Zwei Möchtegern-Ärzte

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Nun saß ich also in der Wohnung meiner fremden Nachbarn auf dem Sofa und ein fremder Junge tätschelte vorsichtig auf meinem Hinterkopf rum. Ich riss mich zusammen nicht eine einzige Miene zu verziehen, auch wenn ich manchmal leichte schmerzen hatte, wenn dieser zu nah an die Wunde kam.

Ob er tatsächlich Arzt war, wagte ich etwas zu bezweifeln. Jedenfalls ließ ich ihn einfach machen.

Stattdessen starrte ich auf den Jungen, der mit verschränkten Armen an einer Wand vor mir angelehnt stand und dem ganzen Prozess zuschaute. Es war der Junge mit den Feuerbällen, der so wie ich es mitbekommen hatte, Kaz hieß. Er stand einfach still da und beobachtete mich und Oliver, während ich ihn misstrauisch beäugte, da sonst keiner mehr hier war außer den Beiden. Ich wusste schließlich immer noch nicht was es mit diesen Feuerbällen auf sich hatte, aber ich war mir sicher diese gesehen zu haben. Eingebildet hatte ich mir das bestimmt nicht.

„Alsooo...", begann ich langsam und lies den Blick nicht von ihm ab. „Du kannst Feuerspucken...?"

Er wollte gerade den Mund aufmachen, da fügte ich noch schnell hinzu: „Widersprich mir nicht. Ich weiß was ich gesehen habe."

„Hast du schon mal etwas von bionischen Menschen gehört?"

Bionisch?

Ich schüttelte den Kopf, was ich direkt bereute, da Oliver dadurch mit seinem Tuch direkt in meine Wunde kam. Ich zischte leise und verzog das Gesicht.

„Wir haben quasi Superkräfte... Also wir sind keine Superhelden oder so. Nicht dass du das denkst", kam es wieder von vorne.

Kaz stieß sich von der Wand ab und ging auf den blauen Sessel vor ihm zu, nur um sich darin nieder zu lassen. Währenddessen wurde hinter mir weiter erklärt.

„Also es gibt da einen Chip, den man in den Nacken einpflanzt, der einem bestimmte Kräfte verleiht. Supergeschwindigkeit und so ein Zeug."

Ich zog eine Augenbraue hoch und hätte meinen Hintermann gerne mit einem misstrauischen Blick konfrontiert, doch die Angst vor erneuten schmerzen, ließ es mich nicht tun. Deswegen schaute ich einfach Kaz vor mir an.

„Ist das euer Ernst?"

„Ja, soll ich es dir zeigen?"

Ohne auf meine Antwort zu warten, hob er seinen Arm an. Dieser wurde von einer großen Flamme umschlungen, die er dann mit einer Handbewegung in den braunen Kamin schleuderte, sodass dieser zu brennen begann.

Ungläubig schaute ich ihn an und blieb stumm. Ich wusste nicht recht was ich dazu sagen sollte. Und ich wusste auch nicht ob ich das gut finden sollte.

„Wow, Respekt. Bisher haben immer alle geschrien, wenn sie das zum ersten Mal gesehen haben."

Kaz freute sich meiner Meinung nach etwas zu sehr darüber. Aber Oliver ließ das nicht unkommentiert.

„Naja, sie ist ihn Ohnmacht gefallen. Ob das jetzt so viel besser ist?"

Das war ein Punkt für ihn.

„So, das sollte reichen. Die Wunde ist sauber und desinfiziert. Ich denke nicht, dass das genäht werden muss."

So groß ist sie?!

„Das sagst du doch nur, weil dir dann wieder schlecht werden würde."

Ich schaute zu Oliver, der energisch mit dem Kopf schüttelte. Man sah ihm direkt an, dass es geflunkert war.

„Ein Arzt mit einer Spritzenphobie?" Ich schaute ihn fragend an. Das war sehr ungewöhnlich.

„Wir sind eigentlich keine richtigen Ärzte... Aber wir haben in einem Krankenhaus gearbeitet, also mach dir keine Gedanken."

Hm, hätte mich auch gewundert. Diese Jungen waren auch nicht sehr viel älter als ich. Es wäre schon sehr unrealistisch, wenn sie richtige, ausgebildete Ärzte wären.

Ich richtete vorsichtig meine Haare wieder, da Oliver diese etwas zur Seite schieben musste und stand auf.

„Uhm, danke für die Hilfe, aber ich denke es ist jetzt besser, wenn ich gehe..."

Ich ergriff wieder fluchtartig den Weg zur Wohnungstür, mit dem Unterschied, dass ich dieses Mal nicht festgehalten wurde und ich auch sicher auf beiden Beinen stehen konnte.

Als ich bei der Tür angelangt war, drehte ich mich noch einmal um und sah, wie Oliver sich von der braunen Stoffcouch erhob.

„Kein Problem." Er zog seine Mundwinkel kurz weit nach oben, was wohl ein schnelles Lächeln darstellen sollte.

Auch ich lächelte schnell, öffnete die Tür und flüchtete aus der Wohnung. Ohne mich richtig zu verabschieden, ging ich auf die gegenüberliegende Seite und öffnete die Tür zu meiner neuen Wohnung. Erst dann merkte ich, wie sich die Wohnungstür meiner Nachbarn hinter mir schloss. Ein schaute dort noch einmal schnell hin, bevor ich dann ganz in der Wohnung verschwand und mich erst einmal setzten musste, um meine Gedanken zu ordnen.

Und ich kam zu dem Entschluss, dass ich verrückt sein musste, um das zu glauben. Aber ich konnte es meinem eigenen Gehirn auch nicht ausreden, da ich es ja selbst gesehen hatte. Mehrmals. Ich schätze, ich brauchte noch eine Weile um diese Informationen verarbeiten zu können.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als sich die Tür öffnete und mein Großvater zum Vorschein kam, der mich direkt anlächelte.

„Ich bin wieder da. Hast du schon alles erkundet?"

Ich schüttelte – behutsam – meinen Kopf und schaute zu ihm auf. Er ging an mir vorbei zu der offenen Küche und stellte eine volle Tüte ab.

„Nein, nicht wirklich. Ich habe die Nachbarn gegenüber kennen gelernt."

„Ach, die kleinen Unruhestifter meinst du?"

Er lachte.

„Sind sie denn so laut?", fragte ich etwas verwundert.

„Manchmal bin ich mir nicht sicher, was genau diese jungen Menschen da drüben anstellen. Aber mich hat es bisher nicht großartig gestört. Seit ich älter geworden bin, schlafe ich eh nicht mehr so fest. Aber es freut mich, dass du schon etwas Anschluss gefunden hast. Soweit ich weiß sind die Mädchen in deinem Alter. Vielleicht könnt ihr mal was gemeinsam unternehmen."

Er kam mit zwei Schachteln in jeweils einer Hand auf mich zu.

„Ja, vielleicht..."

Er hielt mir eine dieser Schachteln hin und ein paar Holzessstäbchen dazu.

„Ich hoffe du magst Chinesisches Essen?"

Breit lächelnd nickte ich und nahm die Nudelbox entgegen, nur um sie direkt auszupacken und zu verschlingen.

„Ich liebe es!", sagte ich sofort und aß genüsslich die Box leer.

„Meine Tochter hatte es mal erwähnt, dass du so darauf abfährst."

Er lächelte mich etwas traurig an, was ich genauso erwiderte.

„Sie fehlt dir, habe ich recht?"

Ich nickte nur.

„Mir auch."

Er lächelte sanft und begann zu essen.

Ich vermisste sie und unser Zuhause sehr, auch wenn sie schon seit einer Weile verstorben war. Aber ich war bereit für diesen neuen Lebensabschnitt. Ich freute mich darauf, neue Dinge auszutesten und in einer großen Stadt zu sein. Das war mal etwas Neues.

Zwischen Bionic und SuperkräftenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt