Kapitel 13

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Dieser Montagmorgen ist anders als alle Montage, die ich sonst erlebe. Eigentlich fängt jeder Montag mit einer Tasse Kaffee, einer frischen Dusche, meiner morgendlichen Joggingrunde und meiner anschließenden Jogaeinheit an. Ja, ich bin sonst eigentlich ziemlich chaotisch, aber meinen Morgen kann ich nicht ohne Struktur starten.

Heute schaffe ich nichts von alle dem außer, dass ich mich mit aller Kraft aus dem Bett quäle damit ich ja nicht zu spät in die Redaktion komme. Denn das kann ich mir nicht leisten.

Meine Chefin kann mich sowieso schon nicht gerade gut leiden, da darf ich ihr nicht auch zeigen, dass auf mich kein Verlass ist. Wie soll ich heute nur vernünftig arbeiten und konzentriert bei der Sache sein, wenn meine Gedanken sich um meine Mutter drehen, die wie es scheint eine andere Sexualität entwickelt hat?

Es macht mich wahnsinnig, dass ich nicht weiß, ob das alles wirklich stimmt. Ich muss meine Mutter unbedingt finden, damit sie mir endlich die Antworten auf meine sich anhäufenden Fragen geben kann.

Mit meinem silbernen fast schon auseinanderfallenden Drahtesel mache ich mich auf den Weg in die Redaktion. Ich fahre durch die Straßen Hamburgs vorbei an diesen wunderschönen Villen in Blankenese. Für mich eine der schönsten Wohngegenden hier in Hamburg. Viele Häuser erinnern mich an diesen amerikanischen Baustil mit diesen Balkonen, einer Veranda und noch so vielen tollen Details, die ein Haus einfach richtig schön wirken lassen.

Ich rieche das frisch gemähte Gras, den Duft von verschiedenen Blumen gemischt mit Abgasen und Schweiß. Ich sehe ein Bilderbuchhaus, vor dem sich ein Bilderbuchehepaar verabschiedet. Sie küssen sich, wünschen sich einen schönen Tag, sagen, dass sie sich lieben und laden ihre zwei niedlichen Kinder ins Auto.

So eine heile Familie hatte ich bis ich 12 Jahre alt war gehabt, zumindest hat es sich für mich so angefühlt. Noch immer kann ich nicht so recht glauben, was Theo mir da erzählt hat. Die Mutter, die ich mal kannte, existiert überhaupt nicht mehr. Das Bild, was ich nun habe, passt überhaupt nicht mit dem Bild zusammen, was ich immer von ihr gehabt habe. Aber ja, das soll es geben. Menschen, die erst nach Jahren feststellen, dass ihre bisherige sexuelle Orientierung nicht das richtige für sie ist und sie mit einer anderen viel glücklicher sind.

Aber das erklärt immer noch nicht, das Warum. Und wieso ist sie kurz nach dem sie auf Tinas Hochzeit aufgetaucht ist, so urplötzlich verschwunden? Irgendetwas stinkt hier doch zum Himmel. Oder steckt noch etwas dahinter, von dem keiner, der sie gekannt hat oder kennt eine Ahnung hat? Langsam frage ich mich wirklich, ob ich meine eigene Mutter jemals richtig gekannt habe.

Meine Uhr zeigt 7.50 Uhr an. Das heißt ich habe noch genau 10 Minuten, um im Büro meiner Chefin zu sein. An der Redaktion angekommen, schließe ich mein Rad an und eile in das hohe gläserne Gebäude mit seinen vielen Fenstern. Ein älterer Herr hält mir netter Weise die Tür auf, sodass ich es gerade noch zu den Fahrstühlen schaffe.

Mit einem „Pling" geht die Fahrstuhltür auf, in die ich hinein husche. Der Fahrstuhl ist schon ziemlich überfüllt, aber ich mit meiner schmalen Figur kann mich gerade noch zwischen die Menschen quetschen.

„Können sie denn nicht den nächsten Fahrstuhl nehmen? Sehen sie nicht, dass hier kein Platz ist?", fragt ein genervter Mann in einem dunklen Anzug und einer auffälligen Krawatte mit einem bunten Muster.

„Kein Platz sagen Sie? Dann machen Sie sich mal nicht so breit!", kontere ich.

Ich halte mein Zitronenwasser in der Hand und nehme einen Schluck als es im Fahrstuhl plötzlich wackelt und ich diesem Anzugträger unabsichtlich mein Wasser überschütte.

 „Na, sehen sie. Was sie angerichtet haben. Das darf doch jetzt nicht wahr sein. Ich habe gleich einen wichtigen Termin. Ihretwegen darf ich mich noch umziehen, Na, vielen Dank aber auch!", sagt er und wirft mir einen wütenden Blick zu.

 „Ach, das tut mir aber leid. Tja... hätten sie sich mal nicht so breit gemacht", werfe ich mit meinem ironischen Unterton hinter her.

In dem Moment geht die Tür auf und ich bewege ich mit schnellen Schritten auf das Büro von meiner Chefin zu. Es ist genau 8 Uhr als ich an der Tür klopfe und meine Chefin mich eintreten lässt.

„Hallo Lilly, da sind Sie ja. Auf die Minute genau pünktlich. Setzen Sie sich".

„Hallo Frau Weber. Was kann ich für Sie tun?", sage ich und setze mich ihr gegenüber.

„Unser Magazin „HafenWorte" möchte über ein Thema sprechen, über welches momentan in den sozialen Medien extrem oft berichtet wird und dementsprechend sehr beliebt ist. Ich möchte, dass Sie einen Artikel über LGBT schreiben. Ich bin davon überzeugt, dass sie die beste dafür sind. Ich erwarte morgen ihre ersten Vorschläge dazu auf meinem Schreibtisch."

Ausgerechnet ich soll so einen Artikel schreiben. Wer bin ich, wenn ich diese riesen Chance nicht annehme.

„Alles klar, ich setze mich gleich an die Arbeit. Ich würde dazu gerne ein paar Menschen auf der Straße befragen, um ein genaueres Bild davon zubekommen."

 „Ja, super. Machen Sie das! Das war's auch schon. Und schließen Sie die Tür, wenn sie gehen."

Bevor ich mich an meinen Schreibtisch setze, will ich mir in der Gemeinschaftsküche noch einen Kaffee nehmen, doch der Typ vor mir scheint sich gerade den letzten fertigen Kaffee in seine Tasse einzufüllen. Er dreht sich zu mir um, als ob er spürt, dass ich extrem genervt bin, weil ich nun keinen Kaffee trinken kann.

Nein, das ist dieser unfreundliche Anzugträger aus dem Fahrstuhl.

„Sie schon wieder!", sagt er.

„Ja, ich schon wieder!"

„Sie arbeiten hier?", fragt er als wäre das so ungewöhnlich.

„Und Sie sind nur für ein Meeting hier her gekommen?"

„Nein, ich bin der Firmenanwalt."

„Anwalt, ich wusste doch, dass sie einer sind. Typisch Klischee würde ich sagen."

„Ach ja, jetzt stecken sie mich in eine Schublade."

„Und was machen Sie? Sie können sich nicht vorstellen, dass so eine Frau wie ich für dieses Magazin schreibt. Sie wirken ziemlich verbissen. Läuft es in ihrer Ehe etwa nicht mehr so gut?", antworte ich.

„Huhu Henry, wollen wir los?" Ruft eine Frau ihm zu.

Diese Frau kenne ich doch. Ist das nicht Birte? Die alte Schulfreundin von meiner Mutter? Sie kommt näher und ja, sie ist es.

„Hallo Lilly, ich wusste ja gar nicht, dass du meinen Mann kennst", sagt sie und legt einen Arm um ihren Mann.

„Hallo Birte. Schön dich wieder zusehen!", antworte ich.

„Gut, dass ich dich hier treffe, Lilly. Ich wollte sowieso zu dir."

Sie hält mir einen Brief entgegen.

„Der hier scheint von deinerMutter zu sein. Ich habe ihn beim Aufräumen meines Bücherregals entdeckt. Sie muss ihn dort deponiert haben als sie mich das letzte Mal besucht hat."

„Danke, Birte!"

„Sehr gerne. Ich hoffe er hilft dir weiter. Wir müssen dann auch los. Wir laufen uns bestimmt nochmal über den Weg. Bis dann, Lilly."

„Tschüss", sage ich und winke den beiden.

Dann setze ich mich ohne meinen Kaffee, aber mit einem geheimnisvollen Brief in meiner Hand. Was wohl darin steht? Soll ich ihn öffnen? Besser nicht hier. Besser ist, ich rufe Tina an und bitte sie ihn für mich zu lesen. Den Brief lege ich neben mich und beginne mit den ersten Worten von meinem Artikel.


Es hat mir wieder sehr viel Spaß gemacht diese Geschichte weiter zu schreiben.

Ich hoffe es gefällt euch.

Dein Herz ist mein HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt