In der Nacht vor Weihnachten...

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Nur noch eine Nacht und dann war es Weinachten! Sie konnte einfach nicht schlafen. Dafür war sie viel zu aufgeregt. Schon seit Stunden lag sie nun wach im Bett. Die ganze Zeit musste sie an die vielen Geschenke denken, die ihre Mutter schon unter den Weihnachtsbaum gelegt hatte. Vielleicht bekam sie ja jetzt endlich einen MP3-Player, den sie sich schon seit Monaten wünschte. Oder das Buch, das sie im Laden gesehen hatte. Langsam döste sie ein. Doch plötzlich wurde sie schlagartig aus ihrem Traum gerissen.

Was war das? Hatte sie nicht gerade was gehört? Kam das nicht aus dem Wohnzimmer? Stocksteif setzte sie sich auf. War das ein Einbrecher? Was sollte sie tun? War er vielleicht bewaffnet? Oder hatte sie nur schlecht geräumt? Ihr Wecker zeigte 2 Uhr nachts an. Wahrscheinlich hatte sie nur geträumt. Leise stand sie auf und tastete nach dem Lichtschalter. „Rums!". Sie zuckte so heftig zusammen, dass ihr Herz fast stehen blieb.
Jetzt war sie sich aber sicher! Sie hatte bestimmt nicht geträumt! Das war echt! Wer war im Wohnzimmer? Jetzt machte sie lieber nicht mehr die Deckenlampe an. Auf Zehenspitzen schlich sie zurück zu ihrem Nachttisch und tastete nach ihrer Taschenlampe.

Doch jetzt schaltete sich ihr Verstand ein. Einbrecher, das war doch absurd! Wer bricht schon im zehnten Stock in eine kleine Wohnung ein? Höchstens ein kleiner Bruder, der es nicht mehr erwarten kann, seine Geschenke auszupacken. Mann ej, Ben! Jetzt war sie stocksauer! In ihr kochte es nur so! Geschummelt wird nicht! Zumindest nicht ohne Konsequenzen. Entschlossen schnappte sie sich ihre Taschenlampe. Sie hatte einen Plan...

Leise schlich sie zurück zur Tür und öffnete diese lautlos. Im Flur sah sie sich kurz um, aber die Luft schien rein zu sein. Leise tastete sie sich weiter voran bis zum Flurschrank. Er quietschte leise, als sie ihn öffnete. Sie schaute sich zur Sicherheit noch einmal um, bevor sie reinschlüpfte. Es war dunkel und nicht besonders bequem auf Schuhen und zwischen Jacken zu hocken, aber bei der Vorstellung, ihrem kleinen Bruder eins auszuwischen, nahm sie das alles gerne in Kauf. Ein bisschen Herzklopfen hatte sie zwar noch, aber nur vor Aufregung.

Wer sollte das auch sonst sein? Kein Depp verirrt sich in einem Hochhaus im zehnten Stock um dort einzubrechen. Soll Ben nur kommen, dachte sie sich. Ihr Plan sah nämlich folgendermaßen aus: Wenn Ben aus dem Wohnzimmer zurückkommt, um wieder in sein Zimmer zu gelangen, wird sie ihn erstmal heftig erschrecken, indem sie mit lautem Geschrei aus dem Schrank poltert. Wenn er sich also erstmal so richtig erschreckt hat, darf er ihr dann noch erklären, was er im Wohnzimmer zu suchen hatte. Langsam kam in ihr Vorfreude auf. Soll der sich nur blicken lassen!

Nach kurzer Zeit hörte sie auch schon, wie eine Tür aufging und jemand den Flur entlang huschte. Nur die Schritte kamen aus der entgegengesetzten Richtung! Vielleicht waren es ja doch Einbrecher! Vor Angst hielt sie die Luft an. Warum war sie eben nur so leichtsinnig gewesen? Was hatte sie sich dabei gedacht? Plötzlich wurde die Schranktür aufgerissen! Vor Schreck schrie sie laut auf.
Doch da stand nur ihr kleiner Bruder Ben mit aufgerissenen Augen und starrte sie an. Sie fasste sich aber wieder schnell. „Was hast du um diese Uhrzeit hier verloren? Du konntest es wohl nicht länger erwarten oder was? Geschummelt wird nicht!" Jetzt fasste sich Ben auch langsam wieder. „Waaas? Das sagt genau die Richtige! Leugnen ist zwecklos. Ich hab dich eben gehört. Willst dich jetzt wohl der Strafe entziehen oder was wird das hier?" Plötzlich klirrte es im Wohnzimmer wieder. Beide zuckten vor Schreck zusammen.

„Was war das?", hauchte Ben fast. „Da ist jemand! Komm, schnell in den Schrank!" flüsterte sie aufgeregt und riss Ben gleichzeitig mit in den Schrank. Minuten lang lauschten sie in die Dunkelheit, doch nichts tat sich. Sie waren ratlos, was sie jetzt tun sollten. Sie trauten sich nicht aus dem Schrank, aber sie wollten da auch nicht übernachten. Ben fing jetzt auch noch an zu weinen. Doch da fasste sie einen mutigen Entschluss:
„Ben, wir können hier nicht ewig bleiben, wir gehen jetzt zusammen ins Wohnzimmer und schauen nach, was da los ist." Ein bisschen Angst hatte sie zwar immer noch, aber da war sie nicht mehr aufzuhalten. Sie stieß die Schranktür mit Wucht auf und kletterte fast lautlos wieder in den Flur. Er schnappte sich noch einen Schirm und folgte ihr. Er wollte ja auch nicht alleine im Schrank zurückbleiben. Also schlichen sie auf leisen Sohlen, bewaffnet mit einem Regenschirm, in Richtung Wohnzimmertür.

Doch langsam kamen ihr wieder Zweifel. War das nicht gerade ein bisschen sehr leichtsinnig von ihr? Was, wenn der Einbrecher vielleicht eine Pistole hatte und sie beide abknallte? Da brachte ein Regenschirm auch nicht mehr viel. Nein! Ein guter Einbrecher konnte das sowieso nicht sein! Der würde nicht so einen Krach machen. Entschlossen machte sie also einen Schritt auf die Tür zu und riss sie auf.

Erschrocken kreischte sie auf und sprang zurück, als ihr ein winziges Fellknäul mit Schleife entgegenraste und weiter in den Flur flüchtete. Danach richtete sie ihren Blick dem Wohnzimmer zu. Sie riss schockiert die Augen auf. Das, was sie da sah, war der reinste Albtraum! Der Weihnachtsbaum war umgekippt, die Strohsterne angenagt und die Geschenke aufgerissen und zerkratzt. Alles lag irgendwo, nur nicht da, wo es hingehörte. Das komplette Chaos!

Fortsetzung folgt vorerst in deinen Träumen

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