Kapitel 6

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Aurore hatte mir zwar gesagt, dass ich laufen sollte, aber irgendwie ließ mich dieses Wort erstarren. Es mag irrational und vollkommen unlogisch sein, aber ich war wie festgewachsen. Das war exakt die falsche Reaktion.

"Aurela! Lauf!"

Ich zuckte zusammen und ihre Stimme hatte etwas derart drängendes, dass es niemanden entgehen könnte. Nur konnte ausschließlich ich sie hören. 

Trotzdem verweigerten meine Beine mir auch nur irgendeine Bewegung, obwohl ich eigentlich wollte.

"Aurela! Für was hast du zwei verdammte Füße?!"

Ja, das war eine berechtigte Frage.

Gina stupste mich an, weshalb ich mich ihr zuwandte und den Schock dank meiner Wölfin sah man mir wohl an, denn meine beste Freundin musterte mich besorgt. Sie sagte etwas, was mich nicht erreichte, da ich in dieser Panik von Aurore gefangen war. Dieses Gefühl war so stark, dass sie mich damit angesteckt hatte. Es war wie eine Welle über mich gekommen, weshalb ich allgemein nichts mehr hörte, was um mich passierte. Es war alles gedämpft und mein Herzschlag war viel zu laut zu hören.

Aurore rief: "Er ist unser Mate! Lauf!"

Oh.

Das ließ Leben in mich kommen und ich sagte laut zu Gina: "Ich liebe dich und das für immer. Sag das auch meiner Familie." Mit diesen Worten eilte ich los, denn ich musste dringend hier weg.

Endlich taten meine Beine das, worum ich sie bat, eher den Befehl, welchen ich ihnen gab.

Ich hob mein Kleid leicht hoch, aber das mit dem Rennen war ein Problem, denn dafür war zu viel los und dieses Kleidungsstück samt Schuhen waren der reinste Alptraum. Ein Sprint wäre damit unmöglich, obwohl dieser dringend nötig wäre.

Mein Herzschlag hatte sich sehr erhöht und nun konnte ich die Panik meiner Wölfin verstehen. Dennoch wollte ich es nicht akzeptieren, dass dieser Mann unser Mate sein sollte. Vielleicht irrte sie sich und verwechselte es.

Immerhin war dieser Mann noch nicht mal im Saal, was bedeuten konnte, dass sie falsch lag und ich umsonst diese Aktion riss. 

Die Leute machten mir zwar Platz frei, aber sahen mich verwirrt oder komisch an. Das konnten sie gerne weiterhin machen, sofern man mich vorbei ließ. Die Wahrheit konnte ich niemanden erzählen, ansonsten würde man mich aufhalten. 

Meine Atmung wurde von alleine hektisch und ich war wie in Watte gepackt, denn meine Ohren erreichte kaum ein Geräusch. Es war ein Wunder, dass ich noch sehen konnte, bei all den Gefühlen in mir und keines davon war positiv.

Ich hätte ja nach meiner Familie Ausschau gehalten, aber musste hier raus. Wobei es fraglich war, wie lange man einem Alpha entkommen konnte. Aurores Idee war vermutlich selten dumm.

Sie knurrte und sagte: "Schneller!"

Wenn das nur so einfach wäre. 

Ich hob mein Kleid noch weiter hoch und versuchte es. Der Wille war da, weshalb ich mein Bestes gab, um besser voran zu kommen. 

Tatsächlich gelang es mir wenigstens ein bisschen schneller zu sein. Leider war es meiner Ansicht nach immer noch viel zu langsam. 

"Er ist bald hier! Und sein Wolf dürfte es längst wissen!"

Oh Göttin.

Er wusste es.

Ich zwang mich diesen Gedanken beiseite zu schieben, denn etwas anderes verlangte meinen Fokus und zwar die Flucht.

Eigentlich war es ein Wunder, dass mich niemand aufhielt, immerhin war ich eine junge Frau, die anwesend sein musste. Ich durfte diesen Saal unter keinen Umständen verlassen, zumindest war das die Anweisung, bis Alpha Darkmoon eintreffen würde. 

Mittlerweile war dieser Befehl berechtigt, denn angeblich sollte ich diesem Wahnsinnigen zugeteilt sein, was ich vermutlich nie akzeptieren würde.

Da schnappte sich jemand mein Handgelenk und ich hörte jemanden hinter mir fragen: "Aurela? Wohin gehst du?" Es war erstaunlich, dass ich das überhaupt verstanden hatte, aber langsam schärften meine Sinne sich wieder, vermutlich da der Fluchtmodus immer dominanter wurde, weshalb man auf seine Umgebung achten musste. 

Das war mein Alpha, weshalb mein Herzrasen schlimmer wurde. Er würde mich zurückhalten, da er auf sein restliches Rudel achten musste. Einen Werwolf zu opfern war besser als das gesamte Rudel, welches Alpha Darkmoon zerhacken würde, wenn die Leute ihm seine Mate vorenthielten. 

Ich räusperte mich, wandte mich an ihn und sagte: "Alpha, es tut mir leid. Ich wollte kurz an die frische Luft. Das Kleid lässt mich kaum atmen, was mein Kreislauf nicht mitmacht." Das war die perfekte Ausrede und keine Ahnung, wie sie mir eingefallen war.

Er lächelte mich sanft an, ließ mein Handgelenk los und nickte. "In Ordnung, aber komme bald wieder." Wie man ihn kannte war er ein sehr verständnisvoller Mann und achtete auf seine Mitglieder. Wobei ich Glück hatte, dass er nicht anbot mitzugehen, damit mir auch ja nichts passierte. 

"Natürlich, Alpha." 

Danach drehte ich mich um und eilte weiter. Es waren viel zu viele Leute anwesend, weshalb ich Mühe hatte voranzukommen.

Aurore meinte: "Wenn der nur wüsste, dass er uns nie wieder sieht."

Moment.

Wir mussten fliehen und konnten vermutlich nie nach Hause kehren. Dieser Gedanke wurde mir erst jetzt so richtig bewusst, allerdings musste ich ihn beiseite schieben, sofern ich diesem Tyrann entkommen wollte. 

Plötzlich kam mir ein Gedanke, den ich an meine Wölfin adressiert aussprach: "Wir können nicht fliehen, was wenn er unserem Rudel etwas antut?" Mein beinahe laufen unterließ ich, um nur noch zu gehen, da ich unser Vorhaben stark anzweifelte.

Es wäre verantwortungslos, wenn wir sie alle im Stich und umbringen ließen. Wenn dieser Mann wirklich eine Bestie war, könnte man ihm das zutrauen.

Aurore schrie mich an: "Aurela! Wir sind auf eigene Faust geflohen! Das ist alleine unsere Schuld! Plus, dass sie bei der Suche nach uns helfen werden, weshalb alle aus dem Schneider sind! Niemanden wird ein Haar gekrümmt!"

Da hatte sie einige gute Argumente gefunden, weshalb ich wieder los eilte und die Verzweiflung von mir Besitz ergriff. Ein Alpha war schneller als der Standard, der würde uns einholen. Die Frage war nur wann.

"Lauf endlich los, Aurela!"

Diesmal bekam sie eine Antwort und die rief ich in einem bösen Ton: "Das geht nicht! Wie stellst du dir das in diesem Kleid vor?!"

Sie sollte ihr Hirn benutzen und mich nicht unnötig anschreien. Die Schuhe konnte ich mir nie ausziehen, ansonsten wäre mir das Kleid viel zu lang, also konnte ich aktuell daran nichts ändern, um besser voranzukommen.

Es fehlten nur noch ein paar Meter, was mich minimal erleichterte. Sobald wir draußen waren, würde ich mich in meinen Wolf verwandeln und loslaufen.

Nur knallte ich plötzlich gegen eine harte Brust, welche wie eine Wand war, die aus dem Nichts vor mir stand.

Als nächstes hörte man eine sehr kühle, aber männliche Stimme, die mir die Gänsehaut aufzog. Ob das daran lag, dass sie mir gefiel oder, ob es die Angst in mir war, konnte ich nicht sagen. Vermutlich war es beides.

"Hallo Mate."

My heartless Mate | ✔️ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt