Willkommen in der Hölle

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Als ich am nächsten Morgen in meinem Bett aufwachte, hatte ich für einen kurzen Moment gehofft, dass das, was letzte Nacht passiert war, nur ein ziemlich übler Albtraum gewesen sein musste. Schnell wurde mir jedoch bewusst, dass ich das Ganze nicht geträumt hatte und der Schrecken der letzten Nacht nur allzu real gewesen ist. Ich konnte noch immer nicht begreifen, weshalb Darin mich in diese Lage gebracht hatte und was er damit meinte, dass er und ich gleich wären. Hatte er schon einmal getötet? Vielleicht sogar mehrfach? Mir gefror das Blut in den Adern, allein bei der Vorstellung, ich könnte mich in einen Mörder verliebt haben, immerhin, wäre er dann auch nicht besser als der Mann, der meinen Vater auf dem Gewissen hatte. Als der Mann, den ich letzte Nacht getötet hatte.

Ich spielte mit dem Gedanken, alles meiner Mutter zu erzählen, oder sogar zur Polizei zu gehen. Ich wollte mich nicht von Darin erpressen lassen. Doch welche Wahl hatte ich... also, realistisch gesehen? Alle Beweise deuteten auf mich als Täterin hin, er könnte sich eine wilde Story ausdenken, dass er mir nur gefolgt sei, um mich vor einem großen Fehler zu bewahren. Dass ich verrückt geworden sei, einfach durchgedreht, nachdem ich den Mann, der meinen Vater getötet hat, endlich gefunden hatte. Diese Theorie war so erschreckend plausibel, dass ich nicht wirklich hoffen konnte, dass die Polizei mir glauben würde. Wenn ich ihnen erzählen würde, dass ein, im Endeffekt Fremder, wochenlang durch die Straßen von New York streifte und jedes noch so kleine Nest nach diesem Mann absuchte, nur um ihn mir auf dem Silbertablett zu servieren, mir eine Waffe in die Hand zu drücken und während sie sich in meiner Hand befindet, auch noch einen Schuss abzugeben... Wenn ich mir das so vorstelle, würde ich mir nicht mal selbst glauben. Also entschied ich mich, panisch wie ich war, bei Darins Plan mitzumachen, denn ich wollte um jeden Preis verhindern, dass ich ins Gefängnis komme für etwas, das ich niemals getan hätte. Immerhin waren diese Typen allesamt Verbrecher, oder? Ich wollte mir einreden, dass sie es verdient hätten, doch ich wusste genau, dass es falsch war.

Ich musste von zu Hause weg, so viel war klar, immerhin war Darin der festen Überzeugung, dass sie uns suchen würden, um den Tod ihres Freundes zu rächen. Vielmehr würden sie mich suchen, denn ich war mir ziemlich sicher, dass Darins kriminelle Energie auch dazu reichte, mich notfalls allein mit diesem Schlamassel zu lassen und seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Ich wartete, bis meine Mutter das Haus verließ, um zur Arbeit zu gehen, dann packte ich so viel Zeug ein ,wie ich eben tragen konnte und hinterließ meiner Mutter einen Zettel:

Hey Mom,

wenn du das hier liest, bin ich nicht mehr da. Ich kann dir aktuell nicht erklären, was passiert ist und was mich dazu bewegt hat zu gehen, doch sei dir sicher, es hat nichts mit dir zu tun. Ich will, dass du weißt, dass ich dich über alles liebe und dass ich niemals etwas tun würde, um dir zu schaden. Ich bitte dich inständig, zu deiner und auch zu meiner Sicherheit, bitte such nicht nach mir. Wenn alles vorbei ist, werde ich zurückkommen und dir alles erklären.

In Liebe,

Ava

Dann machte mich auf zu Darins Haus. Er lebte allein, in einem schicken Häuschen, außerhalb der Stadt. Ich hatte mich schon immer gefragt, wie er sich das wohl leisten konnte, immerhin arbeitete er nur gelegentlich, mal hier, mal da. Aber ich vermutete ab diesem Zeitpunkt, dass er noch viel tiefer in kriminelle Machenschaften verwickelt war, als ich glauben wollte.

Er empfing mich mit offenen Armen, gewohnt freundlich und tat so, als wäre nichts von alledem passiert. War das seine Art, solche Dinge zu verarbeiten? Oder war ihm das Schicksal seiner Opfer schlichtweg egal? Wie dem auch sei, ich hätte Angst vor ihm haben müssen. Aber die hatte ich nicht. Oft fragte ich mich, ob mit mir etwas nicht stimmte, immerhin war er ganz klar ein Psychopath und eigentlich war ich bei ihm nicht sicher. Nicht sicherer, als ich es zu Hause gewesen war jedenfalls.

Es dauerte nicht lang, bis Darin mir verkündete, er hätte den nächsten Mann dieser Bande ausfindig gemacht. Einen Mann namens Ted Harrington. Er war Fischer und lebte allein auf seinem Boot. In 3 Tagen werden wir ihn holen, Ava. Freust du dich schon?", fragte er mich, mit einem beinahe wahnsinnigen Lächeln im Gesichten. Ich schaute ihn nur an und lächelte matt. Das Letzte, was ich wollte, war, einen Mann zu verärgern, der mich ohne mit der Wimper zu zucken umlegen würde. Ich wollte irgendwie lebend aus dieser Sache rauskommen.

In den nächsten 2 Tagen übte Darin mit mir den Umgang mit Waffen, es reichte nicht den Abzug betätigen zu können, wenn man jemanden töten wollte. Er machte mir unmissverständlich klar, dass er mir nicht jeden dieser Männer gefesselt und geknebelt vorsetzen würde. Und es bereitete ihm unfassbare Freude, zu sehen, wie viel Angst mir allein die Vorstellung machte, bewaffneten Gangstern gegenüberzustehen und immer fürchten zu müssen, dass sie mich zuerst erschießen. Manchmal glaubte ich, es machte ihn sogar auf eine schräge Art und Weise an, mich, diesen Monstern mehr oder weniger zum Fraß vorzuwerfen. Trotzdem konnte und wollte ich mir nicht vorstellen, dass er wirklich zulassen würde, dass sie mich erschießen. Herausfinden wollte ich es dennoch nicht und herausfordern schon gar nicht. Also achtete ich genau auf seine Worte und versuchte so gut zu zielen, wie es nur irgendwie nötig war. Einen Vorteil hatte ich dabei, meine Hände zitterten keinen Millimeter, wenn ich mich konzentrierte, es war also beinahe unmöglich, dass ich mein Ziel verfehlte.

Als der 3. Tag anbrach, war mir bereits morgens speiübel und ich erbrach mehrere Male. Darin kümmerte es kein Stück, er ermahnte mich lediglich, es bis abends in den Griff zu bekommen, er würde es meinetwegen nicht verschieben. Das glaubte ich ihm, es war ihm wirklich ernst. Also versuchte ich, mich zusammenzureißen und er ging mit mir den Plan 2 Stunden, bevor es losging, ein letztes Mal durch: Pass auf, wir machen es folgendermaßen: Ich habe den guten Ted die letzte Zeit beobachten lassen, er ist immer allein, er bekommt keinerlei Besuch. Er verlässt das Boot nur für seine zwielichtigen Geschäfte, ansonsten ist er immer dort. Also wird er es heute Nacht ebenfalls sein. Wenn wir dort ankommen, wird Ted bewusstlos sein, aber nicht tot. Da kommst du ins Spiel. Ich will, dass du ihn mit meiner Hilfe an den Schiffsmast seines Bootes fesselst und wartest, bis er aufwacht. Bis es so weit ist, werde ich das Boot aufs Meer hinausfahren. Dann wirst du ihm die Waffe in den Mund stecken und ihn erschießen. Ich habe extra einen Schalldämpfer besorgt, keiner wird etwas hören. Wenn der Job erledigt ist, binden wir seinen Anker an seiner Leiche fest und versenken ihn ein Stück weiter draußen im Meer. Einer meiner Freunde wird uns dort dann mit einem Motorboot abholen kommen. Alles verstanden?" Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, aber Widerworte zu geben war eh zwecklos, also nickte ich und versuchte, mich zu beruhigen. In seiner Planung klang das alles ziemlich einfach, aber die Umsetzung? Die war es nicht.

Ted war tatsächlich bewusstlos, als wir eintrafen, jedoch war er auch ein recht stämmiger Mann gewesen und wir mussten einiges an Kraft aufwenden, um ihn an diesen verdammten Mast zu fesseln. Zum Glück gelang es uns und ich dachte, der schwerste Part wäre vorbei. Ich hatte mich geirrt. Ja, es war körperlich schwer gewesen, ihn zu diesem Mast zu schleppen und auch, seine Leiche samt Anker im Meer zu versenken, doch was wirklich schwer war, war der Moment, in dem ich ihn töten sollte. Seine angsterfüllten Augen werde ich niemals wieder vergessen. Niemals. Er weinte und schrie und bettelte mich an, ihn am Leben zu lassen. Ein erwachsener Mann, bettelte vor mir, einem halben Kind, um sein Leben. Ich zögerte, für Darins Geschmack, vermutlich bereits einen Moment zu lang, denn er ging dazu über, auch mir eine Waffe an die Schläfe zu halten und machte auch hier unmissverständlich klar, dass er abdrücken würde, wenn ich es nicht tue. Also tat ich, was er von mir verlangte.

Er steckte danach seine Waffe weg, doch er schien sichtlich verärgert. Er wollte, dass es mir Spaß machte, genau wie ihm. Darin konnte nicht ertragen, dass ich mit diesen Menschen mitfühlte und dass ich nicht so war, wie er es sich vorgestellt hatte. Aufgeben, wollte er deswegen noch lange nicht. Die Liste der Leute, die mit dem Tod meines Vaters zu tun hatten, war immerhin noch lang und er würde erst Ruhe geben, wenn ich alle getötet hatte, so viel war klar. Den ganzen Weg zurück, auf dem Motorboot seines Freundes, kämpfte ich mit den Tränen.

Am Anfang war das EndeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt