Kapitel 22 - Klartext

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Ohne das es mir richtig bewusst war, was ich eigentlich tat, legte ich meine Hände in seinen Nacken und drückte so meinen Körper noch näher an seinen. Es war ein so guter Kuss. Er hatte nichts mehr von der Sanftheit wie unser Erster. Vielmehr war dieser hier fordernd und wild. Nach Luft ringend unterbrach ich den Kuss kurz. "Wieso tust du das?", fragte ich, während meine Hände von seinem Nacken auf seine Brust rutschten. Dylan sah mich verwirrt an. "Wie meinst du..." Ich unterbrach ihn schnell. "Wieso küsst du mich kurz nachdem du mit Lucy rummachst?", wurde ich jetzt präziser. "Ich habe nicht mit ihr rumgemacht! Alles was ich wollte war, dass du ein wenig eifersüchtig wirst.", murmelte Dylan, zum Schluss immer leiser werdend. Dylan löste sich von mir, ging ein Schritt zurück und strich sich durch das braune Haar. "Es tut mir leid, okay? Das mit Lucy war ein dummer Plan." "Ein ziemlicher dummer.", sprach ich laut, setzte aber in Gedanken dazu, dass er wunderbar funktioniert hatte.
"Können wir jetzt damit weiter machen, womit wir aufgehört haben?", fragte Dylan und legte seine Hände auf meinen Arsch. Diesmal drückte ich ihn jedoch weg. Bevor ich etwas sagen konnte, kam er mir jedoch zuvor. "Was ist dein scheiß Problem, Brooke? Und jetzt sag nicht, dass du nichts für mich empfindest. Das habe ich dir schon vor einer Woche nicht abgenommen." Ich schluckte laut und atmete einmal tief durch. "Es ist wegen Lucy. Es geht nicht okay.", sprach ich endlich die Wahrheit aus. Und die Wahrheit tat so gut. Er war der Einzige, der all meine Wahrheiten kannte.
Trotzdem wollte ich mich jetzt schnell aus dem Staub machen, um nicht weiter darüber zu sprechen, jedoch machte Smaragdauge mir einen Strich durch die Rechnung. Er war schneller als ich, stellte sich vor die Tür und schloss sie gleichzeitig noch ab. "Lass mich raus!", jammerte ich. Dylan schüttelte nur den Kopf und fügte dann noch hinzu:"Nicht bevor wir das geklärt haben." Ergeben seufzte ich. "Okay. Du weißt doch, dass du der Einzige hier bist, der von meiner Familie und so weiß. Na ja und... Lucy scheint irgendwie besessen von dir. Jedenfalls sollte ich für sie rausfinden, ob du eine Freundin hast. Sie meinte, falls dem so sei wird sie, kurz gesagt, alles dafür tun, dieses Mädchen zu vernichten." Bei meinen letzten Worten gingen seine funkelnden, grünen Augen weit auf. Wenn man das so hörte, dann könnte man tatsächlich denken, das Lucy nicht ganz klar im Kopf war.
"Stell dir doch mal vor, was passieren würde, wenn sie hinter dieses Geheimnis kommen sollte!" Dylan sah mich, soweit ich das in der Dunkelheit erkennen konnte, ziemlich enttäuscht an.
"Dir ist es wichtiger, beleibt zu sein und falsche Freunde zu haben, als mit einer Person Zeit zu verbringen, die dich ernsthaft mag?", fragte es fassungslos. Ich schüttelte jedoch sofort den Kopf. "Mir geht es nicht darum, ob ich beliebt bin oder nicht... nicht mehr."
Mal wieder unterbrach er mich.
"Ach ja? Und was ist dann der Grund? Hast du Angst, dass Lucy dich umbringt, wenn du mit mir zusammen bist. Ich bitte dich, Brooke. Du sagst immer, du hättest eine riesige Abscheu gegen Lucy und ihr Gefolge, aber eigentlich bist du nichts anderes. Ein kleiner Dackel, der alles tut, was von ihr verlangt wird. Letztendlich bist du nur eine Kopie von der Person, die du angeblich am meisten hasst. Warum verbringst du eigentlich so viel Zeit mit Lucy, wenn sie doch so schrecklich ist? Damit sie dich nicht hasst, richtig? Das könnte ja deinen Ruf zerstören."
Mein Mund klappte bei seinen Worten immer weiter auf. Das konnte unmöglich sein Ernst sein.
"Weißt du was? Wenn ich es mir Recht überlege, dann möchte ich mit einer Person wie dir gar keine Zeit verbringen." Er drehte sich um, schloss die Tür auf und verschwand. Schon wieder hatte er mich allein zurück gelassen. Ganz allein, wie schon eine Woche zuvor, stand ich im Raum und dachte über seine Worte nach.
Hatte er wirklich Recht? Sollte ich mich wirklich in die ganze Beliebtheitsache verrannt haben? Ich musste zugeben, dass ich in der letzten Zeit sehr naiv das getan hatte, was Lucy von mir wollte. Trotzdem bestand ich auf meine Meinung. Sie ist ein rachsüchtiges, selbstsüchtiges Wesen. Und es wurde Zeit, dass ich anfing etwas dagegen zu sagen. Ständig redete ich hinter ihrem Rücken über sie, wie schrecklich ich ihre Art fand. Nie sagte ich es ihr ins Gesicht und das machte mich nicht besser als sie. Aber so weit zu gehen, mich als einen Dackel zu bezeichnen war doch etwas übertrieben. Vielleicht hatte ich mich mit der Zeit ein wenig von ihr einlullen lassen, aber damit war jetzt Schluss. Na ja oder vielleicht auch erst morgen. Als ich nämlich endlich aus der dunklen Abstellkammer trat, war die Schule wie leergefegt. Die letzten zwei Stunden hatte ich anscheinend 'geschwänzt'. Unbewusst...

Nach dem ich nach draußen gegangen war, bemerkte ich, dass mein Bus schon längst weg war und so lief ich wohl oder übel zu Fuß nach Hause. Den restlichen Tag verbrachte ich damit, über Dylan nachdenken. Und über die letzten sieben Monate, wie sich mein Leben verändert hatte, nachdem wir hierher gezogen waren.
Das tat ich in der letzten Zeit oft, nachdenken über das Leben, aber es gab einfach so viel, worüber ich mir klar werden musste.

Ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich am nächsten Tag in der Schule auf Lucy zulief. Den ganzen Tag schon hatte ich auf diesen Moment gewartet. "Hey." Sie drehte sich um und grinste kurz, bevor sie sich wieder abwendete und mit zwei Mädchen diskutierte. Ich räusperte mich. "Wir müssen sprechen." Noch war ich mir unsicher, was ich ihr gleich alles an den Kopf werfen würde, aber ich war mir sicher, dass ich mich nicht zurück halten könnte, falls Sie eine abfällige Bemerkung machte. "Jetzt nicht, Süße." Sie wies mich ab und das machte meinen Ärger nur noch größer. "Jetzt oder gar nicht.", murmelte ich, die Fäuste ballend. "Dann gar nicht.", sagte sie, worauf die zwei Mädchen zu lachen begannen. Na schön. Sie hatte es so gewollt. Eigentlich hatte ich vor, dass ganze unter vier Augen zu besprechen, aber wenn sie wollte, dass es die ganze Schule mitbekam...
"Wenn du es unbedingt so klären willst", ich zuckte mit den Schultern,"Lucy. Ich muss wirklich sagen, dass ich in meinem Leben noch nie so einen hinterhältigen und falschen Menschen wie dich kennengelernt habe." Kurz stockte ich, während Lucy sich mit großen Augen umdrehte. "Ich kann es nicht fassen, dass ich mich von dir tatsächlich so unterbuttern lassen habe. Du denkst, du bist die Beste und die Schönste, weil deine Eltern Geld haben. Denkst du kannst alle herumkommandieren, aber aufgepasst eure Majestät. Ich habe Neuigkeiten, niemand hier mag euch." Ich holte nochmal tief Luft.
"Sie haben Angst vor dir, deshalb respektieren sie dich, mehr ist es aber nicht." Während ich sprach bildete sich ein kleines Lächeln auf ihrem Gesicht, welches mich verunsicherte, aber trotzdem sprach ich weiter. Noch war ich nicht fertig. "Du hast wirklich gute Arbeit geleistet, bei den paar Leuten, die alles für dich tun, aber bei mir hast du versagt." Stolz schwang in meiner Stimme mit. Aus dem Augenwinkel bekam ich außerdem mit, wie sich eine Menschentraube um uns bildete. "Ich halte es nicht mehr aus, dass Menschen sich von dir fertig machen lassen, weil du der Meinung bist sie seien anders. Jeder hier hat es verdient respektvoll behandelt zu werden. Da du das jedoch nicht kannst, ist unsere Freundschaft", ich malte Anführungszeichen in die Luft,"offiziell beendet." Damit drehte ich mich um 180 Grad, schmiss mein Haar nach hinten und stolzierte weg. Ich wusste jetzt schon, wie peinlich mir diese ganze Aktion morgen sein wird.
Trotzdem war es irgendwie befreiend Lucy all das gesagt zu haben. Andererseits fühlte ich mich auch schlecht. Ich hatte die Wut auf mich, auf sie übertragen. Die Wut, dass ich zum Mitläufer wurde. Die Wut, dass Lucy mich so leicht manipulieren konnte. Die Wut, dass Dylan mit allem Recht hatte und vor allem die Wut, dass ich mir alles versaut hatte. Wahrscheinlich war ich sogar wütend darüber, dass ich gerade so wütend war. Bei dem Gedanken musste ich leicht grinsen. Das wiederum ließ mich an Lucys Grinsen denken. Wieso grinste sie? Wollte sie mich nur verunsichern oder steckte da mehr dahinter? Vielleicht hatte ich mir mit der Aktion gerade ein Eigentor geschossen? Aber inwiefern? Gott weiß, was für Pläne sie schon wieder hatte. Pläne mit denen ich glücklicherweise nichts mehr zu tun hatte.

Sometimes love is not enoughWo Geschichten leben. Entdecke jetzt