Geheimnisse

635 23 86
                                    

Dags P.o.V.:

"Ja, der Anfang anzufang' ist hart", murmelte ich leise, während ich im Studio saß, die Beine zum Schneidersitz verschränkt und bestimmt schon das zehnte Blatt bekritzelte, mit der Hoffnung, meinen Gedanken endlich Luft zu machen. 

Aber es klappte nicht. Immer klang es entweder zu kitschig oder zu unromantisch. 

Ich konnte das einfach nicht, hatte ich noch nie gekonnt. 

Auch wenn mir ständig die richtigen Worte im Kopf herumschwirrten, zu Papier bringen konnte ich sie einfach nicht. Das würde ich wohl nie können. 

"Was machst du da?", ich erschrak heftig, als Vincent auf einmal hinter mir stand, mir mit interessiertem Gesichtsausdruck über die Schulter schaute. 

"Diggi, hat dir schon wieder eine Frau das Herz gestohlen, oder wie darf ich das verstehen?"

Ich wurde leicht rot im Gesicht, versuchte meine missglückten Versuche, irgendwie meine Gefühle zum Ausdruck zu bringen, irgendwie zu verstecken - aber dafür war es bereits zu spät. 

Vincent schüttelte leicht den Kopf, lächelte und sah mich sehr neugierig an. "Sagst du deinem besten Freund auch wer es ist?"

Ich schüttelte leicht den Kopf, seufzte und sah von ihm weg, fummelte an der Ecke des Blattes, wünschte mir, dass wir wirklich darüber miteinander reden konnten. Aber das war nicht so leicht. 

"Du hast Geheimnisse? Vor mir?", rief er etwas entrüstet. 

Es war nicht so einfach, wenn er derjenige war, für den ich Liebeslieder schrieb. Und das jetzt schon seit Jahren. 

Ich seufzte leicht, fuhr mir durchs Gesicht. 

Ich war noch nicht bereit, es ihm zu sagen.

Vielleicht würde ich nie dafür bereit sein.

Vincent schaute etwas enttäuscht, verschränkte die Arme vor der Brust und grummelte vor sich hin. Ich fand, er sah dabei ziemlich niedlich aus, aber das war ein Gedanke, den ich für mich behalten würde. 

"Ich krieg das schon aus dir heraus", entschied er und verließ den Raum, "Willst du auch 'nen Kaffee?"

Wieder schüttelte ich den Kopf, nur dass er es dieses Mal nicht sehen konnte. "Verdammter Sturstein."

"Das hab ich gehört!"

Ich musste nun etwas grinsen, ehe ich aufstand und ihm in die kleine Studioküche, nicht ohne den nicht einmal halbfertigen Text in meine Hosentasche zu stecken. Am liebsten hätte ich einfach die Situation totgeschwiegen, aber Vincent ließ mir kaum Ruhe, löcherte mich durchgehend mit Fragen. 

"Vinnie, bitte, ich will da nicht drüber reden", flehte ich, weswegen sich aber nur seine Augenbrauen zusammenzogen. Er verschränkte wieder die Arme vor der Brust und sah mich fast etwas böse an. 

"Seit wann redest du nicht mehr mit mir?", seine Stimme war leise und ehrlicherweise hatte ich mit etwas ganz anderem gerechnet, trotzdem hob ich abwehrend die Hände. 

"Es ist nicht so einfach."

"Es ist bestimmt nicht einfach, weil du es kompliziert machst", entschied er, nahm einen Schluck von seinem Kaffee, ehe er die Tasse beiseite stellte und mich stattdessen weiter musterte. Das schlimmste daran war, dass er damit nicht einmal unrecht haben könnte. 

Die Stimme in meinem Kopf machte immer alles komplizierter als es war, redete mir ständig ein, dass Vincent mich hassen würde, würde ich ihm meine Gefühle gestehen - und ich wollte meinen besten Freund einfach nicht verlieren. 

Und wir gucken UFOs beim Fliegen zu - SDP OneShot-SammlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt