Kapitel 11

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In meinem süßen Girly-Outfit stehe ich nun vor Theos Wohnung, doch bevor mein Zeigefinger die Klingel herunter drücken kann, atme ich noch einmal ganz tief durch. Andernfalls würde ich wahrscheinlich gleich keine Luft mehr bekommen, weil dieser Typ mich völlig nervös machen wird.

Doch warum bin ich bei diesem Kerl so? Warum kann ich nicht einfach so sein wie ich immer bin? Selbstbewusst, ein bisschen frech und sehr direkt. Es kann doch nicht nur dran liegen, dass dieser Typ ein absoluter Frauenheld ist? Ich meine was macht ausgerechnet ihn denn so besonders und anders als alle anderen? Hat es mich etwa so sehr aus der Bahn geworfen diesen Herzedelstein bei ihm zu finden? So Schluss jetzt mit diesen Gedanken, sage ich zu mir selbst.

Nun ist es aber an der Zeit, dass ich die Klingel bediene und nicht noch weiter hier herumstehe. Bevor Theo mich begrüßen kann, kommt sein blondes Fellknäuel schon auf mich zu und wedelt voller Freude mit seinem flauschigen Hinterteil. Ich streichle seinem Hund über den Kopf und den Rücken ehe ich meinen Kopf wieder nach oben richte und Theo direkt ins Gesicht schaue.

Er begrüßt mich mit einem „Hi Lilly, schön, dass du da bist!" und gibt mir zwei Küsschen auf jede Wange.

Ob meine Wangen wohl rot geworden sind? Ich hoffe er hat nicht gemerkt, wie verlegen ich ihn angeschaut habe.

Ich begrüße ihn ebenfalls mit einem „Hi, Theo, danke für die Einladung".

Ganz gentlemanlike nimmt er mir meine Jacke ab, hängt sie an den Hacken und gibt mir zu verstehen, dass ich ihm in seine Küche folgen soll. Theo zieht seinen typischen

Theo - Geruch hinter sich her, den ich bei jedem unserer Schritte süchtig aufsauge. Ein Hauch von seinem Zitronenshampoo, etwas Minze und seinem Aftershave. Wie gut er riecht. Unfassbar gut. Wieso habe ich augenblicklich den Gedanken, ihn berühren zu wollen? Ich kenne diesen Mann doch kaum. Aber sein Duft hat eine extrem anziehende Wirkung auf mich.

Das ist doch völlig verrückt. Lilly, reiß dich zusammen. Du bist hier, weil du diesen leckeren Wein trinken möchtest und weil du mehr über deine Mutter herausfinden möchtest, sage ich zu mir.

Es ist eine Nacht gewesen und das auch nur weil ich viel zu fertig gewesen bin, um ihm noch zu sagen wo ich wohne, nach dem ich auf Tinas Hochzeit meine Mutter wieder gesehen habe und vor versammelter Mannschaft zusammengeklappt bin. Was ist das nur? Warum denke ich eigentlich so viel?

Wir erreichen die Küche und ich noch total in meinen Gedanken versunken, bekomme kaum mit wie Theo mir eine Gabel in den Mund schiebt, von der ich gierig das Essen verschlinge.

"Und was sagst du zu meiner Kreation?", fragt er und schaut mich mit diesem erwartungsvollen Blick an.

„Wow, das ist verdammt gut!", antworte ich und bin gleichzeitig beeindruckt von seinen Kochkünsten.

Er macht den Herd aus als er sagt: „Kochen ist eine meiner größten Leidenschaften, das ich leider nicht mehr so häufig mache, weil ich wegen meiner Arbeit oft nicht genügend Zeit dafür finde."

„Ich weiß ziemlich genau, was du meinst. Mir geht es auch oft so. Auch ich liebe das Kochen sehr, aber habe oft viel zu wenig Zeit dazu."

„Dann solltest du mir bei Gelegenheit mal deine Kochkünste zeigen", sagt er und zwinkert mir dabei zu.

Wir setzen uns nicht wie üblich an den Tisch, sondern auf sein fancy grau-weiß-kariertes Sofa. Ein Glastisch steht in der Mitte des Raums und überall an der Wand hängen Bilder von verschiedenen Wassermotiven. Ein Taucher in den Tiefen des Meeres, ein Leuchtturm auf einer Insel, ein wunderschöner Sonnenuntergang am Strand von Santa Monica Beach und ein Hafen mit hunderten von Segelboten.

Immer, wenn ich ein Segelboot sehe, muss ich an meine erste große Liebe denken, die immer ein Teil meines Lebens sein wird und die ich nie vollständig vergessen werde. Ich weiß zwar nicht mehr wirklich etwas aus dieser Zeit, aber ich weiß wie ich gefühlt habe und das dieses Gefühl unglaublich stark gewesen ist.

Theo nimmt die beiden Teller mit den dampfenden Spaghetti Carbonara und ich nehme den Wein und die Weingläser in die Hände. Wir setzen uns an den runden antiken Glastisch. Jedem von uns schenke ich etwas von der dunkelroten alkoholischen Flüssigkeit ein.

„Auf einen schönen Abend!", sagt Theo und lässt unsere Gläser gegen einander klirren.

„Prost!", ist meine Antwort.

Ich nippe kurz am Glas, bevor ich eine volle Gabel mit der Pasta in meinem Mund führe. Dieser Geschmack im Mund ist himmlisch. Wie kann der Typ schon wieder so bei mir punkten und das mit einem einfachen Abendessen? Wenn er so weiter macht, ist er noch der absolut perfekte Partner für mich. Ich liebe diese Pasta so, vor allem in Verbindung mit meinem Lieblingswein. Ich starre auf das Bild, das den Hafen und hunderte Segelboote zeigt.

Theo scheint mich genauestens dabei zu beobachten und fragt mich: „Na, gefällt dir dieses Bild?

„Ja, ich kann gar nicht aufhören es zu betrachten. Es erinnert mich an eine frühere Zeit", sage ich.

„Dieses Bild ist eines meiner Lieblingsbilder, das ich jeden Tag anschauen könnte, weil es so schön ist", sagt er.

„Dieses Bild scheint eine ganz besondere Bedeutung für dich zu haben oder?"

„Ja, es bedeutet mir in der Tat sehr viel. Ein Geschenk von einem Menschen, der einst ein wichtiger Teil meines Lebens gewesen ist", erwidert er.

Ich frage nicht weiter nach, weil ich in seinen Augen diese Freude und zu gleich diesen Schmerz erkennen kann, den ich selbst auch ständig habe, sobald ich an dieses Gefühl denke, was ich bei Sandro gehabt habe. Theo hat also genau wie ich möglicherweise seine große Liebe verloren? So wie er schaut, glaube ich das nicht nur, ich weiß es.

Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich mit ihm doch so gut unterhalten würde und dass er mich mehr versteht als ich anfangs gedacht habe. Diese leicht bedrückende Stimmung versuche ich mit einigen meiner lustigen Geschichten wieder weg zu bügeln. Das schaffe ich auch ganz gut, denn wir lachen was das Zeug hält. Wir hören kaum noch damit auf und ich vergesse irgendwie alles um mich herum.

Wir reden und reden und reden. Über so viele Dinge und ich habe das Gefühl in schon ewig zu kennen, obwohl ich ihn eigentlich kaum kenne. Es war definitiv eine gute Idee hier her zukommen. Ich habe mich seit Sandro nicht mehr so wohl mit einem Mann gefühlt. Und das will was heißen. Ich will ihn noch so vieles fragen. Die Sache mit dem Herzedelstein und mit meiner Mutter, aber irgendwie will ich gerade gar nicht weiter darüber sprechen. Ich will eigentlich nur weiter sein zauberhaftes Lächeln sehen.

Als er mir den letzten Schluck Wein einschenkt streift er mich am Arm. Auch, wenn es nur eine kurze Berührung ist, fühlt es sich unglaublich intensiv an. Seine Haut auf meiner Haut. Es gefällt mir viel zu gut. Ich wünsche mir mehr davon. Er schaut mir in die Augen und alles, was ich möchte, ist ihn zu küssen. Meine Lippen auf seinen Lippen. Meine Hände in seinem Nacken. Seine Hände wie sie mein Gesicht halten. Da ist eine Anziehung zwischen uns. Ich spüre ganz deutlich, dass er das auch spürt, aber er kommt nicht weiter auf mich zu.


Stattdessen unterbricht er diesen Moment, in dem er sagt: „Möchtest du noch etwas von diesem fantastischen Tiramisu?"

Nicht sein Ernst!? Verdammt ich möchte sein Nachtisch sein.

„Ja, gerne", sage ich und will ihn am liebsten zu mir heranziehen, aber ich mache es nicht. Ich lasse ihn in die Küche laufen und unser Moment verschwindet.


Schön, dass ihr diese Geschichte bis hierhin verfolgt habt.


Dein Herz ist mein HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt