Prolog

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Erneut beschleunige ich den Wagen. Kein Problem zu dieser Uhrzeit, aber einen Porsche dieser Preisklasse über die Autobahn rasen zu sehen, ließ wohl einige Leute sprachlos zurück. Warum ich selbst bei 200 km/h auf dem Tacho nicht vom Gas gehe?
Ich weiß nicht, ob Sie für diese Geschichte bereit sind. Nicht mal ich bin es gewesen. Immer noch habe ich diese Bilder im Kopf.
Achtlos hingeworfene Kleidung. Nackte Körper. Eine eindeutige Pose. Wie dumm war ich eigentlich? Sie sind verwirrt? Fragen Sie mich mal. Ich weiß gerade nicht, wo oben und unten ist, aber die Geschwindigkeit hilft mir den Kopf freizubekommen. Nicht die beste Methode, aber das geht mir gerade am Arsch vorbei.
Sie möchten die ganze Geschichte? Alle schmutzigen, kleinen Details? Na schön. Sagen Sie am Ende nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt. Das hier ist nichts für schwache Nerven.
Es fing nicht mit MTV Home an. Zu der Zeit war das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Joko und ich teilten uns einen Schreibtisch. Wir sahen uns auf Veranstaltungen. Ein Teil unseres Freundeskreises überschnitt sich. Ich machte mich über seine langen Haare lustig. Er riss Witze über meine Größe. Ich war dermaßen verknallt in den Trottel, dass ich alles tat, um in seiner Nähe zu sein. Sogar meinen Job bei Viva aufs Spiel setzen. Ich setzte alles auf eine Karte.
Alles oder nichts. Rien ne vas plus. Carpe diem. Und alles dieser Quatsch.
Bis ich herausfand, dass er eine Freundin hatte. Eine Freundin. Eine hübsche blonde Freundin, die ein Model hätte sein können. Ich hasste sie. Ich versuchte, sie zu hassen und ihr aus dem Weg zu gehen. Ging auch einige Zeit gut, aber nicht immer.
Nicht in den großen Momenten. Nicht nach unserer ersten Folge MTV Home. Nicht nach dem ersten großen Besäufnis in der Sendung. Nicht nach der Rückkehr vom Gumball. Was ehrlich gesagt einer der schlimmsten Momente meines Lebens war.
Die Kurzfassung. Sieben Tage auf engstem Raum. Ein gemeinsames Hotelzimmer. Ein großes Doppelbett. Zu viel Alkohol. Ein leidenschaftlicher Kuss. Können Sie es sich vorstellen? Gut. Eine komische Stimmung machte sich danach breit, aber Joko schaffte es mit seiner Art es wie das Normalste der Welt aussehen zu lassen. Ich war glücklich. Bis wir zurück nach Berlin fuhren und da stand sie. Holte ihn ab. Inklusive Kuss und Herumwirbeln und dem ganzen Blödsinn. Sehen Sie es vor sich? Ausgezeichnet. Ich nämlich auch. Immer noch. Es verfolgt mich. Und ich könnte jetzt noch kotzen. So wie damals. Hätte nicht viel gefehlt und mein Mageninhalt, der nicht besonders üppig ausgefallen wäre, wäre direkt auf den Schuhen des glücklichen Paares gelandet. Aber ich riss mich zusammen, verabschiedete mich vom Team und fuhr in meine leere Wohnung.
Danach sah ich sie seltener. Nicht mehr bei den großen Momenten. Joko sprach kaum noch von ihr und ich war zu abgelenkt.
Die Ablenkung hatte dunkle Haare, war drei Jahre älter als ich und hieß Doris. Es war nicht die große Liebe. Der Zug war bereits abgefahren, aber sie half mir zu fokussieren. Auf meine Karriere. Auf NeoParadise. Auf das Duell um die Welt. Aber auch das hielt nur eine kurze Zeit. Die Gefühle waren zu groß, um ignoriert zu werden.
Ich lernte schnell, dass die Linie zwischen richtig und falsch dünn war. Sehr dünn. Fast kaum vorhanden.
Es passierte nach den ersten Studioaufnahmen für Duell um die Welt. Die Spannung zwischen Joko und mir war für jeden zu spüren. Vor der Kamera waren wir professionell, aber hinter den Kulissen flogen die Fetzen. Jede Kleinigkeit artete im größten Streit der Geschichte aus. Bis es plötzlich nicht mehr so war.
Ich will's nicht beschönigen und ich weiß, Sie verurteilen mich deswegen und so. Aber Sie müssen bedenken, dass ich seit Jahren in den Idioten verknallt war. Regelrecht vernarrt war. Also verzeihen Sie mir, dass ich die Chance nutzte, als sie sich mir bot. Als die Versuchung sich mir an den Hals warf und alle guten Vorsätze über Bord warf. Doris war egal. Spielte in dem Moment keine Rolle, als ich Joko sprichwörtlich das Hirn raus saugte. Aus seinem Schwanz in meinen Mund. Es war der Himmel. Und ich fühlte mich nicht schlecht. Ich weiß. Ich sagte ja, verurteilen Sie mich nicht. Aber ich konnte mich nicht für eine Sache schlecht fühlen, die ich schon so lange gewollt hatte.
Also beendete ich es mit Doris und wenn ich sage, dass danach alles besser wurde, dann meine ich das auch so. Regenbögen und Einhörner. Rosarote Brille. Kleine Engel, die einem aus dem Hintern flogen. Das volle Programm. Wir waren verliebt und ich wollte es am liebsten in die Welt hinaus schreien. Joko Winterscheidt war mein Freund. War weg vom Markt und nicht mehr zu haben. Gehörte mir.
Aber ein Teil von mir blieb vernünftig. Trennte das Private streng vom Geschäftlichen. Joko fiel das nicht immer so leicht. Doch es funktionierte. Vor der Kamera taten wir uns die schlimmsten Dinge an. Hinter der Kamera waren wir kaum voneinander zu trennen.
Gemeinsame Wohnung. Gemeinsamer Alltag. Wenn Joko seine Geschäfte in München erledigte, begleitete ich ihn. Wenn ich für Gloria unterwegs war, begleitete Joko mich. Wir lebten zusammen. Wir arbeiteten zusammen. Es funktionierte.
Bis es eines Tages nicht mehr funktionierte. Wir redeten nicht miteinander. Wir waren gestresst. Wir sahen uns kaum. Ich begleitete Joko, aber wir waren beide genervt voneinander. Ich war eifersüchtig. Auf alles und jeden. Es hatte Auswirkungen auf uns und auf die Sendung. Also trafen wir eine Entscheidung. Getrennte Wege. Privat und beruflich. Um wenigstens die Firma zu retten, wenn wir uns schon nicht retten konnten. So beendeten wir Halligalli.
Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass die Emotionen in der letzten Folge nicht nur der Sendung geschuldet war. Joko weinte um uns. Ich riss mich zusammen bis die Kameras aus waren, aber dann gab es kein Halten mehr.
Wir trafen diese Entscheidung gemeinsam, aber leicht fiel sie keinem von uns. Während ich in Berlin blieb und nur eine kurze Auszeit nahm, um mich dann auf meine eigene Late Night vorzubereiten, flog Joko um die Welt. Entdeckte sich selbst. Entdeckte eine neue Stadt. Entdeckte neue Herausforderungen. Kam erwachsener und gereifter zurück. Zog nach München. Startete einen Podcast mit Paul. Ein Neuanfang. Für uns. Als Freunde. Wir wurden zu denen, die wir vor der Beziehung waren. Arbeitskollegen. So etwas wie Freunde. Als hätte es die dreijährige Beziehung niemals gegeben. Als würde ich nicht jede Facette dieses Mannes kennen. Als wäre ich nicht immer noch verliebt in den Trottel wie am ersten Tag.
Das war die einzige Erklärung, warum ich mich auf diesen Deal einließ. Ich war schwach. Ich wollte in seiner Nähe sein. Deswegen machte ich an einem verregneten Herbsttag den Vorschlag, dass wir uns eine Wohnung teilen konnten, wenn Joko in Berlin war. Weil ich ihn kannte. Weil ich wusste, dass er es hasste so lange in Hotels zu übernachten. Das gleiche Angebot bekam ich. Bei Aufzeichnungen in München schlief ich in seinem Haus.
Seinem Haus. Ja, richtig! Der Herr hatte sich ein Haus im Umland von München gebaut. Groß genug für eine Familie. Für einen Haufen Kindern. Es machte mir Angst.
Deswegen gab es zwei Regeln. Und zwar keine Regeln von wegen „Regeln sind da, um gebrochen zu werden". Nee nee. Auf gar keinen Fall. Frühzeitiges anmelden, wenn man auf dem Weg in die Stadt war. Was zur zweiten Regel führte. Ich wollte Joko nicht mit anderen Leuten sehen. Nicht sehen und nicht hören müssen. Daher auf keinen Fall und unter gar keinen Umständen betrat die Wohnung eine dritte Person, wenn wir in der gleichen Stadt waren.
Wie ich dann in diese Situation geraten bin, dass ich jetzt voller Wut über die Autobahn zurück nach Berlin fahre und Joko mit einer anderen Person erwischt habe? Und warum mich das so aus der Bahn wirft? Dafür sollte ich vielleicht mehr ins Detail gehen.
Gehen Sie mit mir ein Stück! Machen Sie sich bereit für eine Geschichte, die Sie so vielleicht nicht hören wollten. Sie sagen, Liebe tut weh und das ist erst der Anfang.

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