12 - Matt

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Ich wusste nicht wie lange ich hier schon stand und ungläubig durch die Gegend starrte. Erst als ich zwei starke Hände auf meinen Schultern spürte, zuckte ich heftig zusammen und drehte mich hoffnungsvoll zu der Person hinter mir.

«Was machst du denn hier so alleine?», kam es ratlos von Dom, der begleitet von den anderen plötzlich hinter mir aufgetaucht war.

Meine aufkeimende Hoffnung wurde mit einem Schlag zunichte gemacht, als ich in ihre Gesichter blickte. Jeden einzelnen hatte ich angesehen, doch natürlich war Harry nicht unter ihnen und so wie es aussah, hatte er sich auch nicht bei Ihnen gemeldet.

Ich schüttelte enttäuscht den Kopf und machte ihnen somit klar, dass ich Harry nicht auffinden konnte. Zu gerne wüsste ich was der Grund für sein Verschwinden war. Vielleicht hatte ich ihn ja mit meiner aufdringlichen Art und Weise vertrieben. Wenn, dann könnte ich es ihm letztendlich nicht einmal verübeln. Mein Starren war nicht nur mehr als peinlich gewesen, vielmehr war es unangebracht und unhöflich.

Schon als Kind bekam man beigebracht nicht mit dem Finger auf Leute zu zeigen oder sie unverfroren anzustarren. Ich war ihm also nicht nur mit Sicherheit auf die Nerven gegangen, sondern hatte dabei auch all meine Manieren zuhause gelassen. Egal was er danach sagte um mich zu beruhigen, es war einfach falsch gewesen. Und ich Idiot hatte das viel zu spät erkannt und nun nicht einmal mehr die Möglichkeit mich deswegen bei ihm zu entschuldigen.

«Na komm schon, Matt! Kopf hoch! Die Welt geht deswegen nicht gleichunter. Den Job hat er ja in der Tasche, daran ändert auch sein Verschwinden nichts.» Jons Worte drangen zwar zu mir durch und ich nickte ihm zustimmend zu, dennoch hatten sie ihre Wirkung verfehlt mich aufzumuntern. Der einzige der das jetzt überhaupt schaffen konnte, war derjenige weswegen ich so niedergeschlagen war. Ich machte mir Sorgen um ihn und fragte mich unentwegt, was passiert sein mochte. Und ob ich womöglich tatsächlich Schuld daran hatte.

Gemeinsam machten wir uns schließlich auf den Weg zu besagtem Italiener und verbrachten dort die nächsten anderthalb Stunden. Selbst eine hausgemachte Lasagne die absolut herrlich duftete und auch fantastisch schmeckte, änderte nichts an meinem ziemlich desolaten Gemütszustand. Obwohl ich versuchte es nicht so nah an mich heranzulassen, musste ich zugeben, dass ich echt schlecht darin war mich zu verstellen. Wäre Cassy mit dabei, hätte sie sich bestimmt schon zu mir herüber gebeugt und mich nach meinem Befinden gefragt.

Ich wirkte in der Tat irgendwie mehr als nur fehl am Platz, umgeben von lauter glücklichen Menschen, die sich über alles mögliche unterhielten. Ab und zu setzte ich zwar ein Lächeln auf, aber ich war mir sicher, dass jeder hier am Tisch wusste, dass es nicht ehrlich gemeint war. Ich hing meinen eigenen Gedanken hinterher und wollte eigentlich nur noch den Tag irgendwie zu Ende bringen.

Das Foto von Harry und mir sprang mir wieder entgegen, als ich die Vibration meines Smartphones spürte und auf den Chat mit Esther ging. Als das Bild entstand war die Welt noch in Ordnung. Zumindest meine Welt.

Mein Smartphone hörte gar nicht mehr auf zu vibrieren. Esther überhäufte mich mit Worten und Emojis, ich kam kaum mit Lesen hinterher. Doch im Gegensatz zu heute Morgen ließen sie mich nicht strahlen. Ich fühlte mich unendlich erschöpft und nicht einmal sie konnte etwas tun um mich zu erheitern. Meine Antworten fielen dementsprechend ziemlich karg aus und auch auf Esthers Nachfrage hin, ob alles okay wäre, konnte ich kaum Worte finden.

Nicht zum ersten Mal für heute stelle ich mir selbst die Frage wiesehr mich eine einzelne Person so schlagartig einnehmen konnte. Ich hatte ihn nur gesehen und war ihm schon verfallen, auf eine Art die mir selbst Angst machte. Einfach weil ich dem nichts entgegen setzen konnte. Das einzige was helfen konnte, war gleichzeitig die Ursache des ganzen Übels. So lächerlich sich das auch anhörte und egal wie oft ich es wiederholte, um es abzuschwächen, es war und würde letzten Endes die unaussprechliche Wahrheit bleiben: ich vermisste ihn und jede Sekunde in der wir miteinander redeten.

Mein neuer AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt