Mut

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Kapitel Fünf – Mut

Mut

Substantiv, maskulin [der]

Fähigkeit, in einer gefährlichen, riskanten Situation seine Angst zu überwinden; [grundsätzliche] Bereitschaft, angesichts zu erwartender Nachteile etwas zu tun, was man für richtig hält


Das Donnerwetter, dass Hermine sich von Harry im Nachhinein hatte anhören dürfen, war nicht von schlechten Eltern gewesen, doch trotz allem hatte ihr bester Freund sie immer wieder gefragt, ob es ihr auch wirklich gut ginge. Und im Prinzip ging es ihr auf eine seltsame Art und Weise mehr als nur gut. Nun ja, vielleicht wäre fantastisch nicht das richtige Wort, viel eher war sie euphorisch oder berauscht. Harry hatte wie ein Wasserfall geflucht, erfolglos versucht herauszufinden, wieso sein Erzfeind aus Schultagen schon wieder in seinem Haus gewesen war und machte seinem Unmut über den Blonden Slytherin regelmäßig Luft, während Hermine sich unterdessen ganz andere Gedanken machte.

War es tatsächlich möglich, dass sie die Situation falsch gedeutet hatte? Könnte Malfoy ihr hiermit auf eine zwar äußerst fragwürdige, jedoch effektive Art und Weise einen Gefallen getan haben? Konnte es sein, dass er trotz seinem Rausch noch soweit klar im Kopf gewesen war, dass er die Konsequenzen aus seinem Handeln eiskalt kalkuliert und durch diese Aktion das geschafft hatte, was Hermine fast schon aufgegeben hätte, nämlich Harry aus seinem Schneckenhaus zu bewegen?

Seit zwei vollen Tagen war Harry nun wie ausgewechselt. Gut, er redete immer noch nicht besonders viel, jedoch schien es, als hätte er beschlossen, ein Auge auf Hermine zu werfen, denn er ließ sich immer öfter bei ihr im Wohnzimmer oder in der Küche blicken, fragte andauernd ob es ihr gut ging und fluchte oftmals in einer Tour über Malfoy. Auch zum Essen kam er immer öfter und Hermine fasste plötzlich wieder Hoffnung, dass Harry ganz langsam auf dem Weg der Besserung war. Auch wenn sie es nicht recht begreifen konnte, sie war Malfoy dankbar. Verrückt, wenn man bedachte, was er in dieser Nacht hier abgezogen hatte und wenn sie daran zurückdachte, fühlte sie einen seltsamen Knoten in ihrer Brust, der ihr das Atmen schwer machte.

Sie hatte anfangs nicht zuordnen können, was dieses Gefühl in ihr hervorrief, aber seit Malfoy in dieser Nacht vom Grimmauldplatz verschwunden war und sie hier mit einem wütenden Harry und einem Kopf voll wirbelnder Gedanken zurückgelassen hatte, ließ sie dieses Gefühl nicht mehr los, wenn sie an die Situation mit ihm im Gang dachte. Es war wie eine innere Unruhe und verwandelte sich hin und wieder in ein regelrechtes Lauffeuer was ihren Körper von innen zu verbrennen schien. Lange hatte sie es nicht mehr gefühlt, aber sie meinte mittlerweile zu wissen, was es war. Sie kannte dieses Gefühl besser als ihr lieb war, denn so oft in den vergangenen Jahren war sie damit konfrontiert worden. Sie fühlte sich dadurch lebendig und diese Tatsache ängstigte sie mehr als alles andere. Das Adrenalin, welches dank Malfoys beängstigender Aktion durch ihren Körper gepeitscht war... fast schon hatte sie vergessen, wie es sich anfühlte. Die Angst, die Euphorie danach, das Hochgefühl am Leben zu sein... überlebt zu haben...

Sie hatte eindeutig nicht mehr alle Tassen im Schrank, musste sie frustriert feststellen. Der Krieg hatte sie offensichtlich durchdrehen lassen. Aber dennoch konnte sie eines nicht leugnen. Sie brauchte diesen Scheiß. Sie, Hermine Granger, brauchte auf eine absurde Art und Weise die Gefahr, um sich am Leben zu fühlen! Und dies, sowie die Tatsache, dass Harry Potter offensichtlich jemanden brauchte, den er Beschützen konnte, waren eine wirklich, wirklich ungünstige Mischung.

***

Draco hatte es für diese Nacht aufgegeben, schlafen zu wollen. Nicht, dass er es nicht versucht hätte, doch jedes Mal, wenn er die Augen schloss, tauchte Granger vor seinem inneren Auge auf. Granger, wie sie ihn mit ihren verfluchten, riesigen Rehaugen angsterfüllt anstarrte. Nachdenklich blickte er an die schwarze Decke in seinem Schlafzimmer, während er mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf seinem Bett lag. Er wusste, dass es nicht richtig gewesen war, betrunken und unzurechnungsfähig erneut zu Potters Haus zu apparieren und es war lediglich Dummenglück gewesen, dass er auf dem Weg dorthin keine Gliedmaßen verloren hatte, aber er hatte verdammt nochmal keine andere Wahl gehabt. Er hasste Alkohol, denn dieser war noch nie sein bester Freund gewesen und es war nicht das erste Mal, dass er im Rausch die falschen Entscheidungen traf, weil er nicht vorher darüber nachdachte, was er überhaupt tat. Er hätte es besser wissen müssen, doch nun konnte er es nicht mehr ändern. Und eigentlich hatte er ja Erfolg gehabt, wenn auch auf fragwürdige Art und Weise.

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