Ein Neuanfang

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Ich werfe mein letztes Kleidungsstück in den Koffer. Mein Blick fällt auf die vielen Klamotten, die über den Rand des Koffers quellen. Es sind eindeutig zu viele. Aber ich kann mich von keinem trennen. Es hängen viel zu viele Erinnerungen an ihnen. Ich stopfe die überstehenden Klamotten in den Koffer und setze mich drauf. So lässt sich der Reißverschluss ohne Probleme zu ziehen.

Es klopft an der Tür und im nächsten Moment steht Sophia im Türrahmen. Meine beste Freundin. "Du packst schon. Sie zieht einen Schmollmund. "Ich wollte dir doch helfen". Ich lache. Damit hatte sie schon viele um ihren Finger wickeln können. "Du hast so seelenruhig geschlafen. Ich wollte dich nicht wecken". Sage ich und lasse mich erschöpft auf mein Bett fallen. "Ich werde dich so schrecklich vermissen Lia". Sie kommt mit drei großen Schritten auf mich zu und lässt sich neben mich plumpen. sie lächelt traurig und schlingt ihre arme um mich." Wie soll ich bitte Marys Launen ohne dich aushalten." Ich muss grinsen. Stimmt. Mary, die einzige, die ich nicht vermissen werde.

So sitzen wir eine Weile da, jeder in seinen Gedanken versunken, bis es erneut an der Tür klopft. Miss Gale steckt ihren dunklen Lockenkopf zur Tür herein. "Die ganzen Jahre über war sie wie eine Freundin für mich gewesen. Sie hatte sich um mich gekümmert und ich hatte ihr alles anvertrauen können. Sie war ganz anders als die anderen Erzieher. Sie hatte sich für einen Zeit genommen. Mein Herz wird noch schwerer. Bei dem Gedanken, dass ich auch sie verlassen musste. Ihr Mund verzieht sich zu einem traurigen Lächeln. Natalia, soweit ist alles bereit. Die Browns werden jede Minute eintreffen.

Die Browns. Grace und Ernest. Meine Neue Familie. Als ich erfahren habe, dass sie keine Kinder haben war ich sehr erleichtert gewesen. Ich hätte mich wahrscheinlich noch unwohler gefühlt als ohnehin schon. Ich hatte sie schon ein paar mal getroffen. Aber nicht lange, es waren nur kurze Begegnungen gewesen in denen ich kaum ein Wort heraus bekommen hatte. Trotzdem sagten sie ich wäre genau so wie sie es sich gewünscht hatten.

Ich nicke und kann mich nur langsam von Sophia los machen. In meinem Hals bildet sich ein Klos, den ich schnell wieder herunter zu schlucken versuche. Es ist nicht so, dass ich mich nicht freue, endlich jemanden gefunden zu haben. Im Gegenteil, ich bin dankbar und habe mir Jahre nichts anderes gewünscht. Aber über die Zeit wurde das Heim immer mehr zu meinem Zuhause, und die Leute dort zu meiner Familie. Und was ist, wenn es nicht so ist, wie ich es mir vorgestellt habe? Was ist, wenn ich mich nicht wohl fühle? Und wenn ich ihre Erwartungen doch nicht erfülle?

Ich greife nach meinem Koffer und schiebe ihn langsam durch die Türe. Sophia folgt mir und zusammen tragen wir meinen Koffer die schmale Holztreppe herunter. Ich muss lächeln, bei dem Gedanken an die Abschlussparty gestern, die für mich statt gefunden hat. Davon war heute nichts mehr zu sehen. Alle waren auf meinen Wunsch hin nicht nochmal gekommen um mir auf wiedersehen zu sagen, weil ich dann wahrscheinlich erneut in Tränen ausgebrochen wäre. Wir kommen vor der schweren Eingangstür zum stehen und ich drehe mich zu den beiden um. Ich weiß ich habe es schon mal gesagt aber ich werde dich so vermissen sagt Sophia und nimmt mich in ihre Arme. Mir steigt ihr blumiges Parfüm in die Nase, und ich atme es ein. Ein letztes Mal, für eine lange Zeit. Ich merke, wie meine Augen feucht werden, und blinzle schnell die heran kommenden Tränen weg. Ich weiß. Ich dich auch

Jetzt bin ich auch mal dran sagt Miss Gale und ich löse mich widerstrebend aus ihrer Umklammerung. Im nächsten Moment hat sie ihre Arme um mich geschlungen. Es wird anders ohne dich sein. Es war schön, dich hier zu haben. Aber jetzt wartet ein neues Leben auf dich. Ein Neuanfang Miss Gale lässt mich los. In einem Monat sehen wir uns wieder. Wir werden schauen, wie es dir mit deinem neuen Zuhause und der neuen Familie geht, und ob du dich gut eingelebt hast. Sie öffnet die schwere Eingangstür. Ich werfe Sophia einen letzten Blick zu ehe ich vor die Tür trete.

Der Parkplatz ist leer. Bis auf ein weißer SUV, der einsam unter einer Kastanie steht. Der weiße Lack glänzt in der Sonne. Meine Füße fühlen sich schwer an, sie bewegen sich nur langsam in den roten Converse. Mit jedem Schritt wächst die Erkenntnis, dass ich auf dem Weg in einen Neuanfang bin. Vor lauter Aufregung hatte ich ganz vergessen zu überlegen, was ich überhaupt sagen wollte. Als ich fast das Auto erreicht habe, öffnen sich mit einem Schlag die Türen.

Doch es sind nicht zwei Türen die sich öffnen. Es sind vier. Mir stockt der Atem. Das konnte nicht sein. Es war immer nur die Rede von Grace und Ernest gewesen. Doch stattdessen standen jetzt auch noch ein Mädchen, das in meinem Alter sein musste und ein Junge der vielleicht ein Jahr älter war als ich, vor mir. Beide hatten Pech schwarze Haare und die Augen mit denen mich der Typ zu durchbohren schien, waren mindestens genau so schwarz.

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⏰ Last updated: Jul 17, 2022 ⏰

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