𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟜𝟙

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Für Isabelle war der Trip mit Katja nicht so, wie ihre Freundin es für sie gewünscht hatte.

Nachdem Nia ihr mitgeteilt hatte, dass Dag von ihr verlangen würde, sie müsste bei Robin schlafen, brannte sich in ihren Schädel nur noch ein, wie wichtig diese Carla für ihren Mann doch sein musste.

Die Tage verbrachte sie dann mit immer wieder eintretenden Heulkrämpfen, was ihr wiederum auch für Katja leidtat, die irgendwie alles versuchte, um Isabelles Laune zu verbessern.

Wie auch zum derzeitigen Zeitpunkt in Berlin. Sie saß bei ihr im Auto, während sie beide auf dem Weg zum Friseur waren. Katja war mit bei Mara gewesen, die ihr ebenso freundlich erklärte, dass momentan Veränderungen für Isabelle gut wären ... und viel Ablenkung. Kein Dag. Nichts.

Dabei wollte Katja ihr behilflich sein. Auch wenn sie sich anfänglich raushalten wollte, empfand sie es als Pflicht ihrer besten Freundin durch diese Zeiten durchzuhelfen.

Selbst wenn das heißen würde, dass sie sich auf eine Seite stellen musste.

»Weißt du schon, welche Veränderung du haben willst?« , fragte sie Isabelle im Bezug auf ihre Haare.

»Nein.« , antwortete diese kurz und knapp.

»Wie wäre es mit Extensions und ein paar hellen Highlights?«

Isabelle schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht.«

»Robin hat heute auch einen Friseur-Termin. Bin gespannt, wie er nachher aussieht.« Sie versuchte, irgendwie über alles Mögliche zu reden, damit das Thema Dag nicht durchschimmern konnte.

Weil sie weiter schwieg, öffnete Katja eine Playlist und leierte die Lautstärke bis zum Anschlag auf. Isabelle drehte den Kopf, als die Musik erklang. »Dein Ernst?«

Die Blondine nickte und begann zu singen. »Hoch stand der Sanddorn am Strand von Hiddensee. Micha, mein Micha, und alles tat so weh, dass die Kaninchen scheu schauten aus dem Bau. So laut entlud sich mein Leid ins Himmelblau.« Isabelle schmunzelte, doch Katja sang fröhlich weiter. »So böse stampfte mein nackter Fuß den Sand. Und schlug ich von meiner Schulter deine Hand. Micha, mein Micha, und alles tat so weh. Tu das noch einmal, Micha, und ich geeeeeeh'.«

Sie gab sich geschlagen und sang den Refrain des Songs von Nina Hagen mit ihr gemeinsam. »Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael. Nun glaubt uns kein Mensch, wie schön's hier war, haha, haha. Du hast den Farbfilm vergessen bei meiner Seel'. Alles blau und weiß und grün und später nicht mehr wahr.« Beide bewegten sich im Takt, als Katja an einer roten Ampel anhielt. »Du hast den Farbfilm vergessen bei meiner Seel'. Alles blau und weiß und grün und später nicht mehr wahr.«

Lachend wollte Isabelle mit ihr gleichzeitig die nächste Strophe beginnen, als sie nach rechts zum Bürgersteig sah. Ihr Herz kam aus dem Takt und stolperte, während in ihrem Magen ein flaues Gefühl entstand.

Katja sang laut mit, doch Isabelle bekam nichts mehr mit. Alles hörte sich an wie aus weiter Ferne, als sie Dag dort stehen sah, der darauf wartete, das die Fußgänger-Ampel auf grün wechselte.

Es war nicht seine Erscheinung allein, die dies bei ihr auslöste, sondern die junge dunkelhaarige Frau, die neben ihm stand und sich bei ihm eingehakt hatte, während sie eine Mütze und einen Pulli von ihm trug. Er erzählte irgendwas, woraufhin sie ihn regelrecht anstrahlte und mehrmals nickte.

Katja registrierte, das ihre Freundin nicht mehr mitsang und folgte ihrem Blick. Sofort stellte sie die Musik aus. »Scheiße.«

»Ist sie das?« , fragte Isabelle fast gänzlich ohne Stimme und mit Tränen in den Augen.

»Ja.« Katja wusste, das es nichts nützen würde zu lügen. Schließlich konnte man beide deutlich sehen.

Die Ampel der Fußgänger wechselte auf grün und die zwei überquerten mit ein paar anderen Menschen die Fahrbahn.

Katja und sie duckten sich ein wenig mehr, doch Dag achtete eh nicht auf die Autos.

In Isabelles Ohren pumpte ihr Herz so lautstark, das sie das Gefühl hatte, sie hätte zwei und aus jeder Ohrmuschel würde jeden Moment je eines herausfallen.

Sie sah ihnen nach.

Sah, wie er sie näher an sich zog.

... und wie sie anschließend die Stufen einer Treppe zu einem Wohnhaus hinaufgingen, um kurz danach ins Innere zu verschwinden.

Es hupte mehrmals hinter Katja und sie sah zur Ampel. Es war grün. Sie drückte den Knopf, um das Fenster zu öffnen, hielt ihren Kopf raus und brüllte hinaus. »Scheiß' dir mal nicht ins Hemd, Mann.« Dann fuhr sie los.

»Sie wohnt ein paar Straßen weiter ... als wir ... ich?!« , sprach Isabelle nun immer noch fast ohne Stimme.

»Nein. Kein Dag.« , ermahnte Katja sie.

»Wie soll ich nicht an ihn denken, wenn er mit ihr fröhlich durch die Straßen läuft?« Isabelle schloss kurz die Augen. »Ich wollte sie nicht sehen. Ich wollte nicht wissen, wie sie aussieht.«

»Scheiß drauf, wie sie aussieht.« , sagte Katja. »Ich meine das genauso. Scheiß auf ihr Aussehen. Scheiß auf alles. Du achtest auf dich. Du bist wichtig.«

Isabelle nickte, konnte das Antlitz von Carla jedoch nicht verdrängen. Sie sah sie genau vor sich, wie sie ihn regelrecht angehimmelt hatte. Dabei hatte er mit Sicherheit nur banales Zeug von sich gegeben.

Die weitere Fahrt über war sie ruhig, trotz der Versuche von Katja, sie mit irgendwelchen Sachen abzulenken.

Auch als sie den Friseur erreicht hatten, lief sie stumm neben ihrer Freundin in das Etablissement hinein.

»Wir haben beide einen Termin. Stein und Kopplin.« , sprach Katja am Empfang und sie wurden kurz danach jeweils zu ihren Plätzen, die nebeneinanderlagen, hingeführt.

»Wollen Sie einen Kaffee? Tee? Wasser?« , fragte eine junge Auszubildende Isabelle.

Diese schüttelte den Kopf und sah sich im Spiegel an.

Sie betrachtete ihr langes dunkles Haar und dachte abermals an Carla, wie sie sich an Dag geklammert hatte.

War das sein Typ?

Isabelle war sein Geschmack. Das wusste sie. Schließlich waren sie ewig lang zusammen gewesen. Doch diese Carla schien ihr nicht unähnlich zu sein. Natürlich gab es Abschweifungen, aber im Grunde, waren sie derselbe Typus.

Sie nahm einige Strähnen von sich in die Hand und drehte diese auf ihrem Zeige- und Mittelfinger auf.

Sie wollte keine Ähnlichkeit mit dieser Frau haben, die nun an der Seite ihres Mannes war.

»Weißt du mittlerweile, was du machen möchtest?« , fragte Katja sie.

Isabelle nickte. »Ja.«

Reißen wir uns gegenseitig raus, oder reiten wir uns rein (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt