Monster
Die nächsten zwei Tage verbrachte ich dann damit, die Zeitungen nach dem Vorfall im Club zu durchforsten, doch weder wurde die Razzia irgendwo erwähnt noch gab es Berichte zu Verhaftungen. Keine gefakten Schilderungen zu irgendwelchen Prügeleien, keine Nachrichten zu irgendwelchen Opfern.
Kein Suga.
Wo – verdammt – lebten Kerle wie er? Wo trieben sie sich rum? Und wie konnte er so abrupt in mein Leben treten, nur um im nächsten Moment wieder zu verschwinden, als wäre er nur Einbildung gewesen?
Hätte ich mir Gedanken machen sollen, dass ich so verzweifelt nach einem Kerl suchte, von dem ich im Grunde nichts wusste und der mich nur einmal im schäbigen Flur eines Notausgangs geküsst hatte? Ja, denn das wäre vernünftig gewesen, aber wie das so ist mit all den unvernünftigen Dingen: Sie fallen einem erst zu spät auf. Wie einem wohl alle Dinge, die warnend sein sollten, man aber nicht hören oder wissen will, immer erst zu spät auffallen.
Nun, in diesem Fall folgte nach den zwei Tagen erfolgloser Recherche erst die Ernüchterung, dann ein Kater, der sich gewaschen hatte. Einer der emotionalen Art, in welchem ich mein Leben hinterfragte, mein Händchen für üble Kerle, die mich sowieso nur flachlegen wollten und sonst nicht viel mehr sowie mein trauriges, einsames Dasein im Allgemeinen. Für gewöhnlich war ich nicht ganz so dramatisch, auch das hätte mich wachrütteln sollen – hatte es aber nicht.
Aber mit dem emotionalen Kater kam auch etwas, das mich in eine Zeit zurückwarf, die ich sonst lieber verdrängte.
Es begann damit – und das kennt vermutlich jeder – dass ich hin und wieder das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Man dreht sich um, aber da ist niemand. Man ist in der Wohnung und hat das untrügliche Gespür, nicht allein zu sein. Man überprüft alle Räume, aber da ist niemand. Und schließlich wurde es gruselig, denn jetzt kamen die Geister dazu. Eine Bewegung im Augenwinkel, etwas, das dafür sorgt, dass sich die Haare im Nacken aufstellen, aber wenn man sich blitzschnell in die Richtung wendet ist da nichts. Am Anfang war es noch nicht mal so schlimm. Es trat dann und wann auf, ließ mich über mich selbst den Kopf schütteln, mehr nicht. Dann häuften sich die Vorfälle und ich stolperte von einem Déjà-vu ins nächste.
Vor allem als Kind, aber auch später als Jugendlicher, hatte ich ebenfalls solche Phasen gehabt und die Zeiten, die ich in Therapien und Klinik verbrachte, um meine Wahnvorstellungen zu kurieren oder wenigstens zu erklären, waren nichts, woran ich mich gerne erinnerte. Genau wie heute waren auch seinerzeit die Schatten einfach aufgetaucht und hatten mich begleitet, über Wochen, manchmal Monate, über ein Jahr in der schlimmsten Phase, irgendwann war es vorbei. Meine Geister, wie ich selbst sie nannte, hatten mich verlassen und ich durfte wieder ein „normales" Leben führen. Aber seit dieser Zeit fiel es meiner Familie, insbesondere meiner Mutter, schwer, nicht jede meiner Entscheidungen misstrauisch zu hinterfragen. Später, im Erwachsenenalter, kam es wieder, kürzer und in abgeschwächter Form, aber jedes Mal brachte es meine Familie in Aufruhr.
Und so überraschend war das nicht. Wir waren fünf Geschwister und zwei meiner älteren Brüder hatten eine psychische Störung. Seit ich denken konnte trumpften sie hauptsächlich mit immer neuen Psychiatrieaufenthalten auf. Als es bei mir anfing, musste meine Mutter am Verzweifeln gewesen sein. Nur mein jüngerer Bruder blieb davon verschont. Und dann war da noch Danbi, unsere süße Kleine. Sie war die Jüngste und das einzige Mädchen, umringt von vier älteren Brüdern, die sich in der Verantwortung sahen, sie zu beschützen sowie einem Vater der... – nein, ich sprach schon lange nicht mehr über meinen Vater und wollte auch nicht über ihn nachdenken. Zusammenfassend konnte man vielleicht sagen, dass auch Danbi keine leichte Kindheit hatte.
Und jetzt waren meine Monster also zurück. Die huschenden Schatten gerade außerhalb meines Sichtbereichs wurden zu etwas, das mir kalte Schauer über den Rücken jagte und allmählich fragte ich mich selbst, ob ich nicht tatsächlich verrückt wurde. Es hielt tagelang an, wochenlang. Es ging so weit, dass ich nicht mehr aus der Wohnung wollte, weil mich alles, was mir nicht vertraut war, noch stärker in diese Angstspirale trieb und mit der Angst kamen mehr Schatten. Es war ein Teufelskreis. Es gab Tage, da wagte ich mich nur bei hellem Tageslicht und möglichst zur Rushhour aus dem Haus, nur um möglichst vielen Menschen zu begegnen. Manchmal lief ich absichtlich in sie hinein, nur um mir zu beweisen, dass sie oder auch ich real waren. Im Morgengrauen hinauszugehen oder die Zeit der Dämmerung hingegen waren die Hölle. Ich konnte nachts kaum mehr schlafen, weil mich Albträume quälten und tagsüber war ich so müde, dass ich regelmäßig einnickte, ganz gleich wo ich mich gerade befand. Und in einem dieser Momente, in jenem Dämmerzustand zwischen wachen und schlafen, kurz bevor man hinüberglitt, sah ich ihn.
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Blood, sweat and tears [Taegi]
Fanfic[BTS-AU] Schon als Kind waren Taehyung Dinge aufgefallen, für die niemand eine Erklärung hatte. Damit begann eine jahrelange Odyssee, die ihn selbst als jungen Erwachsenen noch brandmarkte, weil es keinen Menschen gab, der ihm glaubte. Und auch wenn...