. Ich setze mich möglichst weit nach vorne und hole schon mein Ipad raus. Ich freue mich riesig auf diesen Kurs. Ich wollte ihn schon letztes Jahr belegen, doch dann hätte es Überschneidungen mit anderen Studienfächern von mir gegeben. Umso glücklicher bin ich, dass es dieses Jahr funktioniert hat. Der Saal füllt sich mit immer mehr Studierenden und schon bald betritt der Dozent den Saal und fängt mit dem Unterricht an.

Völlig fertig von Mathe lasse ich mich auf einen Stuhl in dem Cafè auf unserem Campus plumpsen. Das Cafè auf dem Campus heißt "kurze Entspannung". Und diese "kurze Entspannung" brauche ich auch ganz dringend nach meinen Kursen. Meine Bestellung - ein Heidelbeermuffin und ein Kakao mit Zimt und extra Zucker - habe ich schon bei einem jungen Studenten an der Theke bestellt.
Emma kommt zur Tür rein und lässt sich auf den Stuhl mir gegenüber fallen.
"Und wie war BWL?", frage ich sie.
"Ganz in Ordnung. Aber natürlich war Justus wieder da. Er hat mit seinem neuen Mercedes angegeben, den sein Papi ihm geschenkt hat. Und dann dieser furchtbare Pulli, den sich diese arroganten BWL Studenten um die Schultern knoten. Da wird man ja wahnsinnig."
Ich kichere in mich hinein und betrachte Emma kopfschüttelnd. Der junge Student, bei dem ich meine Bestellung aufgegeben habe, kommt mit dieser auf mich zu. Er stellt sie vor mir ab.
"Lass es dir schmecken."
"Danke"
Dabei gucke ich ihn nicht wirklich an, da ich dringend Nervennahrung brauche und viel Zucker. Ich reiße die Zuckerpackung auf und schütte sie in meinen Kakao. Der Student wendet sich an Emma.
"Kann ich dir irgendwas bringen?", fragt er sie.
"Einen extra starken Kaffee bitte, einen Brezel und vielleicht noch deine Nummer." Während sie mit ihm spricht, verschlingt sie ihn mit Blicken und fügt ihrer letzten Bemerkung noch ein Zwinkern hinzu. Der Kellner merkt es, kann es jedoch ziemlich gut verstecken. Er schreibt die Bestellung auf, lächelt mir zu und geht zur Theke. Mir gegenüber sitzend bleibt nur eine fassungslose Emma zurück und ich muss leicht kichern. Sie ist es nicht gewohnt, dass auf ihre Flirtversuche nicht angesprungen wird.
"Was ist denn mit dem bitte los?! Hat der denn nicht gecheckt, dass ich mit dem geflirtet habe und wie ich ihne angeschaut habe?! Merkwürdiger Kauz."
"Wenn auch ein sehr Süßer.", füge ich noch hinzu. Er hat dunkelblonde und verwuschelte Haare, die seine smaragdgrünen Augen betonen. Außerdem hat er eine schlanke und sehr sportliche Statur.
"Naja, ansichtssache", gibt sie schroff von sich. Ihre Tonlage hat sich nun geändert und ihre Bemerkungkann ich nicht nachvollziehen. Immerhin muss sie ihn ja attraktiv gefunden haben, wenn sie schon nach seiner nummer gefragt hat.
"Irgendwie kommt er mir bekannt vor", überlege ich laut.
"Wahrscheinlich hast du ihn mal auf dem Campus gesehen."
"Ja, wahrscheinlich."
"Aber hast du gesehen wie er dich angeschaut hat? Der hat dich voll im Auge", fügt sie nun wieder in einer begeisterten Tonlage hinzu.
"Mich?", frage ich verdutzt.
"Jahaaa, dich! Er ist ja schon ein Süßer. Und du brauchst endlich mal einen Freund."
"Erst flirtest du mit ihm - versuchst mit ihm zu flirten - und dann willst du ihn mit mir verkuppeln?" Bei ihren Launen komme ich manchmal echt nicht mit. Doch Emma winkt nur ab. "Ach, du kennst mich doch. Nichts unversucht lassen. Aber er scheint ein anständiger Kerl zu sein und wie er dich angeschaut hat."
Ich schaue nochmal zur Theke rüber, doch der süße Kellner Typ - mein Codename für ihn, auch wenn er nicht wirklich effizient ist - ist nicht mehr zu sehen. Auch Emmas Bestellung bringt eine andere Bedienung und nicht mehr der süße Kellner. Vielleicht ist das mal ein Mann, der es nicht mag so angegraben zu werden oder er hat eine Freundin. Wir trinken unsere Getränke aus und essen unser Essen auf, dann verlassen Emma und ich das Cafè und trennen uns, um zu unseren nächsten Kursen zu gehen.

Erkämpfte Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt