Kapitel 12

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Es dauert gefühlt eine halbe Ewigkeit bis Theo mit dem Tiramisu wieder zurückkommt. Ich kann noch immer an nichts anderes denken als an seine Lippen, die ich so gerne auf meinen Lippen fühlen möchte. Dieser Typ macht mich noch völlig verrückt.

Warum küsst er mich nicht einfach, wenn er es eigentlich auch so sehr möchte? Warum ist er so zurückhaltend? Warum bin ich nicht diejenige, die den ersten Schritt macht? Wir befinden uns doch schon längst in einer Zeit, in der eine Frau nicht mehr nach dem typischen Klischee handeln muss. Auch ein Mann hat seine Gründe für seine anfänglichen Ängste, einer Frau näher zu kommen.

Männer sind gar nicht so viel anders als Frauen. Denn jeder Mensch hat bestimmte Kapitel aus seiner Vergangenheit, die ihn auch heute noch beeinflussen und weshalb er so handelt wie er handelt. Ich weiß das alles, aber irgendwie hält mich trotzdem etwas in mir zurück, mein Verlangen sofort zu stillen.

Ich sitze hier mit meinen Beinen überschlagen und ziemlich schwitzigen Händen, die ich in einander verflochten habe. Theo reicht mir eine Schüssel mit dem cremig-keksigen und klebrig-süßen Nachtisch. Damit ich mich von meinen Kussgedanken ablenken kann, versuche ich einfach wieder irgendwas zu reden. Ich nehme den ersten Löffel und lasse diesen unglaublich guten Geschmack auf meiner Zunge zergehen.

„Theo, das ist noch mal eine Schippe drauf. Einfach unglaublich gut", sage ich und schließe dabei kurz meine Augen.

„Freut mich, dass es dir schmeckt. Ich habe mir auch alle Mühe gegeben. Das hier ist mein Erstversuch."

Meine Augen öffnen sich bei dem Wort Erstversuch sofort wieder, weil ich nicht glauben kann, was ich da höre.

„Wirklich sehr beeindruckend. Diese spezielle Tiramisukreation. Ich schmecke einen Hauch von Himbeere und etwas Kakao heraus."

„Nicht schlecht Frau Expertin. Tja.. Aber leider nicht ganz richtig geraten. Es ist keine Himbeere. Kleiner Tipp. Diese Zutat ist meine Lieblingszutat", sagt er mit seinem schelmischen Lächeln.

„Ja, sehr witzig Herr Koch. Woher soll ich das denn jetzt wissen?"

„Kannst du nicht. Jetzt musst du dich eben damit zufrieden geben, dass du nicht alles weißt."

„Ich will das jetzt aber wissen!"

„Ich will auch was wissen!", sagt er mit diesem Nachdruck in seiner Stimme, der sehr bestimmend klingt.

„Ach, was will der Herr denn so wichtiges von mir wissen?", frage ich ohne darüber nachzudenken, wohin diese Überleitung führen könnte.

Nämlich zu dem Grund, aus dem ich ursprünglich hier hergekommen bin. Aber dann ist dieser Moment zwischen mir und Theo entstanden, weshalb ich den Zweck für dieses Treffen in die hinterste Ecke meiner Gedanken verbannt habe. Aber nun ist dieser Gedanke wieder sehr präsent und ich weiß nicht mehr was ich sagen sollte. Ich will nichts sagen, weil ich nicht weiß, was passieren wird und weil ich plötzlich diese unterschwellige Angst verspüre, die mir sagt, dass ich diesen Mann nach diesem Gespräch vielleicht nicht wieder sehen werde.

Diese Wahrscheinlichkeit besteht. Sie besteht immer. In der Liebe und in der Freundschaft gibt es Phasen, die einen auseinander bringen oder noch enger zusammenschweißen können. Entscheidend ist, wie man sich in einer Situation verhält und wie die Reaktion darauf ist, was davon abhängt wie man gelernt hat, mit seinen Gefühlen umzugehen.

Wenn die Wahrheit auf dem Tisch liegt, fängt man an vieles zu hinterfragen und sich klar zu machen, was diese Wahrheit für einen bedeutet. Die Wahrheit kann eine Menge durcheinander bringen. Gefühlen fahren Achterbahnen, das Leben könnte sich drastisch verändern und alles, was du vorher geglaubt hast, in ein anderes Licht stellen.

Dein Herz ist mein HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt