Die heilige Caecilie
oder
die Gewalt der Musik
(Eine Legende)
Um das Ende des sechzehnten Jahrhunderts, als die Bilderstuermerei in
den Niederlanden wuetete, trafen drei Brueder, junge in Wittenberg
studierende Leute, mit einem vierten, der in Antwerpen als Praedikant
angestellt war, in der Stadt Aachen zusammen. Sie wollten daselbst
eine Erbschaft erheben, die ihnen von Seiten eines alten, ihnen allen
unbekannten Oheims zugefallen war, und kehrten, weil niemand in dem
Ort war, an den sie sich haetten wenden koennen, in einem Gasthof ein.
Nach Verlauf einiger Tage, die sie damit zugebracht hatten, den
Praedikanten ueber die merkwuerdigen Auftritte, die in den Niederlanden
vorgefallen waren, anzuhoeren, traf es sich, dass von den Nonnen im
Kloster der heiligen Caecilie, das damals vor den Toren dieser Stadt
lag, der Fronleichnamstag festlich begangen werden sollte; dergestalt,
dass die vier Brueder, von Schwaermerei, Jugend und dem Beispiel der
Niederlaender erhitzt, beschlossen, auch der Stadt Aachen das
Schauspiel einer Bilderstuermerei zu geben. Der Praedikant, der
dergleichen Unternehmungen mehr als einmal schon geleitet hatte,
versammelte, am Abend zuvor, eine Anzahl junger, der neuen Lehre
ergebener Kaufmannssoehne und Studenten, welche, in dem Gasthofe, bei
Wein und Speisen, unter Verwuenschungen des Papsttums, die Nacht
zubrachten; und, da der Tag ueber die Zinnen der Stadt aufgegangen,
versahen sie sich mit Aexten und Zerstoerungswerkzeugen aller Art, um
ihr ausgelassenes Geschaeft zu beginnen. Sie verabredeten frohlockend
ein Zeichen, auf welches sie damit anfangen wollten, die
Fensterscheiben, mit biblischen Geschichten bemalt, einzuwerfen; und
eines grossen Anhangs, den sie unter dem Volk finden wuerden, gewiss,
verfuegten sie sich, entschlossen keinen Stein auf dem andern zu
lassen, in der Stunde, da die Glocken laeuteten, in den Dom. Die
Aebtissin, die, schon beim Anbruch des Tages, durch einen Freund von
der Gefahr, in welcher das Kloster schwebte, benachrichtigt worden
war, schickte vergebens, zu wiederholten Malen, zu dem kaiserlichen
Offizier, der in der Stadt kommandierte, und bat sich, zum Schutz des
Klosters, eine Wache aus; der Offizier, der selbst ein Feind des
Papsttums, und als solcher, wenigstens unter der Hand, der neuen
Lehre zugetan war, wusste ihr unter dem staatsklugen Vorgeben, dass sie
Geister saehe, und fuer ihr Kloster auch nicht der Schatten einer
Gefahr vorhanden sei, die Wache zu verweigern. Inzwischen brach die