1 - Nachts in Paris

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Paris 

Nacht vom 10. auf den 11. Februar 1818

Die Kutsche holperte über das Pariser Kopfsteinpflaster. Es war spät und die Februarnacht kalt und feucht, die Beleuchtung spärlich. Samantha zog den pelzverbrämten Mantel, den sie über dem dekolletierten seidenen Abendkleid trug, enger um ihre Schultern und unterdrückte fröstelnd ein Gähnen. Zum Glück war es nicht mehr weit bis zu ihrem Hotel.

„Das Dinner war auserlesen", bemerkte sie in die Stille hinein, eher um nicht einzuschlafen als in dem Versuch höfliche Konversation zu machen.

„In der Tat", stimmte ihr der Herzog von Wellington zu. „Der Hammel war vorzüglich."

Samantha konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen. Hammelbraten war des Herzogs Lieblingsessen, auf das er auch auf seinen Feldzügen nie verzichtet hatte. Zum Leidwesen seiner Gäste war es noch immer ein häufig serviertes Gericht, wenn er zum Essen einlud. Heute hatten sie jedoch in der britischen Botschaft, im Hôtel de Charost, gespeist, aber auch dort waren die Vorlieben des Herzogs bekannt und der Küchenchef hatte ihm zu Ehren Hammelbraten serviert.

„Ich schwärme eher für die Desserts", sagte Samantha, die Hammel nicht viel abgewinnen konnte. „Haben Sie von der Crème Brulée gekostet?"

„Dem Nachtisch kann ich wiederum nicht viel abgewinnen", gestand er ihr. „Außerdem hat mich dieser Geistliche mit seinem Sermon dermaßen gelangweilt, dass mir der Appetit vergangen ist. Er fragte mich, ob ich Wünsche für die Sonntagspredigt hätte und ich sagte: 10 Minuten."

"Lassen Sie mich raten, Sir. Er hat es nicht verstanden?"

An den Mundwinkeln des Herzogs zupfte ein Lächeln. "Nein, wohl nicht."

„Sie hatten mein vollstes Mitgefühl Sir", bemerkte Richard, der auf dem Sitz neben Samantha saß, schmunzelnd. „Ich war kurz davor ‚Feuer' zu rufen, um die Gesellschaft zu einem vorzeigen Ende zu bringen. Sir Charles hat die Tafel genau im richtigen Moment aufgehoben."

„Zum Glück mussten wir es nicht so weit kommen lassen", sagte Wellington in seiner trockenen Art. „Ich hoffe, Sie hatten ein angenehmeres Tischgespräch als ich, Lady Velton?"

„Ja, ich habe mich recht gut amüsiert", sagte sie. „Aber jetzt bin ich ganz furchtbar müde." Diesmal ließ sich das Gähnen nicht mehr unterdrücken und sie hielt sich schnell ihre schmale Hand vor den Mund. Kurz blitzte ihr Ehering im Laternenschein auf, der bis auf zwei diamantenbesetzten Haarkämme ihr einziger Schmuck war.

„Es ist nicht mehr weit, Ma'am. Wir sind bereits in die Champs-Elysées abgebogen. Dort vorne ist unser Hotel." Der Herzog blickte aus dem Fenster, wo das Torhaus mit den beiden Wachen davor in Sicht kam. „Ich hörte heute Abend von der neuen Oper sprechen", sagte er im Plauderton. „Werden Sie sich die Oper ansehen, Lady Velton?"

„Ich kann der Oper leider nicht viel abgewinnen, Euer Gnaden", gestand sie ihm. „Ich bin leider vollkommen unmusikalisch."

„Das ist kaum vorstellbar, wo Sie doch so gut tanzen."

Samantha lachte. „Ich habe vielleicht ein bisschen Taktgefühl, was das Tanzen angeht, aber ich kann keine einzige Note lesen, geschweige denn Singen oder ein Instrument spielen."

„Das ist bedauerlich", fand der Herzog, der selbst sehr musikalisch und ein begnadeter Geiger war. Er hatte das Talent seines Vaters geerbt, der Musikprofessor in Dublin gewesen war.

„Dennoch höre ich Musik sehr gerne und kann mich durchaus daran erfreuen, aber die Oper ist mir irgendwie – zu schrill."

Ein Lächeln erschien auf des Herzogs Gesicht, was die Kühle seines stahlblauen Blickes milderte. „Sie sind stets erfrischen ehrlich, Ma'am. Sie täuschen kein Interesse vor, nur weil die italienische Oper gerade in Mode ist."

Die Schatten von FerywoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt