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7:42 Uhr - wenn Catherine nicht in den nächsten 3 Minuten auftaucht fahre ich ohne sie. Ich steckte mein Handy zurück in meine Hosentasche und zog meine Jacke ein wenig fester um meinen Körper. Zum Glück war die Bushaltestelle überdacht, denn es regnete und ich hatte wie immer keinen Schirm. Dabei war so ein Schirm hier auf der kalifornischen Halbinsel Monterey um diese Jahreszeit überlebenswichtig, wenn man wie ich kein Auto hatte.
Als der Bus anrollte schaute ich noch mal in die Richtung aus der Catherine kam. Gerade rechtzeitig stürmte sie um die Ecke, hielt in der einen Hand ihre Tasche und in der anderen die Kaputze ihrer Jacke fest.
Grinsend hielt ich ihr die Tür auf. "Schneller, Cath!"
"Machen sie die Tür frei!", schimpfte eine ältere Dame. Gerade als die Leute ungeduldig wurden und der Fahrer die Türen schließen wollte quetschte sich Catherine dazwischen.
"Man, war das knapp!", lachte sie und hielt sich an der Stange mir gegenüber fest. Catherine war so etwas wie meine beste Freundin, dabei kannten wir uns noch gar nicht so lange. Zwar gingen wir schon ewig auf die selbe Schule, aber richtig angefreundet haben wir uns erst, als sie vor einem Jahr in meine Ballettgruppe kam.
"Hast du heute Zeit mir bei meinem Kunstprojekt zu helfen?", fragte sie.
Ich sah sie entschuldigend an. "Tut mir leid. Ich muss ins Diner."
"Klar.", antwortete sie grinsend. "Manchmal denke ich schon, du wohnst in dem Schuppen."
Ich zuckte mit den Schultern. Catherine hatte schon recht, ich verbrachte tatsächlich mein halbes Leben in dem kleinen Lokal. Aber die Leute waren nett und gaben gutes Trinkgeld, was ich dringend brauchte.
Seit ich denken kann war es mein größter Wunsch Tänzerin zu werden, aber die Ausbildung an einer richtig guten Schule war teuer. Normale Leute, wie meine Mutter, die von der Touristensaison lebte, konnten sich das einfach nicht leisten.
"Kriegst du das Geld überhaupt zusammen?" Skeptisch sah sie mich an. Catherine wusste, wie hoch der Aufnahmebetrag war und sie wusste auch, dass ich mit meinem Kellnerjob alles andere als viel verdiente.
"Weißt du, ich glaube immer noch fest daran, dass ich die fehlenden 1000 Dollar auf der Straße finde."

Wir kamen 5 Minuten zu spät in der Schule an, da auch Catherine keinen Schirm hatte und der leichte Regen sich zu einem richtigen Wolkenbruch entwickelte. Wir überlegten ganze 10 Minuten, wie wir den Weg von der Haltestelle bis zum Schulgebäude am besten überwinden sollten. Schließlich liefen wir einfach quer durch, so schnell wir konnten. Besonders schnell, waren wir allerdings beide nicht und so saß ich am Ende mit einer nassen Hose, die an meinen Beinen klebte im Unterricht.
"Ab morgen nehmen wir beide einen Schirm mit!", begrüßte ich Catherine nach der Stunde. "Ich will nie wieder eine klebrige Hose."
"Alles klar", grinste sie. "Das vergisst du morgen eh wieder."
Wir schlängelten uns zwischen den Menschen hindurch zum Ausgang. Noch war es warm genug, um draußen sitzen zu können und da sie wegen der langen Regenzeiten hier vor ein paar Jahren ohnehin so gut wie alles überdacht hatten taten wir das auch.
Die Luft war feucht und überall roch es nach nassem Asphalt. Ich ließ meine Tasche auf den Tisch fallen und setzte mich Catherine gegenüber.
"Hast du eigentlich schon gehört was über Andrew erzählt wird?", fragte Catherine, während sie sich eine Gabel voll Salat in den Mund stopfte. Ich schüttelte den Kopf. Von Gerüchten bekam ich so gut wie nichts mit, allerdings wollte ich sie sowieso nicht hören, wenn sie Andrew betrafen. Er gehörte nicht gerade zu meinen Liebsten an dieser Schule. Mit dieser Meinung stand ich nur ziemlich alleine da. Die meisten, die ihn kannten, waren begeistert von ihm. Dabei war er nicht einmal wirklich nett. Das einzige, was für ihn sprach war sein gutes Aussehen und seine Ausstrahlung, mit der jemanden leicht um den Finger wickeln konnten.
Catherine warf einen Blick über die Schulter um sichergehen zu können, dass uns niemand zuhörte. Dann drehte sie sich wieder um und lehnte sich ein Stück nach vorn, als würde sie mir eine total geheime Information vermitteln.
"Cath, wenn das Gerücht schon überall rumerzählt wird musst du es nicht flüstern.", lachte ich.
"Es wird ja gar nicht überall rumerzählt. Ich habe es durch Zufall mitbekommen, ein paar seiner Freunde haben darüber geredet."
Ich nickte und wedelte mit der Hand, damit sie einfach weiterredete. Ich wollte aus der Sache kein ewig langes Gespräch machen. Andrew und ich waren früher mal befreundet. Da waren wir noch klein, Dinge wie Geld oder solzialer Status, waren zu der Zeit nicht wichtig. Aber als wir älter wurden haben wir uns in so unterschiedliche Richtungen entwickelt, dass wir uns schnell aus den Augen verloren. Andrew wurde zu einem wirklich hübschen Kerl, der lernte seine Mitmenschen zu manipulieren und nach seinen Regeln spielen zu lassen, wie es ihm gerade passte. Und ich arbeitete wie besessen um mir den Traum zu verwirklichen, den ich mir anders nicht leisten konnte.
"Jedenfalls", fuhr sie fort. "War er wohl seit 3 Wochen nicht in der Schule und keiner hat irgendwas von ihm gehört. Aber irgendwer hat seine Eltern jetzt schon mehrfach am Community Hospital gesehen. Sie denken er hatte einen Unfall oder so."
Gespannt wartete Catherine auf meine Reaktion. Ich konnte es mir nicht vorstellen, dass Andrew wirklich schwer krank war oder einen schlimmen Unfall hatte, aber ich musste zugeben, dass es mir nicht egal war, auch wenn es mich nichts mehr anging.
"Findest du diese Spekulationen nicht ein bisschen lächerlich. Nur weil der Kerl mal nicht da ist, muss doch nicht gleich die ganze Schule Panik schieben, dass ihm eventuell was passiert sein könnte." Gut, es waren nur seine Freunde, die sich Gedanken machten, aber von denen hatte er ja mehr als genug. "Ich finde es einfach übertrieben und irgendwie auch lächerlich. Wir haben mit denen nichts zu tun, also was interessiert es uns, wenn einer von ihnen verschollen ist." Demonstrativ packte ich mein Essen zurück in meine Tasche, obwohl die Pause noch nicht zu ende war. Erst auf Catherines skeptischen Blick bemerkte ich, dass ich wohl ein wenig zu schroff klang.
"Ist ja gut. Du musst ja nicht gleich so ausrasten. Zum lästern suche ich mir wohl besser eine andere beste Freundin." Sie grinste mich an und ich streckte ihr die Zunge raus. So schnell war die miese Stimmung auch schon wieder weg. Richtig gestritten haben wir uns noch nie und da wir alle Probleme mit Scherzen aus der Welt schafften, würde das wohl auch nicht so schnell passieren.

Die restlichen Schulstunden und meine anschließende Schicht im Diner zogen sich heute wie Kaugummi in die Länge. Auf dem Weg nach Hause wurde ich sogar ein zweites Mal nass, als ein Auto direkt neben mir durch eine Pfütze fuhr. Das hatte mir mehr oder weniger entgültig den Tag vermiest. Ich beeilte mich nach Hause zu kommen um das dreckige Pfützenwasser und den Geruch des Diners aus meinen Haaren zu waschen. Es war jetzt 8 Uhr. Ich hatte noch keine Hausaufgaben gemacht, nicht gelernt und außer ein paar Pommes, die ich klauen konnte bevor sie auf den Teller kamen, auch noch nichts gegessen. Und trotzdem war mit mir an diesem Tag wie so oft nichts mehr anzufangen. Also versicherte ich meiner Mom möglichst glaubhaft, dass ich einen schönen Tag hatte und verkroch mich in mein Bett, in der Hoffnung mit besserer Laune wieder aufzuwachen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 07, 2015 ⏰

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