Paul

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"Du glaubst mir nicht, was mir heute im Cafè passiert ist", sage ich schwer atmend, während ich Klimmzüge mache.
Maxi neben mir stemmt Gewichte. Wir beide sind Gympartner. Wir gehen immer zusammen, um den anderen zu motivieren oder uns gegenseitig anzustacheln.
"Erzähl!", fordert er mich auf, während er eine kurze Pause einlegt.
"Also, heute war Clara da. Sie hat sich-"
"Einen Kakao mit Zimt und extra Zucker bestellt und einen Heidelbeermuffin, jaja und weiter? Was ist passiert? Hast du sie endlich angesprochen?", unterbricht mich mein reizender Freund. Ich schaue ihn nur grimmig an und erzähle meine Geschichte weiter.
"Nach einer Weile kam auch ihre Freundin und ich bin hingegangen, um ihre Bestellung aufzunehmen. Das ist eine blonde und sehr schlanke. Für meinen Geschmack zu dürr und dann noch Tonnen Make-Up im Gesicht, sodass man nichts natürliches mehr sieht. Auch die Haare sehr aufgedonnert, doch neben Clara habe ich sie nie bemerkt. Naja, auf jeden Fall frage ich sie, was ich ihr bringen kann und sie besitzt doch wirklich den Nerv an ihre Bestellung dranzuhängen, dass ich ihr doch auch meine Nummer gleich mitbringen könne."
Maxi hält inne und schaut mich mit einem stolzen Grinsen an.
"Schau nicht so! Ich bin gar nicht erst drauf eingegangen, sondern habe ihre Bestellung - nur die, die mit Lebensmitteln zu tun hatte - aufgeschrieben, habe Clara zugelächelt, habe mich umgedreht und habe meine Kollgein Lisa die Bestellung zu dem Tisch bringen lassen."
"Du bist mir einer. Da fragt dich schon eine, nach deiner Beschreibung her, echt gutaussehende Frau nach deiner Nummer und du sagst nichts?!"
"Ja, richtig. Ich will nicht sie, sondern Clara. Außerdem sieht sie viel besser aus und natürlicher. Ich meine, wenn es ihr gefällt bitte, aber für mich ist das nichts. Wenn sie nächstes Mal kommt, kann ich ihr ja deine Nummer geben, wenn du es unbedingt willst oder ein Abschminktuch." Ich löse meinen Griff von der Stange und lande auf dem Boden. Dann trinke ich etwas und wische mir mit meinem Handtuch über die Stirn.
"Oh nein. Ich bin sehr glücklich mit meiner Freundin!"
"Mit Bella hast du auch die Richtige erwischt. Sie hält dich von Dummheiten ab."
"Ja, da hast du recht. Jetzt brauchst du aber noch deine Bella. In Form von Clara. Du musst sie irgendwie ansprechen!"
"Aber wie? Und vor allem: Das ist doch total komisch! Sie kennt mich doch gar nicht richtig. Oder soll ich sagen: Hey, ich bin der Kellner aus dem Cafè. Ich beobachte dich schon seit des ersten Semesters und kenne deine Bestellung in und auswendig. Willst du mal mit mir ausgehen?
Danach habe ich kein Date mit ihr, sondern Pfefferspray im Auge! Sie wird denken, dass ich einen totalen Knall habe und ein Spanner bin."
"Hast du doch auch"
"Ja, aber-", ich stocke und schaue einen lachenden Maxi an. Ich haue ihm gegen die Schulter und gehe zur Beinpresse.
"Vielleicht solltest du die Sache wirklich eleganter angehen. Aber wie muss ich mir noch überlegen. Weil deine Idee ist echt Panne."
Ich grummel vor mich hin und mache meine Übung weiter.
"Ich werde morgen mal weitersehen."

Nach dem Training gehe ich schnell duschen und warte danach auf Maxi. Er braucht immer eine Ewigkeit in der Dusche. Und das schlimmste ist, ich muss mir sein Privatkonzert immer anhören. Könnte er singen, wäre es wenigstens schön anzuhören, doch ich glaube, dass ich irgendwann einen Hörschaden erleiden werde, weil er einfach nicht singen kann. Dann kann er mir aber auch das Hörgerät kaufen. Ich frage mich wie Bella es mit ihm aushält. Vielleicht ist sie ja schon taub und hört den Quark nicht mehr, der aus seinem Mund kommt.
Da kommt der Popstar auch schon angelaufen. Seine Tasche hängt ihm lässig über die Schulter und er streicht sich mit der linken Hand die noch feuchten Haare aus der Stirn. Die Mädchen, an denen er vorbeiläuft, schauen ihm alle nach und das weiß er auch. Doch er lässt sich nichts anmerken. Er hat nur Augen für seine Freundin. Die beiden sind echt süß zusammen und mit Bella hat er auch eine Frau abbekommen, die man sehr gut ertragen kann. Sie ist lustig und nett. Seine vorherige Freudin war nicht zum aushalten. Mir läuft noch immer ein kalter Schauer über den Rücken, wenn ich an sie denke. Sie war ganz komisch. Sie hat sich hinter seinem Rücken immer an andere Typen rangeschmssen, doch er wollte es nie wahrhaben, bis er sie dabei erwischt hat.
"Du solltest Eintrittgeld für die Duschen verlangen, wenn du dort solche Konzerte gibst", meine ich zu Maxi, als er vor mir zum stehen kommt.
"Oder besser noch: Geld für Ohrstöpsel. Dann wirst du in Kürze reich."
Er boxt mir gegen die Schulter und ich lache in mich hinein.
"Jaja, pass auf, was du sagst. Sollen wir los?"
"Jepp" Wir treffen uns mit seiner Freundin in einer Bar, doch ich werde nicht so lange bleiben, da ich morgen Uni habe. Bella und Maxi eigentlich auch, doch die beiden stört das nicht. Mich würde es auch nicht wundern, wenn die beiden nur 4 Stunden Schlaf bekommen.
"Weißt du was?", fragt Maxi mich. Ich gucke ihn erwartungsvoll an und ziehe fragend eine Augenbraue in die Höhe. "Du solltest es mal mit einem Lied für deine Clara versuchen!"
"1. Nein, auf keinen Fall! 2. Sie ist nicht "meine" Clara."
"Noch nicht" Ich erwiedere auf seinen Kommentar nichts und wir gehen den Rest zur Bar schweigend.
In der Bar ist es sehr laut und voll. Bella ist schon drin und wartet an einem Tisch auf uns. Als sie uns kommen sieht, steht sie auf und hat ein Lächeln im Gesicht. Sie geht auf Maxi zu und schlingt die Arme um seinen Nacken. Dann küssen sie sich. Für meinen Geschmack etwas zu leidenschaftlich in der Öffentlichkeit.
"Hey Leute, fresst euch nicht auf", motze ich sie aus Spaß an und lasse mich auf die Bank fallen.
"Ach Paul, du bist heute mal wieder der Sonnenschein in Person. Da braucht man ja eine Sonnenbrille, um nicht geblendet zu werden", meint Bella und lässt sich auf Maxis Schoß fallen. Dann schiebt sie mir eines der Biergläser rüber, die schon auf dem Tisch standen. Ich nehme es an und wir stoßen an. Die beiden fangen an zu quatschen und ich schweife in meine eigenen Gedanken ab. Ich muss mir noch ein Mathebuch kaufen. Morgen am besten. Nach der Uni und der Arbeit im Cafè.
"Du bist heute so ruhig, Paul. Was ist los?", fragt Bella mich. Maxi lehnt sich vor, bis sein Mund ihre Wange berührt. "Er ist verlieeebt", trällert er und es ist rauszuhören, dass er schon leicht angetrunken ist. "Stimmt gar nicht!", versuche ich das allzu offensichtliche zu bestreiten. Nur bin ich mir nicht sicher, ob ich es vor mir selber bestreiten möchte oder vor Maxi und Balla. Zweiteres. Auf jeden Fall. Wahrscheinlich. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Aber um mich in sie zu verlieben oder überhaupt in sie verliebt sein zu können, muss ich sie erstmal besser kennenlernen oder überhaupt kennenlernen. Bis jetzt finde ich sie einfach nur hinreißend und unglaublich hübsch. Außerdem wirkt sie sehr intelligent und interessant.
"Uhhh, in wen? Wer ist sie? Kenne ich sie? Woher kennst du sie? Findet sie dich nett?"
Maxi lacht auf und ich gucke ihn grimmig an.
"Um die Frage beantworten zu können, ob sie ihn nett findet, muss er sie erstmal ansprechen."
Bella guckt mich verwirrt an. "Wie meint er das? Du hast nicht mit ihr gesprochen? Woher kennst du sie denn?"
"Aus dem Cafè. Sie isst immer dort und ich bediene sie auch ab und zu. Außerdem ist sie jetzt in meinem Matheseminar!"
"Hm, okay. Wie willst du sie ansprechen?"
"Weiß ich noch nicht"
"Okay, sprich sie einfach an, wenn du bereit bist"
Noch eine Eigenschaft, die ich an Bella mag: sie ist immer offen für alles, bedrängt einen nicht und hört einem zu. Sie kann auch sehr gute Ratschläge geben.
"Leute ich muss dann mal gehen. Morgen ist Uni und so, wisst ihr ja, aber interessieren tut es euch ja nicht sonderlich."
Die beiden grinsen mich nur dümmlich an.
"Bis morgen, Maxi. Bis dann, Bella" Sie verabschieden mich und ich stehe auf. Als ich aus dem Club komme, atme ich die kühle und frische Luft ein, die mir entgegenweht. Dann mache ich mich auf den Weg zu meiner Wohnung.
Morgen habe ich nochmal das Matheseminar. Das nimmt einen Großteil meines Stundenplans ein. Als angehender Architekt brauche ich das auch. Da Mathe mir aber immer schon Spaß gemacht hat, habe ich kein Problem damit.
Ich hoffe, dass ich morgen Clara sehen werde.

Erkämpfte Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt