Kapitel 7 - James

99 49 50
                                    

Beide Arme in die Höhe gestreckt, ließ James sich zurück in den Stuhl fallen, eine halbe Minute nachdem Luis die Tür hinter sich geschlossen hatte. Anstrengend - mehr war dieser Tag nicht. Die schlimmste Bürde seines Lebens. Wo waren die Banditen, wenn man sie brauchte? Die Räuber und Entführer?

Seufzend zupfte James an dem gefalteten Stück Papier herum. Er hätte die Buchhandlung nie betreten dürfen. Doch Nostalgie hatte ihn förmlich über die Schwelle geschubst.

---

Das Windspiel klirrte, als James den Laden betrat. Eine Weile war seit seinem letzten Besuch vergangen und doch hatte sich nichts geändert. Es roch noch immer nach frischen Eclairs. Allein das machte den Umweg schon wert. Feenlichter hingen über den Regalen und Hocker, Decken und Kissen streuten sich durch den gesamten Laden. James hatte es sich hier früher oft bequem gemacht, ein oder zwölf Bücher an seiner Seite, nur um den Miseren des Alltags zu entkommen.

Die Besitzerin, eine rothaarige Dame mit selbst gehäkelten Pilzohrringen, streckte ihren Kopf aus dem Hinterzimmer hervor. Ihren Augen funkelnden, als sie ihn musterte. James konnte kaum blinzeln, da stand sie auch schon vor ihm, ein Spitzenhandschuh über die Schulter geworfen. Durch runde Gläser blickte sie zu ihm herauf.

"My, oh my - kann es sein? Der kleine James Witterbane. Bei den Göttern, wie lange ist es her? Du warst ja fast noch ein Küken, als ich dich zuletzt sah!" Sie umrundete ihn ein, zwei, dreimal. Duckte unter seinen Armen durch wie ein Spürhund auf Drogensuche. "Und wie groß du geworden bist! Komm, komm!", sagte sie und scheuchte ihn mit raschen Schritten in eine der Leseecken. Die in der Romantiksektion, wenn er sich nicht täuschte, mit roten Plüschsesseln und orangenen Vorhängen.

Jackie, na ja, eigentlich Jennette Omora, doch so nannte sie sich, klatschte zweimal in die Hände. Unverzüglich klang ein Rattern aus dem Hinterzimmer, bevor zwei rauchende Tassen Tee hervortanzten und sich zwischen ihnen niederließen.

"Du musst mir alles erzählen! Die Sorgen, die ich mir gemacht habe, nachdem du einfach nicht mehr aufgetaucht bist. Deinem Bruder ging es genauso. Immer wieder ist er vorbeigekommen. Ich schätze, deshalb bist du hier, mh? Wegen seiner Nachricht?"

James blinzelte. Ein breites Lächeln zog sich sogleich über sein Gesicht. "Ich - Ich habe keinen..." Zumindest keinen, der hiervon wusste. Dafür hatte er gesorgt.

"Ein Cousin von dir vielleicht?"

James schüttelte den Kopf. Gewiss nicht.

"Oh! Das erklärt es. Zwanzig ist zwar ein bisschen jung, doch wenn man den Richtigen gefunden hat, warum warten, nicht wahr?"

"Wie...bitte?"

Jackie lachte. "Na dein Ehemann, Dusselchen! Das ich es nicht eher erkannt habe. Einen richtigen Charmeur hast du dir da gesucht, sehr athletisch, wenn auch ein wenig unerfahren bezüglich Klassiker."

Tief durchatmen. James zwang seinen Körper sich zu entspannen und sank etwas tiefer in den Plüschsessel. Als hätte er alle Zeit der Welt, nahm einen Schluck aus der Teetasse, ehe er sie wieder auf den Tisch abstellte. Er hatte sogar an ihr gerochen, bevor er sie zu seinen Lippen geführt hatte.

"Du hast eine Nachricht erwähnt? In Ingwerhauch, nicht wahr?"

Sie nickte. "Cleveres Bürschchen, beide von euch. Er wusste gleich, dass du es warst. Musste nur das Cover sehen. Doch ich muss schon fragen, warum jetzt und dann noch eine Onlinebestellung. Man würde fast meinen, du wolltest jemand anderen die Abholung übernehmen lassen. Wie die junge Lady draußen im Wagen. Sicher, das du sie nicht hereinbitten möchtest?"

"Rhyllis? Oh nein - sie - das hier ist nichts für sie."

"Ein seltsamer Name." Jackie nahm einen Schluck ihres Tees und blickte ihn auffordernd über den Tassenrand hinaus an.

Dreams of GreedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt